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^ 100, 3. Mai 1910 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Drschn. Buchhandel. 5281 Kleine Mitteilungen. Bekämpfung der Schundliteratur. — Aus Riesa wird den Leipziger Neuesten Nachrichten gemeldet: Auf Veranlassung einer bezüglichen Verordnung des Ministeriums des Innern soll auch in unserer Stadt die Schmutz- und Schundliteratur energisch bekämpft werden. Nach Einholung von Auskünften über die in anderen Städten getroffenen zweckmäßigen Maßnahmen hat Bürgermeister vr. Scheider Vorschläge zur Bekämpfung gemacht, die den Beifall des Schulausschusses sowohl, wie der städtischen Kollegien gefunden haben. Die Inhaber von Geschäften, in denen Schriften, die auf die kindliche Phantasie schädlich einwirken, ausgestellt sind, sollen um deren Entfernung ersucht werden. Die Schutzmannschaft wird ange wiesen, die Auslagen der Schaufenster zu beachten. Die Schul kinder sollen von Geschäften, in denen Schundliteratur ver trieben wird, ferngehalten werden. Schuldirektoren und Lehrer sollen veranlaßt werden, ein wachsames Auge auf die Lektüre der Schüler zu haben. Für Erweiterung der Schulbibliotheken sollen größere Mittel in den Haushalt plan eingestellt werden, das Lesegeld in den Schülerbibliotheken soll fortfallen. Endlich soll beim Bezirksausschuß die Bildung eines Jugendschriftenausschusses angestrebt und alljährlich vor Weihnachten in den Schulräumen eine Ausstellung von Jugend- schriften veranstaltet werden, in der die Eltern durch Lehrer auf die dem Alter ihrer Kinder entsprechenden Schriften aufmerksam gemacht werden. Für dieses Jahr wurden von den städtischen Kollegien 500 für Schulbibliothekzwecke einstimmig bewilligt. Verurteilung wegen Verkaufs von Schmutzliteratur. — Die Polizei in München beschlagnahmte im Laden des Buch händlers Karl Teschlag eine Anzahl von Druckschriften, von denen ein Teil durch rechtskräftige Gerichtsurteile als unzüchtig bereits eingezogen war. Text und Illustrationen der beschlagnahmten Bücher und Hefte wurden als unzüchtig beanstandet und gegen Teschlag Anklage erhoben. In der Schwurgerichtsverhandlung gab Teschlag an, von der gerichtlichen Einziehung einzelner Schriften nichts gewußt und den Inhalt der beanstandeten Werke nicht gekannt zu haben. Nach Bejahung der Schuldfragen durch die Geschworenen wurde Teschlag wegen Vergehens wider die Sittlichkeit, verübt durch die Presse, zur Geldstrafe von 150^/6, event. 15 Tagen Gefängnis verurteilt. (»Zeitungsverlag.«) * Rundschreiben des Vereins Deutscher Zeitungs verleger gegen die Schmutz- und Lchwindclanzeigen. (Vgl. Nr. 98 d. Bl.) — Das in Nr. 98 d. Bl. erwähnte seine Mitglieder vor Aufnahme von Schmutz- und Schwindel anzeigen warnt, hat folgenden Wortlaut: An unsre Mitglieder! In bedauerlicher Weise mehren sich seit einiger Zeit wieder in einem Teil der deutschen Presse die Anzeigen von mehr als zweifelhaftem Charakter. Durch diese Anzeigen werden weite, unerfahrene Kreise unsers Volkes teils materiell, teils moralisch, teils gesundheitlich schwer geschädigt, und der Unterzeichnete Verein hält es deshalb für seine Pflicht, seinen Mitgliedern in dieser Beziehung größte Sorgfalt zu empfehlen, damit die Ver öffentlichung anstößiger Anzeigen in den Zeitungen, deren Besitzer unserm Verein angehören, möglichst ganz beseitigt werde. Freilich ist es in vielen Fällen für den Zeitungsverleger schwer, ja oft unmöglich, die Grenze genau zu erkennen, wo bei den Anzeigen das reelle Angebot aufhört und das schwindelhafte beginnt, und es kann schließlich nicht als Aufgabe der Zeitungsverleger angesehen werden, dem Publikum die Prüfung abzunehmen, ob ein Angebot als reell anzusehen ist oder nicht; aber es sollte doch jeder Zeitungsverleger, dem sein Ansehen und sein guter Ruf sowie der der deutschen Presse am Herzen liegt, als seine Pflicht betrachten, sämtliche Anzeigen, die als unreell oder unsittlich ohne weiteres erkennbar sind, von der Veröffent lichung in seinem Blatte auszuschließen. Das finanzielle Opfer, das die Zeitungsverleger durch die Ab lehnung derartiger Anzeigen bringen, ist — was nicht verschwiegen werden darf — sehr groß, aber diese Forderung muß im Inter- Börsenblatt sür den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. esse des Ansehens unseres Standes und Gewerbes unbedingt ge stellt werden, und wir hoffen, keine Fehlbitte zu tun, wenn wir uns heute an alle Mitglieder unseres Vereins mit der Bitte wenden, alle zweifellos unreellen und unsittlichen Anzeigen aus den Spalten ihrer Blätter zu verbannen. Es würde zu weit führen, wenn wir alle in Betracht kommenden Anzeigen, nach ihrem Inhalte gekennzeichnet, an dieser Stelle anführen wollten. Das Gebiet der anstößigen Inserate ist so groß und so wenig fest umgrenzt, daß es unmög lich ist, genau anzugeben, welche Anzeigen abgelehnt werden müssen und welche nicht. Wir überlassen es deshalb der gewissen haften Prüfung der einzelnen Verleger, nach Möglichkeit das Gute von dem Schlechten zu scheiden. Auf eine Art der an stößigen Anzeigen möchten wir aber doch ganz besonders auf merksam machen, nämlich auf die sogenannten Blutstockungs anzeigen. Durch diese Ankündigungen ist schon unendlich viel Unglück über Hunderte von Familien gebracht worden, und darum sollte jeder Zeitungsverleger ernstlich bemüht sein, diese Anzeigen aus seinem Blatte zu entfernen, durch deren Aufnahme sich übrigens der verantwortliche Redakteur der Gefahr aussetzt, gerichtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Vor allem sei darauf hingewiesen, daß eine Zeitung, die in umfangreicher Weise anstößige Anzeigen veröffentlicht, sich in erster Linie selbst schädigt, denn die Bezieher, die durch die Inserenten einer Zeitung finanziell oder gesundheitlich benach teiligt werden, wenden sich naturgemäß anderen Blättern zu, da sie die Schuld an der Schädigung ihrer Zeitung geben. Die Presse sollte sich ihrer großen Verantwortung bewußt sein, die ein Korrelat ihres Einflusses ist. Eine ernsthafte Zeitung wird wissen, daß sie dieser Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn sie sich von dem Schmutz im Inseratenteil befreit. Der Verein Deutscher Zeitungsverleger hält es für eine Ehrenpflicht seiner Mitglieder, daß diese in richtiger Erkenntnis der Schäden und Nachteile, die sowohl den Abonnenten wie auch der Presse aus der Aufnahme von Inseraten zweifelhaften Charakters er wachsen, den nicht zum Verein Deutscher Zeitungs-Verleger ge hörenden Blättern vorangehen durch den gleichzeitigen strengen Ausschluß aller anstößigen Inserate. Verein Deutscher Zeitungsverleger. Der Vorstand. (gez.) (gez.) vr. Max Jänecke, Vorsitzender, Rob. Bachem, stell vertretender Vorsitzender. Th. Curti. vr. A. Gerstenberg. A. Helfreich. Otto Kloß. vr. A. Knittel. vr. Krumbhaar. Geh. Hofrat vr. Reichardt. Rechtsanwalt Hans Ullstein- vr. Wolf. A. Wyneken. * Neuigkeiten-Anzeigen (Verleger-Zirkulare) in Post kartenform. (Vgl. 1909 Nr. 226, 264, 268, 302; 1910 Nr. 8, 23, 28, 65, 73, 78, 81, 83, 96 d. Bl.) — Der im deutschen Buchhandel angestrebten allgemeinen Einführung der Postkartenform für Ver legerzirkulare mit Ankündigungen von Neuigkeiten an das Sortiment hat sich im niederländischen Buchhandel die Firma Martinus Nijhoff im Haag angeschlossen. Deren erstes Heftchen dieser Art liegt uns vor. Es hat folgenden Titel: k'ebraari Naarkt, 1910. Quer 12°. 48 einseitig bedruckte Blätter. Anomalie im schwedischen Urheberrecht. — Eine Prüfung der Schutzfristen, die die Länder der Berner Konvention den Werken der Literatur, Kunst und Photographie gewähren, ergibt, daß für die Photographie meist eine abgekürzte Schutzfrist von 5-10 Jahren eintritt, während der Schutz der Kunstwerke durch weg dem der Schriftwerke gleichgestellt ist. Eine merkwürdige Ausnahme, und zwar die einzige in der Konvention existierende bildet Schweden, das in seinem Gesetz vom 28. Mai 1897 den Schutz der Kunstwerke auf zehn Jahre nach dem Tode des Künstlers beschränkt, während das schwedische Schriftwerkegesetz vom 10. August 1877 den literarischen Werken einen Schutz von fünfzig Jahren nach dem Tode des Autors gewährt. Wie Schweden als einziges Land dazu gekommen ist, dem Kunstwerk einen so erheblich verkürzten Schutz zu gewähren, ist unerfindlich, um so mehr als auch seine nordischen Nachbarländer in ihren Ge setzen (s. das norwegische Gesetz vom 4. Juli 1893 und das dänische Gesetz vom 19. Januar 1902) eine derartige Differen zierung zwischen Schriftwerk und Kunstwerk nicht kennen. 682