Volltext Seite (XML)
Die Amtshauptmannschaft zu Auerbach hat für den ganzen Amtshauptmannschaftsbezirk eine Polizeistunde auf Nachts 12 Uhr festgesetzt; dagegen bleibt den Ortsbehörden die Einführung einer früheren Polizeistunde Vorbehalten. Auf öffentliche Tänze findet die Polizeistunde dergestalt Anwendung, daß nach Verfluß einer weiteren halben Stunde tue Besucher nicht nur das Tanzlokal, sondern auch das Schänkhaus überhaupt zu verlassen haben. Die Amtshaupt mannschaft empfiehlt zugleich Fabrikbesitzern und Arbeitgebern dringend, mit Rücksicht auf das moralische und wirthschaftliche Interesse ihrer Arbeiter, zum Lohntage an Stelle des Sonnabend womöglich den Freitag zu bestimmen. Hammcrunterwiesenthal, 14. Februar. Am 11. d. M. Vor mittags hat der 50 Jahr alte Handarbeiter und Miethsbewohner Ignaz Höll, geb. in Stolzenhahn in Böhmen und seit 4 Jahren wohnhaft in Oberwiesenthal, seine 18jährige Tochter Theresie mit einem Beile zu tödten versucht. Derselbe hat mehrere Schläge nach dem Kopfe zu ausgeführt. Die Tochter Höll's ist taub und blind, die Sprachorgane find fehlerhaft. Dieser an und für sich schon be- klagenswerthe Zustand des Mädchens mag die Ursache zu dieser un menschlichen That gewesen sein. Holl hat zur Zeit der That mit seiner Tochter allein sich in der Wohnung befunden, die Mutter mar abwesend gewesen. Die Verletzte ist am 15. Febr. Vormittags gestorben. Döbeln. Im 10. Reichstagswahlkreise, welcher die Städte und ländlichen Ortschaften, insoweit dieselben vor der neuen Behörden organisation den Gerichtsamtsbezirken Döbeln, Leisnig, Geringswalde, Hartha, Nossen und Waldheim angehört haben, umfaßt, wird, wie zuverlässig mitgetheilt wird, von dein daselbst zusammengetretenen konservativen Wahlkomitee der Rittergutsbesitzer von König auf Noschkowitz, Geheimer Rath a. D., als Kandidat für den Reichstag aufgestellt werden. Die Socialdemokraten sollen beabsichtigen, den Holzschneider Burkhard aufzustellen. Riesa. Den ain 13. d. Vorm. 9 Uhr 30 Min. von Dresden über Röderau nach Berlin gehenden Schnellzuge drohte in der Nähe von Zeithain ein Unfall, der leicht zu schlimmen Folgen führen konnte. Auf einen Niveauübergange waren nämlich durch Schuld des Geschirr führers die Hinterräder eines mit Ziegeln beladenen Wagens in den Bahngraben gekommen, in Folge dessen der Schnellzug mit voller Vehemenz auf das Geschirr fuhr und letzteres zertrümmerte. Glück licherweise entgleiste die Zugsmaschine nicht, sondern erlitt nur einige unbedeutende Beschädigungen. Vom Fahrpersonal und von den Passagieren wurde Niemand verletzt. Aus Lindenau berichtet das dortige Wochenblatt: In dem Hofe eines Grundstückes an der Marienstraße stürzte dieser Tage der Fußboden im Waschhause sammt zwei darinnen beschäftigten Frauen, dem Waschkessel, Waschfaß mit Wäsche und der Feuerung in den darunter befindlichen Raum. Glücklicherweise sind die Frauen bei der plötzlichen Versenkung mit dem Schreck davon gekommen. Die Gefahr, die durch lüderliche und leichtsinnige Bauten sich immer fühlbarer macht, sollte doch endlich zu einer Veränderung des Ge werbegesetzes, das Bauwesen betreffend, führen. Ulera oder Auf dunklen Wegen. Roman von Ed. Wagner. (Fortsetzung.) Mehrere Minuten, nachdem der Kammerdiener sich entfernte, saß Nir. Dalton gebeugten Hauptes da. Er war kaum im Stande, die Wahrheit des eben Gehörten zu fassen, daß sein ehemaliger Zög ling noch lebte und in seiner Nähe war. Mit seiner neuen Ueber- zeugung von Lord Stratford's Unschuld an dem Verbrechen, dessen er schuldig befunden worden, glaubte er gerecht zu handeln, wenn er dem unglücklichen Manne zur Flucht aus England behülflich sei. Aber wie konnte er das bewerkstelligen? „Die Männer sollen auf das Schloß gehen," dachte er, „aber ich gehe mit ihnen. Vielleicht finde ick> Gelegenheit, ihn zu warnen. Ich bin ganz verwirrt und weiß kauni, was ich lhun soll. Nur Eins ist mir klar: ich muß Befehl geben zur Verhaftung Lord Stratford Heron's!" Mit schwerem Herzen setzte er sich an seine Arbeit. Inzwischen kehrte Pierre Renard in's Schloß zurück. Zu dieser Zeit, dachte er, mußte Alexas Leichnam gefunden und ein Leichenbe schauer gerufen worden sein. Als er die Stufen zur oberen Terrasse erstieg, begegnete er Jacob Gregg, dem Müller, welcher aus der Vedieutenstube mit höchst verdrießlichem Gesicht kam, daß sich jedoch aufheiterte, als er Renard erblickte. Er grüßte ihn vertraulich. „Ich hörte, man hätte sie im Dorfe gesehen, Mr. Renard," sagte er, „und ich dachte, Mylord sei auch zurück, obwohl die Flagge nicht aufgezogen war. Wo der Diener ist, erwartet man auch den Herrn. Wie lange wird Mylord in der Stadt bleiben?" „So lange Lady Wolga bleibt," erwiderte Pierre. „Ich möchte ihn sehr gern sprechen," sagte der Müller und zwar in gar wichtigen Geschäften. Wenn Sie mir seine Adresse geben wollen, Mr. Renard, sollte es mir angenehm sein, ich möchte einige Zeilen an ihn schreiben." „Ihre Geschäfte müssen warten. Mylord kann schon morgen kommen. Was giebt es denn, Gregg?" „Ich will für meine Mühle eine Verschreibung auf neunund neunzig Jahre haben," entgegnete der Müller. Renard pfiff leise vor sich hin. „Die werden Sie nicht bekommen, meine ich," sprach er. „Mylord wird Ihnen die freie Pacht nicht verlängern, glauben Sie mir das." „Dann werde ich ihn anklagen!" versetzte der Müller heftig, und ein düsteres Feuer flammte plötzlich in seinen Augen auf. „Auch war eine junge Dame in meinem Hause," fuhr er fort, „die unser Geheimniß ahnt und mich ermahnte, die Wahrheit zu sagen. Sie heißt Miß Strange und rettete meinen Knaben —" Der Kammerdiener erschrak. Aber dann flog ein spöttisches Lächeln über sein Antlitz. „Sagen Sie es doch der Miß Strange," höhnte er. „Erst will ich mit Mylord sprechen," entgegnete der Müller, immer gereizter werdend. „Schreiben Sie ihm sogleich, was ich verlange, und sagen Sie ihm, daß ich ihn anklage, wenn er es mir verweigert! Ja, Sir, ich klage, und wenn ich selbst dafür nach Port land muß. Schreiben Sie Mylord das Alles, Mr. Renard, damit er sieht, daß es mein voller Ernst ist. Sie tragen Diamanten und ich verlange freie Pacht auf neunundneunzig Jahre, oder ich will sehen, was sich umsonst verdienen läßt." Der Müller warf dem Diener einen trotzigen Blick zu und ging weiter. Pierre Renard setzte gedankenvoll seinen Weg nach dem Schlosse fort. „So hat Miß Strange den Müller aufgestachelt!" murmelte er. „Ich habe dieses Mädchen gerade zur rechten Zeit aus dem Wege geräumt." Im Schlosse herschte keinerlei Aufregung, woraus er schloß, das Alexa's vermeintliches Schicksal noch nicht bekannt geworden war. Als er an Alexa's Zimmer vorbeiging, konnte er der Versuch ung nicht widerstehen, zu sehen, ob die Thür verschlossen war. Er drehte den Drücker, welcher nachgab, und öffnete behutsam die Thür. Das Zimmer war leer, und er warf einen forschenden Blick hinein. Die große Ordnung und Behaglichkeit, die wohlthnende Wärme und luxuriöse Ausstattung machten einen eigenthümlichen Eindruck auf ihn. „Das Stubenmädchen ist hier gewesen und hat aufgeräumt," dachte er. „Aber wie kommt es, daß sie Miß Strange nicht vermißt und nicht Lärm geschlagen hat?" In diesem Augenblick drang Gesang aus Mrs. Jngestre's Zimmer an sein Ohr. Er hatte die klare, liebliche Stimme schon oft ge hört: es war die Alexa's. Sie war zu der alten Dame gegangen, welche sie leidend wie immer gefunden hatte. Mrs. Jngestre hatte sie gebeten, ihr ein Lied vorzusingen, und Alexa war dieser Aufforderung nachgekommen, ihrer eigenen Ermüdung und ihrer eigenen Schmerzen nicht achtend. Renard horchte in einer Art Erstarrung; er war wie an den Boden gewurzelt. „Das muß eine Täuschung sein," murmelte er, als er sich von seinem Schreck erholt hatte und der Gesang verstummte. „Mrs Jn gestre hatte Besuch. Es ist nicht Alexas Stimme, denn das Mädchen ist todt!" Er machte die Thür wieder zu, hielt aber noch den Drücker in der Hand und wartete in der Voraussetzung, daß der Gesang wieder beginnen würde, als Lord Montheron's Zimmerthüc geöffnet wurde und John Wilson Herauskani, einen leeren Kohlenkasten inper^Hand. Renard starrte ihn mit wilden Blicken an. „Suchen Sie Miß Strange, Sir?" fragte der Heizer unbe fangen. „Wenn dies der Fall ist, werden Sie sie in Mrs. Jngestre's Zimmer finden. Ich sah sie vor einer Stunde dahin gehen. Renard war keines Worts mächtig; aber er starrte Wilson an, als wolle er ihn mit seinen Blicken zu Boden schmettern; dann drehte er sich rasch um und ging in sein eigenes Gemach. Wilson zog sich mit einem seltsamen Lächeln in das Privatge mach Lord Montheron's zurück, um seine dort angestellten Nach forschungen fortznsetzen, in denen er gestört worden war. 56. Kapitel. Ein verzweifelter Anschlag. Mr. Dalton übereilte sich nicht mit der Ausführung des ihm gewordenen Auftrags. Es war in der Abenddämmerung, als er zwei Polizisten Auftrag ertheilte, in das Schloß zu gehen, um nach dem lange vermißten Lord Stratford Heron zu suchen und ihn zu zu verhaften. Er befahl ihnen Verschwiegenheit in Bezug auf ihre Mission, daß sie nicht mit der Dienerschaft plaudern sollten; er nannte die Quelle seiner Information, besprach die Thatsache von dem er folgten Ableben Lord Stratford's in Amerika, und brachte es dahin,, daß die Polizisten ihre Mission antraten voller Zweifel an den Aus sagen des Kammerdieners und nicht in der Stimmung waren, sich viele Mühe zu geben, den Flüchtling zu fangen, weil sie die Mühe von vornherein für eine nutzlose hielten.