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eine Hofdame, ein junges, bleiches Mädchen, das sich bei dem Ein« tritt des Naths ehrfurchtsvoll erhob. Die Fürstin hatte fast unberührt ihr Frühstück vor sich stehen; ihre Hauptaufmerksamkeit war einem geöffneten Brief zugemendet, der vor ihr lag. Ein freundliches Lächeln glitt über ihre scharf- markirten Züge, als sie ihrem Günstling die Hand zum Gruße reichte, welcher diese ehrfurchtsvoll an seine Lippen führte, dabei sein scharfes Auge prüfend auf den geöffneten Brief richtend. Die Fürstin bemerkte es. „Neuigkeiten aus Italien von meinem Sohne, dem Fürsten," sagte sie. „Er befindet sich sehr wohl und wird, da bisher seine Neise von dem besten Wetter begünstigt worden ist, jedenfalls ein paar Wochen länger fortbleiben, als er sich ursprünglich vorgenom men hatte. Liebe Brandenstein." fügte sie, sich an das junge, bleiche Mädchen wendend, hinzu, „Sie sind wohl so freundlich, die diesjährige Armenliste mit der vorjährigen zn vergleichen, sie liegt im grünen Zimmer auf meinem Schreibtische." Mit offenbarer Gemüthserleichteruug leistete das junge Mädchen diesem Gebote Folge. Kaum hatte sie sich entfernt, so nahmen die Züge der Fürstin, die eine Sache von weittragender Bedeutung zu beschäftigen schien, einen lebhafteren Ausdruck an, während Bernecks Gedanken sich mit dem Plan beschäftigten, Blanka und durch sie auch Virginie in die Netze seiner eigennützigen Jntriguen unlösbar zu verstricken. „Herr Hofrath," begann die Fürstin nach einer Pause wieder, „haben Sie über die Mittel nachgedacht, wie wir unserer frommen Stiftung Marienfeld gründlich und auf die Dauer aufhelfen können?" Der Nath lächelte fein. „Durchlaucht, das Alles habe ich kommen sehen, denn unsere Sache hat hier mächtige Feinde und doch werden diese nicht ver hindern können, daß unser Werk nicht nur bestehen, sondern bald mächtig emporblühen wird." Die Fürstin richtete auf den Nath, der sinnend zu Boden blickte, einen erstaunten Blick. „Wie aber soll das möglich sein?" fragte sie ungläubig. Der Adel unseres Landes ist meist arm; die Stiftsdamen bringen dem Stifte kaum so viel zn, als sie nach den Statuten niitbringen müssen. Das Stammkapital will sich trotz aller Sparsamkeit und Umsicht nicht vermehren und dadurch fehlen dem jungen Unternehmen die Mittel, seine Thütigkeit nach Außen hin zu erweitern." Berneck ging mit verschränkten Armen einige Male lautlos im Zimmer auf uud ab und blieb daun vor der Fürstin stehen, die jede seiner Bewegungen mit Aufmerksamkeit verfolgt hatte. „Ganz recht, Durchlaucht, der Adel ist meist unbemittelt; dafür aber haben wir eine reiche Bürgerschaft. Ueben mir Toleranz und nehmen wir eine Aenderung der Statuten vor. Warum sollen blos adlige und nicht auch reiche bürgerliche Damen in das Stift eintreten dürfen?" Die Fürstin wehrte lebhaft ab. „Nein, nein, dies ist gegen meine Grundsätze; ich liebe das Bürgerthum nicht uud würde es uicht über mich gewinnen können, mit diesem in nähere Berührung zn treten." „Jedenfalls sind aber die Neichthümcr desselben uicht zu ver achten." versetzte mit einem schlauen Blick der Rath. „Ich bin über zeugt, die Bürgerlichen werden es für eine hohe Ehre und Auszeich nung halten, wenn ihretwegen eine Ausnahme von der Regel gemacht wird." Die Fürstin neigte nachdenklich das Haupt. „Und wenn ich mich wirklich entschließen könnte, eiuzuwilligen, wird das Opfer, das ich meinen Grundsätzen bringe, sich der Mühe verlohnen?" „Ich denke dock," versetzte Berneck mit einem feinen Lächeln. „So wünscht zum Beispiel Fräulein Dubois nichts sehnlicher, wie als Stiftsdame ihr früheres, etwas zweifelhaftes Leben zu sühnen. Sie würde der Stiftung mindestens dreißigdausend Mark zubringen. Ferner ist cs nicht unmöglich, daß die Frau des alten und kränk lichen Banguiers Hellmann einst als Wittwe einen derartigen höchst ehrenvollen Zufluchtsort mit Freuden annehmen würde. Nach meinem Dafürhalten wird sie nach dem Ableben ihres Galten ein sehr be deutendes Vermögen erben." Die Fürstin lachte in ihrer harten, scharfen Weise laut auf. „Wie, die Hellmann, die schönste, dabei gefall- uud vergnügungs süchtigste Frau der Stadt, sollte sich nach dem Tode ihres, wie man sagt, nur aus Berechnung gewählten, alten Gemahles mit ihren er erbten Neicbthümeru hinter' die stillen Mauern unseres Stiftes be graben? Nein, Herr Nath, dies ist undenkbar. Ihre erstaunliche Welt- und Mcnschenkeuntniß läßt Sie hier im Stiche!" Berneck's durchdringende Augen ruhten voll Ueberlegenheit auf seiner fürstlichen Freundin. „Und doch sehe ich mehr, als eine Möglichkeit, das Ihnen un möglich Dünkende zu erreichen. Lassen Sie dies einstweilen mein Geheimnis; bleiben, denn noch bin ich mit nur selbst nicht völlig im Kla ren. So viel aber ist sicher, daß wir uns schon jetzt der schönen Frau etwas nähern müssen, um ihrem glühenden Ehrgeiz zn schmei cheln. Ihr untcrthänigster Diener, Durchlaucht, hat sich erlaubt, be- i reits heute einen Anfang damit zu machen und bittet demüthigst wegen seines allzu eifrigen Handelns im Voraus um Verzeihung." „Was thaten Sie," fragte die Fürstin voll Unruhe. „Ich habe mir erlaubt, Frau Hellmann im Namen Eurer Durch laucht aufzufordern, an der Fahrt nach Marienfeld Theil zu nehmen." Die Fürstin fuhr heftig in die Höhe. „Was erlaubten Sie sich," rief sie gereizt; „ich sollte mich mit dieser Fran öffentlich zeigen, sollte in einem Wagen mit ihr sitzen? Nimmermehr!" Ein flammender Blick des Günstlings traf die Erregte. „Der Banquier Hellmann hat eine verwaiste Nichte in sein Haus genommen. Wäre es nicht auch eine edle Aufgabe, sich des armen Mädchens anzunehmen, um sie später, nach erfolgter Mündig keit, in unser Stift nufzunehmcn, dem sie eine ansehnliche Summe : zubringen dürfte?" Die Fürstin hatte, trotz ihrer Erregung, gespannt zugehört. Ihre Augen funkelten bei diesem Vorschläge. „Ja," rief sie nach einer Weile des Nachdenkens, „das ist ein edles Werk. Versäumen Sie nicht, es zu beginnen!" „Vorsicht und Klugheit, keine Uebereilung," mahnte der Rath, nunmehr das Gespräch auf einen anderen, ihm ebenfalls am Herzen liegenden Gegenstand lenkend. Nach einer halben Stunde verließ Berneck seine fürstliche Freun din. Sie hatte endlich eiugewilligt und seinen, in Bezug auf Frau Blanka gefaßten Plan gebilligt. Er sah zufrieden, fast vergnügt aus und als er sich jetzt im Korridor allein sah, lachte er laut und höhnisch auf. „Sie alle sind Marionetten in meiner Hand, die ich nach Be lieben drehe und wende. Sie Alle dienen mir nur dazu, mich mei nem Ziele näher zu rücken und sind die Sprossen an der Leiter zum Reichthum. Denn nur mit Gold ist die Welt zu beherrschen." „ 4. Kapitel. Von der hohen Ehre, welche Frau Hellmann durch die Aus fahrt mit der Fürstin bevorstand, ganz berauscht, hatte sie vergessen, daß Waldow heute kommen wollte, um mit ihr die Stunden der Sitzung und das Kostüm zu besprechen, in welchem die schöne Frau gemalt zu werden wünschte, gleichzeitig aber auch, um sein impro- visirtes Atelier eiuzurichteu, da er, auf Hellmann's Andriugeu, schon früher mit dem Bilde zu beginnen dachte, als er cs sich vorgenom- mcn hatte. Ihn drängte es jetzt selbst, sein Versprechen so rasch als möglich zu erfüllen. Fürchtete er eine Gefahr? Schon hatte sich Frau Hellmann mit Lisetten in das Toilett- zinnuer zurückgezogen, um sich zur Ausfahrt zu rüsten, als der Pro fessor erschien, welchen Hellmann mit dem Bedauern empfing, daß seine Gemahlin heute leider verhindert sei, Rücksprache mit ihm zu nehmen. „Wollen Sie nicht die Güte haben, das zum Atelier bestimmte Zimmer in Augenschein zu nehmen? Auch hängt dort.ein Gemälde, das sicher Ihr Künstlerauge erfreuen wird," fügte Hellmann nach einer höflichen Begrüßung freundlich hinzu. Bei dem Eintritt in das bezeichnete Gemach erhob sich Virginie mit einem leisen Schreckeusrufe von ihrem Fenstersitze. Sie hatte geglaubt, hier ganz unbemerkt und ungestört zeichnen zu können, da ihr in ihrem jetzigen düsteren Stübchen das Licht dazu fehlte und inm wurde sie plötzlich vom Onkel und dem von alle Welt gefeierten Professor überrascht. Ersterer lachte laut über Virginiens Schreck und strich ihr freundlich über den glänzenden Scheitel, Waldow's Blick hingegen streifte nur flüchtig über das erröthende Mädchen hin. Seine Aufmerksamkeit wurde von der beinahe vollendeten Zeichnung gefesselt, von welcher Virginie so hastig aufgestanden war und die eine Eopie eines berühmten Stahlstiches darstellte. „Ist das Ihre Arbeit, mein Fräulein?" fragte er überrascht „Führwahr, diese Zeichnung verrätst ungewöhnliches Talent." Auch Hellmann sprach sich lobend aus und war hocherfreut, als Waldow, der die Zeichnung nochmals sorgfältig prüfte, das Aner bieten machte, das in Virginien schlummernde Talent auszubilden, vorausgesetzt, fügte er lächelnd hinzu, „wenn Fräulein Norden es nicht verschmäht, meine Schülerin werden zu wollen." Virginie, bisher schweigend und befangen, war auf das Ange nehmste überrascht und fand in ihrer Herzensfreude kaum Worte, - um dem Professor für das gütige Anerbieten ihren Dank auszu- ä drücken. „Das wäre abgemacht," schnitt Hellmann, sich vergnügt die Hände reibend, Virginiens Rede ab. „Nein, noch nicht ganz, versetzte Waldow mit einem Lächeln. „Noch weiß ich ja uicht, wann der Unterricht beginnen und wie oft er stattsiudcn soll." Nachdem man sich darüber verständigt hatte, daß der Professor dem jungen Mädchen wöchentlich zwei Unterrichtsstunden geben sollte, empfahl sich Waldow für heute und zwar gegen Virginien in so herzlichem Tone, daß ihr verschüchtertes und vereinsamtes Herz so fort warmes Vertrauen zn dem berühmten Maune empfand. Aus ihren Auge» strahlte jetzt frohe Heiterkeit. Seit langer