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Bismarck zu erwerben, wenn auch dieser Diplomat nicht vollständig j»je Ideen der jetzigen französischen Regierung vertreten sollte. Rußland. Die Nihilisten erheben ihr Haupt kühner denn je, und wiederum sind vielfach Verhaftungen erfolgt. Aus Moskau kommt die Nachricht, daß von der Polizei daselbst ein Lager mit revolutio nären Proclamationen in russischer und in einer fremden Sprache, sowie mit galvanischen Batterien entdeckt und dabei ein Individuum verhaftet worden, welches in ein zerrissenes Arbeiterhemd gekleidet war und 12,000 Rubel bei sich trug. Gleichzeitig wird aus Charkow die Verhaftung eines nihilistischen Professors gemeldet. Der Ver haftete gehört zu den Lehrern der Charkower Universität. In seinem Hause wurden haufenweis revolutionäre Proclamationen und Explo- fionsstoffe vorgefunden. Er soll an der nihilistischen Propaganda sehr regen Antheil genommen haben. — Die Nachrichten über das Be finden der Kaiserin von Rußland lauten immer ungünstiger. Der Zustand der hohen Frau soll ein hoffnungsloser sein. Lokales und Lächstsches. Zwönitz, 12. Januar. In der am 8. Januar stattgefundcncn öffentlichen Sitzung des Schöffengerichts zu Stollberg, die Privat klagsache des Expedienten Herrn Schuricht in Annaberg, Privat klägers, gegen den Bürgermeister zu Zwönitz, Herrn Schönherr, An geklagten, betreffend, wurde letzterer von der gegen ihn wegen Be leidigung erhobenen Privatklage freigesprochen und der durch den Referendar Herrn Schulze von Stollberg vertretene Privatkläger in die Kosten des Processes verurcheilt. Der Privatkläger, welcher sich durch einen in einer Eingabe des Angeklagten an die Kgl. Amts hauptmannschaft Chemnitz enthaltenen Passus an seiner Ehre ver letzt gesunden hatte, wurde durch die Entschcidungsgrttnde des Ur theils beschießen, daß, da konstatirt worden, daß der Angeklagte zu einer amtlichen Auslastung über die in Frage kommenden Ver hältnisse von der genannten Behörde veranlaßt worden, es sich hier nm eine dienstliche Anzeige gehandelt habe, zu deren pflicht gemäßer Erstattung der Angeklagte berufen gewesen und welche nach Paragraph 193 des Reichsstrafgesetzbuchs straflos erscheinen müsse, weil das Vorhandensein einer Beleidigung weder aus der Forni der Aeußerung, noch aus den Umstünden hervorgehe, --v In der darauffolgenden Verhandlung wurde der wegen Erregung ungebührlicher Weise ruhestörenden Lärms angeklagte Handarbeiter Friedrich August Walther in Zwönitz Mangels Beweises freige- sproche» rind hie Kosten des Processes auf die Staatskasse übernommen. Dresden, 9. Januar. Auch heute traten beide Kammern zu Sitzungen zusammen. Die Erste Kammer ertheilte dem Berichte ihrer 1. Deputation entsprechend dem königl. Dekrete, den Gesetzentwurf über die gewerblichen Lehranstalten betreffend, nach einer längeren Debatte, welche sich um die Anwendung dieses Gesetzes auf die bereits bestehenden gewerblichen Lehranstalten drehte, mit einer kleinen Modi fikation in namentlicher Abstimmung ihrer Zustimmung, bewilligte soeben die Abtheilung des Etats der Zuschüsse bei den: ordent lichen Staatshaushalte, allgemeine Staatsbedürsnisse, mit Ausnahme eines Abstriches bei den zum königl. Hausfideikommiß gehörigen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, in der etntisirten Höhe und genehmigte schließlich die Kap. 11 bis 20 des Etats der Zuschüsse, Abtheilung L, Gesammtministerium nebst Dependenzen betreffend. Nächste Sitzung Montag. Die Zweite Kammer führte die Berathung des Justizetats zu Ende und bewilligte die sämmtlichen Postulate, mit Ausnahme der Schreibegebühren bei den Gerichten erster Instanz, welche ohne Wider spruch der Regierung um 50,000 Mark abgemindert wurden, in der postulirten Höhe. Einige Anträge des Abg. Freytag auf gesetzliche Regelung des Vorbereitungsdienstes und der Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher wurden der Gesetzgcbungs- deputation überwiesen. Auf Antrag der berichterstattenden Deputation beschloß die Kammer, die Staatsregierung ausznsordern, noch dem gegenwärtigen Landtage eine Gesetzvorlage, die Einführung einer Amtstracht für Justizbeamte und Rechtsanwälte betreffend, zugehen zu lassen — welchen Antrag Staatsmiuister Dr. v. Abeken nur be züglich der Rechtsanwälte acceptirte — und ferner, das Justiz ministerium zu ersuchen, im Verlaufe der weiteren Entwickelung der neuen Juftizorganisation bei sämmtlichen Klassen der Justizbeamten vor Neubesetzung erledigter Stellen das Augenmerk darauf zu richten, ob die Wiederbesetzung nach Lage der Geschäfte nicht unterbleiben könne. Nächste Sitzung Montag. Zwickau, 9. Januar. Heute Vormittag verunglückte im zweiten Brückenbergschacht der Fördermann Wilhelm Louis Krauße aus Mülsen St. Jakob dadurch, daß er von einem in Folge eines Seil- bruches den Bremsberg hereingchendeu Hunt überfahren wurde. Der Verunglückte erlitt einen Bruch des linken Ellenbogengelenks und andere schwere Verletzungen, welche die Unterbringung im Kreiskrankenstifte nöthig machten. Stauchitz, 8. Januar. Am 5. Januar Vormittags fand mau zwischen hier und Panitz im Jahnabache den 70 Jahre alten Nacht wächter Marx von Grubnitz ertrunken auf. Am Sonntag Abend mar derselbe bei seinem Sohne in Hof gewesen und in der Finster niß beim Nachhauscgehen in den angeschwollenen Bach gefallen. — Gestern früh in der 7. Stunde brannte in Weichteritz das dem Sattlermeister Strehle gehörige Wohnhaus vollständig nieder. Das Feuer soll infolge Schadhaftigkeit der Este entstanden sein. Ter 9jährige Sohn des Gutsbesitzers Friedrich Reichenbach iu Regio, welcher mit einer Stange die auf der angeschwollenen Pleiße treibenden Eisschollen abstieß, ward von einer solchen erfaßt und ins Wasser gerissen. Schon war der Knabe, besten Kopf nur selten ein mal emportauchte, von der Gewalt des Flusses über das Wehr hin weg geführt und aufgegeben worden, da erbarmte sich ein Mann, Namens Deutscher, wagte sein Leben auf's Aeußerste und brachte das anscheinend tobte Kind glücklich an's Land, woselbst es auch wieder zu sich gebracht wurde. Im herrschaftliche» Schlosse zu Neschwitz hat sich in der Nacht zum 5. d. M. der Diener und Schloßverwalter Johann Schuster mittelst eines Jagdgewehres erschossen. Der Verstorbene war 60 Jahre alt und hat seit 36 Jahren ununterbrochen im Dienste des Grafen zu Neschwitz gestanden. Er soll die traurige That in einem Anfälle von Schwermuth, an welchem er schon länger gelitten, be gangen haben. Seifst». Am 7. Januar versuchte sich in der Wohnung seiner Eltern der 23 Jahre alte Holzdrechsler Gläßer von hier zu erschießen. Derselbe hatte das Gewehr mit Schrot und 4 Stücken gehacktem Blei geladen. Der Schuß war auf den Unterleib gerichtet gewesen, ist in denselben eingedrungen und hat am Rücken seinen Ausgang gesucht, dabei aber auf dem Wege den Magen nicht unerheblich ver letzt. Ein Stück Blei saub man neben dem Verwundeten liegen, zwei zog der herbeigerufene Arzt aus der Wunde, das vierte fehlte noch. Stbnitz. Am 5. d. fand man am Fuße des Bozen in der 'Nahe der „Sberen Schenke" in Schönau in Böhmen den Leichnam eines Arbeiters aus Sohland, welcher seit Mitte November vorigen Jahres vermißt wurde und der bis zu jener Zeit als Drescher in Schönau in Arbeit gestanden hat. Der Kopf des Tobten zeigte Verletzungen wie von einem Schlag oder Sturz herrührend. Der Leichnam war tief verschneit gewesen lind hat sich dadurch der Ent deckung, die in der Nähe des Dorfes sonst unbedingt hatte früher erfolgen müssen, entzogen. In der Nähe fand mall verschiedene Gegenstände, welche als dem Ausgefnndenen gehörig erkannt wurden. Die eingeleitete Untersuchung wird ergeben, ob ein Unglück oder ein Verbrechen vorliegt. Am 6. Januar stieg im Finstern der 34j«hrige Knecht Böhme in Mittel-Reichstädt bei dem Gutsbesitzer Aßmann, wo er in Diensten stand, auf den Schcunenboden, stürzte durch das über der Tenne befindliche Loch und wurde bald darauf in seinem Blute schwimmend aufgefunden. Sein Tod erfolgte nach einer Stunde in Folge Hirn- erschütterung und Zerschmetterung des linken Schläfenbeines. Ntusulzn. Am 3. Januar wurde in Cunewalde der Einwohner und Weber Wilhelm Nausendorf aus Klipphausen in seinem Bette unter Umständen todt aufgesnnden, welche auf ein gewaltsames Er drosseln schließen lassen. Des Mordes verdächtig ließ die k. Staats anwaltschaft zu Bautzen den Tagearbeiter Joh. Christlieb Wagner von Dbercunewalde verhaften und einstweilen dem Gewahrsam des Amlsgerichtsarresthauses zu Neusulza übergeben. Die Lbduction der Leiche sand am Montag statt. Gin weiblicher Vampyr. Roman von Th. Senk erlich. (Fortsetzung.) Es war am nächsten Tage. Ein Diener trat rin nnd überreichte Frau Hellmann eine Karte. „Professor Waldow," las sie. Die junge Frau zuckte freudig zusammen. „Endlich," flüsterte sie leuchtenden Blickes, indem sie sich rasch erhob und dem Diener bemerkte, daß der Herr Professor will kommen sei. Nasch musterte sie ihre Toilette, die stets, wie auch heute, vortheilhast gewählt war und aus einem vor« schwarzer und veilchenblauer, schwerer Seide sehr geschmackvoll zusammengesetzten Gewände bestand, das mit ihrem zarten, rosigen Teint und der Fülle des blonden Haares prächtig harmonirte. Manschetten und Kragen waren ans den feinsten, seidenen Spitzen gefertigt. Ihr Kopf, mit den schweren, goldblonden Flechten, erinnerte in seinen fast klassischen Formen an das Hanpt einer Juno. Die ganze Erscheinung sah zwar einfach, doch gleichzeitig elegant und geschmackvoll aus. Kaum war sie mit ihrer flüchtigen Musterung fertig, so öffnete sich die Thür. Frau Hellmann verbeugte sich mit einiger Befangen heit vor dem Eintretenden; ihre begrüßenden Worte wurden nicht von der gewöhnlichen Sicherheit gesprochen. Man nahm Platz; der Austausch herkömmlicher Redensarten fand Statt. Waldow ant wortete fast nur mechanisch. Mit offenbarer Bewunderung ruhte sein Blick auf der schönen, etwas im Schatten sitzenden Frau, die mit Berechnung diesen Platz gewählt hatte, wohl wissend, daß Helles, grelles Tageslicht für Blondinen nicht günstig sei. Geschah dock- Alles, was Frau Hellmann that, selbst die geringste Bewegung, mit schlauer Berechnung! Waldow hatte schon längere Zeit verweilt und wollte sich em- pschlen, als Hellmann in's Zimmer trat und nichts davon hören