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^ 100, 3. Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 5279 den Hand oder — Hose den Betrag von gegen 1800 ^ ge bracht haben, so dürfen wir ein diesmaliges Gesamtergebnis seines die Wohltätigkeit anregenden Wirkens von etwa 3600 ^ verzeichnen. Gewiß ein schöner Erfolg des Wirkens eines Einzelnen innerhalb weniger Tage, ein ehrendes Zeug nis seiner Unermüdlichkeit, Findigkeit und allseitigen Beliebtheit, nicht minder aber auch der Opferfreudigkeit der um ihn versammelten Kollegen. Zwei Drittel dieser Summe empfängt der Unterstützungsverein Deutscher Buch händler und Buchhandlungsgehülsen in Berlin, teils zur freien Verwendung, teils zur Festlegung in der Otto Petters-Stiftung, die jetzt auf ungefähr 1L000 ^ angewachsen ist. Das weitere Drittel geht an den Allgemeinen Deutschen Buch- handlungsgehilfen-Verband in Leipzig zur Stärkung seiner Hilfskassen. — Drei gemeinsam gesungene Kantatelieder erhöhten in wirksamster Weise die allgemeine frohe Stimmung. Zwei davon lagen in opulenter Druckausstattung vor, das dritte war das bekannte bescheidene feuchtfröhliche Heftchen, das alle Jahre erscheint und immer den Vogel abschießt. — Das erste, ein »als eingeschobener Gang serviertes Kantate-Ragout», hatte Max Holzweg zum Dichter; doch würde sich der tat sächlich »auf dem Holzwege» befinden, der etwa einen als Kantatedichter rühmlich bekannten Leipziger Kollegen aus diesem Namen herauslesen wollte. Es hielt nach der schönen Melodie »Phyllis und die Mutier» amüsante Umschau über aktuelle buchhändlerische Ereignisse und würzte in knappster Form jede Betrachtung mit treffender Schlußbemerkung. — Die Melodie »Weinwalzcr« hatte sich M. Georg, ein unschwer zu erratender Pseudonymus, für sein schön illustriertes »Lied vom großen Kometen« gewählt. An die prophezeite und demnächst sicher zu erwartende Vernichtung des Erdballs durch das ge schweifte Ungetüm Halleyscher Provenienz knüpft es trübe Betrachtungen darüber an, was nun der Bau so manchen grandiosen Leipziger Buchhändlerpalastes seinem Erbauer genutzt haben werde, was der Erwerb von Titeln und Ehren für manchen anderen, was einem erfinderisch be gabten Berliner Verleger seine Einschienenbahn und was dergleichen mehr, lauter verzweifelt hoffnungslos anzuhörende Dinge. Aber gut sei's, daß nun doch auch mit der Schund literatur, mit dem fatalen »Blechen» und manchem anderen Übel radikaler Kehraus gemacht werde. Also doch noch ein Hoffnungsschimmer! Mit glücklichster dichterischer Klang nachahmung brachte der Refrain die Naturlaute des Gepolters beim Zusammenstoß der Weltkörper zur Wirkung. — Jedes Berschen ein anderer Rhythmus, eine andere Melodie, war auch diesmal wieder die äußerliche Richtschnur unseres ebenso allgemein bekannten wie beliebten Kantatedichters O. H., der mit dem 16. Heftchen seines »Feuchtfröhlichen Liederkranzes für meßvergnügte Buchhändler- erschienen war und sich schon längst nicht mehr hinter den Anfangsbuchstaben seines Namens verstecken kann. Die gewohnte innere Richtung gab seine bekannte glückliche Begabung, allen Dingen ihren Humor abzugewinnen und sie mit unbefangenem treffenden Witz in sangbare Verse zu zwingen. Daß er und auch die anderen Dichter verdienten Beifall fanden und die glückliche Lösung ihrer Aufgabe mit manchem schallenden Lachen belohnt sahen, bedarf wohl keiner Versicherung. Es steckt mehr Geist und dichterische Gewandtheit in diesen Versen, als eine unscheinbare Gelegenheitsdichtung vermuten läßt. Auch an anderen Drucksachen, mit denen die Fest genossen beschenkt wurden, war kein Mangel. Es bedurfte wirklich der großen soliden Papiertasche, die vorsorglich unter jeden Teller gelegt war, den Überfluß heim zutragen, eine förmliche kleine Bibliothek. Wir haben alle diese freundlichen Gaben, an denen sich viele Firmen freigebig und dankenswert beteiligt haben, in Nr. SS d. Bl. vom 27. April (Seite 5023) bibliographisch verzeichnet und dürfen hier daraus Hinweisen. Teils schöne, unmittelbar dem Zwecke dienende Drucke, die man gern als Erinnerung bewahrt, teils gleichfalls schöne, aber auch für weiteren praktischen Gebrauch vorzüglich verwendbare Sachen, wie die verschiedenen Kalender-Taschenbücher. Den meisten Beifall scheint die wohlgesüllte Zigarrentasche gefunden zu haben, die zum Kaffee gereicht wurde und deren vortrefflicher Inhalt bald überall in duftenden Wölkchen emporwirbelte. Manchem — wir dürfen wohl sagen: vielen der liebste Gang des Menüs. Eine besondere Kaffeetafel im Nebensaale schloß sich an die Tafel im Festsaale an. Letzterer sah in späterer Stunde zwar gelichtete Reihen, immerhin aber noch viele Seßhafte und Wandelnde in lebhafter Unterhaltung. Erst gegen 11 Uhr leerten sich die Säle. Der Montagabend. Der Montagabend fand die »meßvergnügten» Buch händler mit ihren Damen an altgewohnter Stätte vereinigt, in der prächtigen Halle des Krystallpalastes, des alten Schützenbauses, das schon so manches frohe Buchhändlerfest unserer Vorfahren gesehen hat und auch seither zumeist der Schauplatz unserer Feste gewesen ist. Wohl an 2000 Personen mochten zugegen sein. Der Festausschuß hatte sie zu einem »Kunterbunten Unterhaltungsabend» geladen, ver ständnisvoll dem Bedürfnis Rechnung tragend, das nach den vielseitigen Anstrengungen der Meßtage vergnügliches, ab wechslungsreiches Schauen verlangt. Diesem Wunsche kam das Programm in reichstem Maße entgegen, und seine lustige Ausführung befriedigte allgemein. Neben einem eigens für den Abend verfaßten Festspiel intensiv buchhändlerischen Gepräges, voll innig schadenfroher Laune und Anzüglichkeit, das mit Wonne genossen wurde, gab es eine ungemein reich bestellte Tafel der Vergnüglich- keiten, dazu eine anspruchsvoll gedruckte Speisenkarle, der der Schalk im Nacken saß. Denn deren buchhändlerisch wohl- zubereitete Genüsse erwiesen sich beim Schauen und Hören ohne weiteres alS fröhliche »VariM» -Nummern, ganz so, wie man sie mit Behagen über sich ergehen läßt, wenn man, ermüdet von viertägigen Debatten, Gelagen, Festmahlen, und — last not leatt — Geschäften, mit diesen etwas über menschlichen Anstrengungen Schluß zu machen gedenkt. Man denke nicht an einen Tingel-Tangel gewöhnlichen Schlages! Aus dem zur Messe immer mit besonderem Ge schick zusammengestellten Varielö-Programm hakte der um sichtig prüfende Festausschuß vom Guten das Beste gewählt. Also eine Gala-Vorstellung, eine reiche Folge des Exquisiten, Raffi nierten, alles in glücklicher Steigerung. Und alle Hochachtung vor dem Witz der diese durchweg sehr unbuchhändlcrischeMatcrie ins Buchhändlerische übersetzt, für den Buchhändler schmackhaft zu machen, seine fachmännische Neugier rege zu machen gewußt hat! Der munteren persönlichen Anspielungen gab es die Fülle, mancher brave Kollege mußte dazu stillhalten, sie lachend genehmigen. Auf Einzelnes dürfen wir hier nicht eingehen; am meisten gefallen hat wohl die »Turnstunde in der Buchhändler-Lehranstalt», drei brave Musterschüler mit wunderbaren Exerzitien auf »Globussen», die eine wohlbekannte Firma »freundlichst zur Verfügung gestellt« hatte, und der »schleudernde Verleger», ein tadellos eleganter Herr, Jongleur von ungewöhnlichem Reichtum seiner Künste und phänomenaler Sicherheit. Auch die Programm-Nummer -Aus der sauren Gurkenzeit: Wie der Prokurist Paetzold und sein Markthelfer Emil während der Badereise des Chefs den Achtstundentag unterbringen» brachte Ungewöhnliches an Kraft, Gewandtheit und Komik der Parterre-Gymnastik. K8t-