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100, 3 Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 5275 des Börsenvereins Herr Albert Brockhaus, — das neue Vorstandsmitglied Herr Artur Seemann, — Herr Direktor Or. Curt Frenzel — und andere dem Börsenverein nahe stehende Herren. Die ganze Länge und Breite des mächtigen Saales über spannte in Höhe der Emporen in gewohnter Weise, wie bei jeder Versammlung in diesem Saale, die nicht gerade ein Konzert oder ein Tanzvergnügen ist, der unvermeidliche, hier schon mehrfach erwähnte Baldachin von dünnem Stoff, der zwar einen etwas beengenden Eindruck macht, sich aber für Redner und Hörer als zweckmäßig erweist. Das Mahl nahm, von stimmungsvoller Musik begleitet, mit längeren Pausen den gewohnten Gang aller größeren Festmahle, mit schnell gesteigerter allgemeiner Stimmung und frohem Geplauder, häufiger Unterbrechung durch Reden und Hochs, auch durch manchen fröhlichen Cantus, gegen Schluß mit häufigem Verlassen der Plätze und dem üblichen Wandel hierhin und dorthin zur Begrüßung eines Bekannten. Im nachfolgenden sei der Wortlaut der Reden und Trinksprüche mitgeteilt, die alle mit lebhaftem Beifall begrüßt wurden und deren Hochs den freudigsten Widerhall fanden. Herr Emil Behrend (Wiesbaden), II. Schriftführer des Börsenvereins: Meine hochverehrten Herren! Es war im Jahre 1885, vor nunmehr 25 Jahren, als unser unvergeßlicher Bismarck im Reichstag gelegentlich einer sehr erregten Debatte über die Ausgaben für unser Heer das bekannte Wort prägte: Meine Herren, unseren Leutnant kann uns doch keiner nachmachen; jetzt nach 25 Jahren könnten wir noch hinzufügen: Auch unseren deutschen Seeoffizier kann uns niemand nachmachen. In Er« innerung an dieses stolze Wort Bismarcks sei es mir heute nach einem Vierteljahrhundert von dieser Stelle aus gestattet Ihnen zuzurufen: Unfern deutschen Buchhandel mit seiner starken Organisation, mit dem kameradschaftlichen Geist seiner Mitglieder, den kann uns auch niemand nachmachen. (Sehr richtig!) Wohl können wir stolz sein auf unseren Beruf; aber, meine hochverehrten Herren, wie bei uns in der Armee und in der Flotte ohne Rast und Ruh weiter gearbeitet wird an ihrer Vervollkommnung und ihrer Schlagfertigkeit, so sollen auch wir Buchhändler weiter arbeiten an dem Ausbau unseres Börsen vereins zur Wohlfahrt unseres Volkes, zum eigenen Nutzen und zur Erhaltung des buchhändlerischen Friedens. Dazu bedürfen wir aber auch des nationalen Friedens, und deshalb, meine hochverehrten Herren, wollen wir zuerst, wie wir es ja stets gewöhnt sind, unseres geliebten Kaisers gedenken, der uns nun schon Jahrzehnte den nationalen Frieden erhalten hat. Wir Buchhändler können ja wohl in beruflichen Fragen, wie es die letzten Tage wieder bewiesen haben, verschiedener Meinung sein, aber, meine hochverehrten Herren, in der Liebe zu Kaiser und Reich wissen wir uns eins, auch mit unseren österreichischen und schweizerischen Kollegen. Wir befinden uns in diesen Tagen einmal wieder in der zweiten Heimat eines jeden deutschen Buchhändlers, dem herrlichen Sachsenland Mit Ehrfurcht und Liebe gedenken wir da auch des trefflichen Förderers und treuen Freundes unseres Berufs, des Königs Friedrich August von Sachsen, und deshalb, meine hochverehrten Herren, bitte ich Sie, mit mir einzustimmen in den Ruf: Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. und Seine Majestät König Friedrich August von Sachsen, sie leben hoch! Herr Hermann Seippel (Hamburg), II. Schatzmeister des Börsenoereins: Hochgeehrte Festversammlung, verehrte liebe Kollegen! Wiederum ist Kantate erschienen, und von Nord und Süd, von Ost und West sind wir deutsche Buchhändler eingezogen in Leipzigs Mauern. Mehr oder minder stürmische Verhandlungen liegen in diesem Augenblick glücklich beseitigt hinter uns, und es entspricht einer guten alten Tradition, daß wir zu Kantate mit frohsinnigen, heiteren Gefühlen uns hier zusammenfinden und uns unseres Daseins freuen. Hochverehrte Herren, es ist mir dabei ins Bewußsein getreten, daß eigentlich gegen frühere Jahre ein großer Unterschied zu verzeichnen ist, indem näm lich früher nicht nur dieser eine Raum die Gäste zu Kantate beherbergte, sondern auch in dem Nebenraum, an sogenannten Katzentischchen sich Gäste eingefunden hatten, die vielfach als ungebetene Gäste bezeichnet wurden. Ich möchte mir dieses Prädikat nicht aneignen, sondern ich weiß wohl, daß früher, wie ein größerer Kreis von Teilnehmern an der Kantatemahlzeit hier tagte, gar mancher liebe Freund des Buchhandels zugegen war, wenngleich er eben nicht Buchhändler war; aber es war doch ein bißchen des Guten vielleicht zu viel, und nachher hat Herr Albert Brockhaus — es war wohl eine seiner ersten Regierungstaten — auch für die Kantatemahlzeit eine große Änderung geschaffen: er hat sozusagen mit einem Schwerthieb eine neue Zeit heraufgestellt gegenüber der Vergangenheit, in dem er es aussprach: Die Kantate-Festmahlzeit gehört den Mitgliedern des Börsenvereins. Und in diesem Sinne ist wohl in uns allen, meine hochverehrten Herren, das Gefühl lebendig geworden, mehr als es früher möglich war: Wir sind ganz unter uns. Aber weder Herr Albert Brockhaus, noch sonst irgend ein Mitglied des Börsenvereins wird je daran gedacht haben, daß dieses Bewußtsein, dieses Wort: Wir sind ganz unter uns, buchstäblich zu nehmen wäre. Im Gegenteile, wir haben uns immer in hohem Maße gefreut, Ehrengäste in unserer Mitte begrüßen zu können, und meine verehrten Herren Kollegen, wir wissen ja alle, daß diese anwesenden Herren Ehrengäste in näherer oder nächster Beziehung auch zu unserem buchhänd lerischen Beruf stehen. Wir haben nun heute wieder die Freude und die Ehre, unter uns zu sehen als Vertreter der hohen Staatsregierung Herrn Kreishauptmann Exzellenz von Welck, als Vertreter der Armee den kommandierenden General Exzellenz von Kirchbach, als Vertreter der Stadt Leipzig Herrn Ober bürgermeister vr. Dittrich und sodann die Herren Vertreter ist hier vertreten. Meine hochverehrten Herren, Sie wissen alle, daß man mit der Polizei für gewöhnlich gar nicht gern etwas zu tun hat; aber die Kantateversammlung macht davon eine löbliche Ausnahme. Auch wir freuen uns alle dieser hoch verehrten Herren, und wenn ich noch ein spezielles Wort sagen darf an die verehrten Herren aus Leipzig, so hieße es eigentlich wohl Eulen nach Athen tragen, aber ich kann mich berufen auf diesen Raum, auf die Steine, die hier aufeinandergelegt sind, auf unser deutsches Buchhändlerhaus, welches wir ja eigentlich dem Rat der Stadt Leipzig verdanken. Mögen auch die Schall verhältnisse dieses Saales hinter den Wünschen zurückgeblieben sein, nun, vielleicht verneigen sich einmal die Steine und machen nicht, wie es jetzt geplant ist, einem teilweisen Neubau Platz, sondern einem gänzlichen Neubau, so daß wir dann auf veränderte und bessere Schallverhältnisse werden rechnen können. Ich habe noch vergessen, meine hochverehrten Herren, zu er wähnen, daß, als ein sehr lieber Festgast, ein alter Freund des Buchhandels, Herr Geheimrat Kalähne, die Reise von München nach Leipzig nicht gescheut hat, wir sind auch ihm zu außer- ordentlichem Danke verpflichtet, wir freuen uns seiner Gegenwart. Meine Herren! Wenn nach den wenigen Worten, die ich sagen konnte über die Bedeutung unserer hochverehrten Ehrengäste, darüber also gar kein Zweifel bestehen kann, wie hoch ihre Bedeutung für uns ist, fo müssen wir uns vielleicht einmal umgekehrt die Frage vorlegen: welche Bedeutung haben wir denn, welche Bedeutung hat das Festmahl zu Kantate für unsere hochverehrten Ehrengäste? Da gestatten Sie mir, mit zuteilen, was mir, als ich zum erstenmal die Ehre hatte, an jener Festtafel dort mit zu sitzen, gesagt wurde von einem hochverehrten Ehrengast, der leider diesmal verhindert ist, zu erscheinen. Er hat mir damals gesagt: Mein fünfundzwanzig jähriges Jubiläum als Ehrengast zu Kantate in dem Kreise des Börsenvereins habe ich bereits seit einigen Jahren hinter mir. Nun, meine Herren, heute habe ich schon aus dem Munde eines hochverehrten Nachbars gehört: Wir folgen der Einladung des Börsenvereins zu Kantate immer sehr gern. Ich glaube, es ist wohl nicht als Anmaßung zu erachten, wenn ich e« ausspreche, daß wir Buchhändler in unserer Ge- 680*