Volltext Seite (XML)
die frühere Verfassung sofort wieder hergestellt hatte. Aber dennoch webte eine andere Luft; man fühlte das Ende herannahen und dieses Gefühl machte die Gemüther froh und leicht. Frau Wollnow hatte gehofft, nun auch Gatten und Sohn neu aufleben zu sehen, und in der Thai ging in dem ernsten Antlitze ihres Mannes eine große Veränderung vor. Der Mund, welcher sich lange Jahre hindurch fest zusammengepreßt hatte, um die wilden Verwünschungen nicht laut werden zu lassen, welche ihm auf der Zunge lagen, öffnete sich wieder zu freundlichem Gespräche, sein Sinn wandte sich wieder dem öffentlichen Interesse zu; er hatte das Ve- dürfniß, helfend und tröstend einzugreifen. Bernhard unterstützte seinen Vater nach besten Kräften, aber mit Bangen beobachtete das Mutterauge die Veränderung, welche mit ihm vorgegangen war. Anfangs hatte ste gedacht, daß die tödtliche Verwundung des Generals ihm so tief zu Herzen gegangen sei, aber bald mußte sie diesen Gedanken aufgeben. Er sprach mit großer Seelenruhe von dem Ereignisse, Frau Wollnow hätte weit eher glauben können, daß er dadurch vollkommen befriedigt sei, so wenig sie sonst auch Gelegenheit gehabt hatte, in ihrem Sohn einen rachsüchtigen Charakter zu erkennen. Aber dann erfaßte sie eine andere Ahnung. Es gab eine Zeit, wo das veränderte Aussehen ihres Sohnes sie gleichfalls geängstigt hatte und wo sie doch vergebens nach einem Grunde forschte. Nur zu spät brachte sie damals in Erfahrung, um was es sich handelte, und als sie es erfuhr, da konnte sie nicht mehr retten und helfen, sondern mußte zusehen, wie er seinem Geschick verfallen war. Lange, lange Jahre waren seitdem verflossen und die Zeit hatte die Wnnde geheilt, welche das Schicksal ihm geschlagen, aber Bernhard war ein Anderer geworden, er war vorzeitig gereist. Nie mehr hatte ihn das Lächeln einer schönen Frau bezaubert, nie mehr halte er zu tief in die Sterne dunkler Augen gesehen? Und nun? Konnte es möglich sein? Frau Wollnow glaubte nicht daran, und doch hatte sie der Gedanke mit tiefer Bekümmerniß erfüllt, ihren einzigen Sohn seinen Lebens» weg allein gehen zu sehen, doch kannte sie keinen höheren Wunsch, als ihn an der Seite eines geliebten Weibes glücklich zu sehen. Wenn sie gewußt hätte, wie nahe ihre Wünsche Bernhard's ver- änderte Stimmung berührte. Als Bernhard in das Gesängniß gebracht wurde, empfand er darüber zuerst kaum ein anderes Bedauern, als daß seine Verhaft ung seine Eltern erschrecken und beunruhigen würde. Man hatte ihm ein anständiges Zimmer gegeben, da er von den Höchstkomman- direnden vernommen werden sollte. Die Einsamkeit that ihm wohl, er fühlte das dringende Bedürfniß, sich zu sammeln und über das Erlebte noch einmal nachzudenken. Da tauchte Hella liebliches Bild wieder in seiner Seele auf und mit leidenschaftlicher Sehnsucht ergriff ihn das Verlangen nach Frei heit! Was lag ihm früher am Leben? Und jetzt! Er zitterte vor Erregung. Mit pochenden Herzen erwartete er den Eintritt irgend eines- Gefängniswärters. Er hatte den fernen Kanonendonner gehört und ab und zu Schüsse in der Stadt, und er wußte, daß die Herr schaft der Franzosen bald ihr Ende erreicht haben würde. In seiner Aufregung näherte er sich der Thür und griff bei nahe unwillkürlich nach dem Drücker. Die Thür sprang auf, — er blieb einige Minuten regungslos stehen. Aber draußen herrschte tiefe Stille. Mit zögernden Schritten bewegte er sich den Gang entlang, als ihm aus einer Seitenthür lärmende Stimmen entgegenklangen. Jetzt kam ihm der Gedanke, daß es ihm möglich sein könne, zn entfliehen. Mit einigen Schritten hatte er die Treppe erreicht. Jin Hofe herrschte die größte Verwirrung. Pferde wurden gesattelt und angeschirrt, Wagen herbeigebracht, — jedenfalls handelte es sich um eiligen Rückzug, — und unbemerkt gelangte Bernhard auf die Straße, und wenige Augenblicke später bog er um die Ecke, um jetzt in festem, ruhigem Gang, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, das Haus seiner Eltern zu erreichen. Und dann war ein Tag nacb den andern vergangen, ohne daß er sich Hella wieder genähert hatte. Was sollte er' ihr sagen? Wie ihr gegcnübertreten? Er hatte muthig niit seiner Neigung zu ihr gekämpft, aber er war unterlegen. Was ist die Sprache der Vernunft einem Herzen voller Liebe gegenüber? Wenn Bernhard sich auch immer und immer wieder sagen mußte, daß diese Liebe ihm neues Leid bringen würde, so sagte ihm die Stimme seines Herzens, daß er nie von Hella lassen könnte. Schon einmal halte ihm die Liebe bitteres Leid be reitet; sollte cs wieder so sein? (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Folgende Zigeunergeschichte erzählt das „Schaumb. Kreisbl.": „Mit Gunst, daß ich mag hereintreten Gott ehren Hand werk, Meister und Gesellen!" „Guten Morgen, Geselle!" beantwortet Meister Schmied in Algesdorf, vom Feuer ümschauend, den Gruß des vermeintlichen Gesellen — und „Schön Dank" vollendete den Ge sellengruß der Schmiede ein Zigeunerweib. „Mit Gunst, Meister," fuhr es darauf in seiner Rede fort, „mit Gunst, Mister, ich gratulire, viel Glück, viel Glück, ich habe es in den Karten gelesen, 600 Thaler liegen irgendwo in Ihrem Garten vergraben. Kommen Sie in die Stube, ich will sehen auf welchem Platz." Mit offenem Munde folgte der Schmied. Die Zigeunerin legt nun hier diesem und seiner Ehehälfte die Karten. „Hier, dies Herzens-Aß ist der Schatz und er liegt in der Richtung" — dabei zeigte sie hinter sich in den Garten — „und zwar Eckstein-Zehn mal Eckstein-Zwei — 20 Schritt von hier"; und auf Carreau-Drei zeigend, erklärte sie weiter: „3 Fuß unter der Erde. Den Schatz aber bewachen drei Engel, ein schwarzer, ein grauer und ein weißer, die müssen wir herunterbannen, dann haben wir das viele Geld. Hierzu ist uöthig, daß mir die Eugel schmieren. Dies geschieht zunächst mit einer Seite Speck. Sie müssen mit ihrer Frau drei Mal Nachts um 12 ohne ein Wort zu sprechen zu mir nach Sachsenhagen kommen, lind zwar nächsten Freitag über acht und endlich über vierzehn Tage. Das erste Mal bringen Sie besagten Speck und 15 Thaler mit, das zweite Mal nur 14 Thaler und zwei Kleider und das dritte Mal wieder 14 Thaler und das Abeudmahlskleid der Frau — und daun Würste und Schinken nach eigenem Ermessen. Wenn Sie aber ein Wort über die Sache sprechen, können wir den Schatz nicht heben." — Die Kartenschlägerin packt ihre Utensilien zusammen und verläßt das Haus. — Dreimal wandern an deit folgenden Freitagen Schmied und Fran nach Sachsenhagen und bringen der „künnigen Frau" die zu Schatzhebung nöthigen Sachen. Am folgenden Freitage Nachts um die Geisterstunde soll der Schatz gegraben werden. Die Zigeunerin kam. Im Garten wurde ein Licht aufgehängt und eine Glocke, dann rüstig gehackt und gegraben. Plötzlich schallte die Glocke; „Halt!" Man ging ins Haus und legte die Karten. „O Unglück! der Schatz ist 20 in. gesunken und der Teufel sitzt jetzt selbst darauf und bewacht ihn. Schmied, Dil hast gesprochen." „Ja, als ich das Geld geliehen, habe ich den Bauern gesagt, daß ich die Engel damit vom Schatze schmieren wolle." „Dann gehts noch, ein Stück Leinwand von 20 in. und ein neues Betttuch verscheuchen den Teufel lind heben das Geld, aber erst über acht Tage." Sie nahm Beides und ist seitdem verschwunden. Der Schmied war aber so dumm, dieses auszuplaudern, wodurch ihm natürlich jede Hoffnung auf Hebung des Schatzes verloren gegangen ist. Ja! die Dummen werden nicht alle! Geschehen zu Algesdorf, Amt Rodenberg, im Jahre des Heils 1879. * Der „Südd. Presse" wird aus Regensburg folgende Ge schichte berichtet: Ein hiesiger fleißiger Arbeiter, vor längerer Zeit schon aus Ersparnißgründen von seinem Brodherrn entlassen, war, da er keine Arbeit bisher wiederfinden konnte, mit feiner Familie in die bitterste Noth gerathen. Vor einigen Tagen ging er des Abends nach dem Bahnhofe; auf dem Wege stieß sein Fuß gegen einen Gegenstand den er anfhob und bei der Gaslaterne ihn be trachtend sah er, daß cs eine Brieftasche war mit dem Inhalte von 800 Mark in Banknoten, einigen Briefen und Geschäftskarten. Einige Augenblicke zögerte der Mann, — er mochte an die Noth und Armuth der Seinen denken, — dann aber eilte er einem vor ihm gehenden Fremden nach, der ohne Zweifel die Brieftasche ver loren haben mußte; und in der That, so war es, — der Herr gab auf Befragen des armen Arbeiters Aussehen und Inhalt der Brief tasche genau an, so daß kein Zweifel mehr bestehen konnte, daß er der rechtmäßige Besitzer derselben war, wonach sie ihm der ehrliche Finder auch anstandslos aushändigte und höflich grüßend sich ent fernen wollte. Der Fremde indessen, froh des wieder erlangten Geldes nnd der ihm noch wichtigeren Correspondenz, wollte den ehr lichen Mann nicht ohne Lohn ziehen lassen und reichte ihm, ohne sich lange zu besinnen, eine 100-Marknote aus der Brieftasche, und als er sah, daß dem so Beschenkten Thränen der Freude über die hohlen, abgezehrten Wangen liefen und ihm die Stimme versagte, seinen Dank auszuspechen, fragte er ihn theilnehmend nach seinen Verhält nissen. Der arme, brodlos gewordene Arbeiter theilte sie ihm nun offen niit, und der Fremde versprach, ihm auch bald wieder Arbeit zu verschaffen, wenn er sich entschließen könnte, ihm mit den Seinen nach Dresden zu folgen, wo er wohne. Der arme Mann besann sich nicht und sagte mit Freuden zu. Der Fremde reiste mit dem Versprechen ab, er solle in wenigen Tagen Nachricht erhalten, und in der That traf vor einigen Tagen ein Brief für den braven Arbeiter mit dem nöthigen Reisegeld für sich und seine Familie ein und der Aufforderung, sofort mit den Seinen nach Dresden zu kommen, wo er in einer sehr bedeutenden Fabrik eine lebenslängliche gute Anstellung und Versorgung erhalten hat. * Eine räthselhafte Enthauptung ereignete sich nach dem „Ssowr. Jswest." kürzlich in einer Badestube zu Orel. Ein unbe kannter Herr erschien mit einer Dame und ließ sich ein Badezimmer auweisen. Nach einer Stunde entfernte er sich mit der Bemerkung, seine Frau werde noch dableiben und die Kinder mit der Wärterin erwarten. Als jedoch nach zwei Stunden die Dame weder ein Lebenszeichen von sich gab, noch die Wärterin mit den Kindern er schien, schöpfte die Dienerschaft Verdacht, man schickte nach der PRizei, erbrach die Thür und fand in dem Zimmer die Frau todt uNd ent hauptet. In einem Holzgefäß unmittelbar unter dem Krahn für heißes Wasser, der nicht geschlossen worden mar, wurde der Kopf zwar gefunden, doch war das Gesicht so zerschnitten und verunstaltet