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weitentblößten Armen unverwandt an. Noch nie war sie ihr so schön, so dämonisch schön erschienen! Sie ahnte nicht, daß sie in diesem Augenblicke dem stolzen Weibe zur Folie diente. Waldow's Künstler« äuge flog abwechselnd von dem einfach und dunkel gekleideten Mäd chen mit der bescheidenen Haltung und dem schüchtern emporgeschla genen Auge zu Blanka in dem kostbaren, ungewöhnlichen Gewände, strahlend in ihrer Schönheit, mit leidenschaftlichen Blicken und voll stolzem Selbstbewußtsein. Ein bescheidenes Wiesenblümchen neben der duftberauschenden, voll entfalteten Centifolie. -- »Ich hoffe," sagte Blanka im Fortgehen, „daß Du Dir, meine liebe Virginie, Mühe geben wirst und Dich durch regen Eifer und gute Fortschritte der Ehre würdig zu machen suchst, einen Lehrer wie Herrn Professor Waldow zu besitzen." Waldow bemerkte, daß Virginie von dem kleinen Dienste, den er ihr vor wenigen Abenden erwiesen, ihrer Taute nichts erzählt habe, weil diese sonst sicher darauf zurückgekommen wäre. Es war ihm dies, ohne sich darüber klar zu werden, weßhalb, erwünscht. Seitdem sich am Tage vorher die ihm befreundeten Rodenbergs so günstig und liebevoll über Virginie ausgesprochen und auch nicht verfehlt hatten, zu bemerken, daß die Verwaiste wohl kaum ein be- neidenswerthes Leben im Hellmann'schen Hause führen würde, mar plötzlich, fast unbewußt, ein wärmeres Interesse für Virginie in ihm erwacht, wenn er auch überzeugt war, daß Rodenbergs viel zu schwarz sähen und daß die Lage des jungen Mädchens durchaus nicht so be dauerlich sei, als wie das Geschwisterpaar, in einem Vorurtheil be fangen, eS darzustellen suchte. „Rian hat wir Grüße an Sie nufgetragen, Fräulein Norden," begann Waldow mit einem wohlwollenden Blick auf das junge Mäd chen, welches überrascht in die Höhe blickte. „Ich war gestern im Nvdenberg'scheu Hanse, wo man Ihre Liebenswürdigkeit nicht genug rühmen kann," fügte- er erklärend hinzu, „und wo mau es lebhaft bedauert, daß Sie auf Ihrem Heimwege Insulten ausgesetzt gewesen sind. Fürwahr, Fräulein Norden, Sic haben die Herzen des alten Geschwisterpaares im Fluge erobert. Das wahrhaft Edle und Reine wird von gleichgesinnten Seelen s anell heruusgefühlt." Virginie senkte tief erröthend den Kops; eine Thräne erglänzte an ihren Wimpern. „Spotten Sie meiner nicht, Herr Professor; ich weiß, welches unbedeutende und ungebildete Mädchen ich bin und wie viel ich bei meiner ländlichen Erziehung noch nachznholen habe. Mau sagt mir das ja täglich!" Ihr Ton hatte etwas verletzt geklungen. „Nein, nein, mein Fräulein, ich spotte nicht," versetzte Waldow mit Wärme, indem er ihre kleine Hand erfaßte; „Seelengüte und Herzensreiuheit lassen sich nicht anerziehen. Das Samenkorn dazu muß schon vorher in der Brust des Menschen liegen." Der Eintritt Lisettens, welche nach einer kurzen Verbeugung in einer Ecke des Zimmers mit einer Näharbeit Platz nahm, unterbrach das Gespräch. Als habe man sie bei etwas Unrechtem ertappt, so verwirrt und erschrocken entzog Virginie dem Professor ihre Hand. Das scharfe Auge Lisettens hatte dies aber doch bemerkt. „Ah," dachte sie, „auch hier wirft die sich so unschuldig stellende Einfalt vom Lande ihre Netze aus. Tie gnädige Frau wird sich über diesen Spaß köstlich umüsiren!" Virginie beugte sich eifrig hinab auf das weiße Papier, auf welchem unter Waldow's Anleitung mit überraschender Schnelligkeit die Umrisse einer Landschaft sichtbar wurden. Ihr Herz pochte ängst lich, zugleich aber auch in einer nicgeahnten Seligkeit, wenn der Pro fessor ihr den Stift aus der Hand nahm und dabei absichtslos die ihre berührte, oder wenn sein Athem ihr Haar und ihre Wangen streifte. War es ihr doch überhaupt in seiner Nähe so wunderbar zil Rinthe, sie hätte weinen und dach auch wieder laut aufjubeln mögen vor Entzücken, welches ihre Seele erfüllte. Sie ahnte nicht, daß ihr Herz erwacht war, seit zum ersten Male Waldow's dunkles Äuge auf ihr geruht hatte, sie ahnte nicht, daß in ihrem uuenlweihlen Herzen eine reine, keusche Liebe zu keimen begann. Waldow begegnete auf dem Nachhausewege Sterncck. „Endlich!" rief ihm der Assessor entgegen; „weiß der Himmel, man bekommt Dich ja gar nicht mehr zu sehen, Waldow, wo steckst Du nur immer?" „Da gerathen wir wieder auf unser altes Thema," gab der Professor voll Humor zurück. „Ihr Juristen habt gut reden. Ihr sitzt Eure paar Stunden auf dem Gericht ab, dann seid Ihr für den ganzen Tag fertig. Uniereins ist aber immer wie ein gehetztes Reh! Du weißt, wenn der Fürst zurückkehrt, soll die Gallerte renovirt sein und es giebi da noch sehr viel zu thuu, so daß ich bis zur nächsten Kunstausstellung wohl kaum mein Bild fertig bringe. Da die vielen anderen meist unerquicklichen Besorgungen —" „Und Siuudeugeben bei hübschen, jungen Damen, — o, Du Heuchler!" warf Sterneck hastig dazwischen. „Rodenbergs haben mir ! Alles erzählt, auch Deine Ritterlichkeit von neulich Abend. Meine Tante ist ganz entzückt über Hellmann's Nichte und ich muß gestehen, daß ich auf die Bekanntschaft derselben neugierig geworden bin. Aber, Waldow," fügte er, stehen bleibend, fast in besorgtem Tone, hinzu, „mit welcher Unbesonnenheit spielst Du mit dem Feuer, indem Du das kokette Weib, die Hellmann portraitirst! — Weiß der Him mel, wie sie es anfängt, alle Welt für sich einzunehmen; selbst bei Hofe fängt man an, sie zu beachten. Ich sage Dir nochmals als ' Freund, Waldow, nimm die Sache nicht so leicht und hüte Dich vor diesem blonden Dämon, ehe es zu spät wird!" „Laß mich mit Deinen Unkenrufen in Ruhe. Ich begreife nicht, weßhalb Du gerade in diesem Falle so hartnäckig bist und den War ner spielst." Sterneck runzelte die Stirn, dann reichte er dem Freunde die Hand zum Abschied. „Nichts für ungut, späterhin wirst Du mich besser verstehen," sagte er bedeutsam. „Hätte mein Herz bereits vollständig überwun den, so würde ich ganz offen gegen Dich sein. Doch davon später und nun Adieu, Waldow!" (Fortsetzung folgt.) Elterlein. Wie wir hören, giebt der hiesige „Männergesang verein" nächsten Sonntag ein Concert. Zur Aufführung gelangt: „Eine Sängerfahrt in's Riesengebirge." Ein Cyclus von 15 Ge sängen mit verbindender Declamation, gedichtet von R. Sachse, com- ponirt von Wilhelm Tschirch, dem Componisten des dramatischen Ton- gemäldes: „Eine Nacht auf dem Meere". Dieses Gesangsstück — eine Reihe der herrlichsten Lieder — erfreute sich überall, wo es zur Auf führung kam, der besten Aufnahme, so daß mit Bestimmtheit zu er warten ist, es werde auch im hiesigen Orte gefallen. — Mit dem hereinbrechenden Frühling kommt einer frohen Sängerschaar in einem schlesischen Städtchen die Wanderlust an: „Auf! Auf! traute Brüder! hinaus in die Welt! Und tragt eure Lieder durch Flur und durch Feld!" so erschallt der Mahnruf und nicht vergeblich, sie wandern. Vor'm Thore versammeln sie sich im Kreise; dort warten schon die Wagen, bespannt mit muthigen Rosseil, um unsre Reisenden aufzunehmen. Alls Hellen Kehlen ertönt das Abschiedslied vom Heimathsorte: „Leb wohl du Städtchen mein! t'eb wohl! Adel" Daun geht es auf froher Fahrt durch grünende Fluren, vorbei an freundlichen Dörfern, dein Gebirge zu. Zwar thürmen sich am Hori zonte jetzt schwarze Wolken auf und ein tüchtiger Landregen prasselt hernieder, so daß unseren Sangesbrüdern fast der Muth entsinkt.— Doch ein starker Windstoß zertheilt iin Nu die finstre Wolkenmaffe wieder und die warmen Sonnenstrahlen senken sich auf's Neue her- uieder, neue Lust und neues Leben verbreitend. Jetzt winken auch die Berge herüber und: Glück auf! Glück auf! hallt weithin der Gruß, — Warmbrunn ist erreicht. Hinein strömt die Sängerschaar in den bekannten Gasthof, daß bald die traulichen Gastzimmer mit hungrigen und durstigen Gästen gefüllt sind, die der Wirth auf's ! Freundlichste begrüßt. Seid herzlich willkommen, ihr werthesten Gäst! Ich will euch bedienen, das glaubt mir, auf's Best'! Was giebt's zu speisen? was giebt's zu trinken? erschallt's im Chor! Der Wirth ist nicht auf den Kopf gefallen und in seiner Wirthschaft anf's Beste berathen. Was sich ein hungriger Magen und eine dur,. stige Kehle nur wünschen, das giebt es bei ihm in Hülle und Fülle! z. B.: saftige Braten, Omeletten, Koteletten, Rostbeef, gute Saucis; auch Jauer'sche Bratwurst, Schömberger Knackwurst, Meserer und Eoiupot und herz liche Schinken; auch Karpfen von Giersdorf, Forellen, prächtige Hechte, und blutrothe Krebse; dann Häusler'sche Weine zu allen Preisen, Schaumwein vom Grüneberger Land, der Schlesien macht wahrlich keine Schänd; nun kommt es zum Besten: „herrliche Biere, goldige braune, mit schneeigem Schaume, werden auch munden beim Sang!" „Du Krone der Wirthe bring Alles herein, nur mach es fein billig wir, kebren dann ein zur gastlichen Halle bald wiederj!" singt die fröhliche Schaar. (Dieses Duett zwischen den reisenden Sängern und dem Wirthe wirkt besonders ansprechend.) Gestärkt und mit frischem Rinthe geht es nun an's Wandern, hinein in das Gebirge. Da schimmert auch schon durch das dunkle Grün altes, zerfallenes Gemäuer; die Burg Kynast hoch oben auf des Berges Spitze ist erreicht. Ta drängt sie's zu schauen Die Dörfer und Auen, Des Zackens, der Teiche Spiegel Zur Seite die Berge und Hügel. Nur ungern reißt sich das Auge von dem entzückenden Bilde. Zur Stelle, hin zum Höllengrund, wo das Echo so herrlich' klingt, eilen die Sänger und: „O Wald, o Wald! Du herrlicher Wald!" tönt's jetzt hinaus, daß es in den Bergen ringsum wiederhallt! Nun ist die Schenke erreicht, in welcher das Nachtlager aufgeschlagen wird. Dort credenzt eine freundliche Dirne, wie man sie so lieblich und hold nur im Gebirge findet, den perlenden Gerstensaft. Sie hat es unseren Sängern angcthan, daß sie alsbald zu singen beginnen: „O Schenkerin, liebliche Schenkerin mein, Ich hab' mich verseh'» iu den Aeugleiu dein : An deinem so rosigen Munde." Hier geht cs nun beim frischen Trünke lustig zu; doch allmählig findet sich auch der Schlaf ein und nachdem sie noch ein stilles Abend lied hinaus in die Berge gesandt haben, legen sich unsre müden Wandrer nieder zum süßen Schlummer. — Kaum graut der Morgen,