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278. 29. November 1912. 'Nichtamtlicher Teil. Geltung. Zu Weihnachten entfaltet das Buch seine größte dekorative Kraft. Das Geschenkwerk steht in noch höherem Maße als zu Ostern im Zeichen des Festgewandes. So ein rlebcrg. Abbild». 1k. W. Düwert Nachs, Weihnachtsschaufenster, wie wir es z. B. aus Abb. IS ver anschaulicht finden, vereinigt in sich neben den rein litera- rischen Werten eine Unsumme künst lerischer und technischer Arbeits leistung. Die Farben sind glänzen der und bunter geworden. Jedes Titelblatt, jeder künstlerische Einband verrät das Zusammenarbeiten der vereinigten Individualitäten von Dichter, Schriftsteller und Künstler. Die Dekoration ist angesichts des vorhandenen Materials nicht schwer und wird im allgemeinen auch ge schmackvoll durchgeführt. Unser Bild ist eine Probedekoration aus dem Gerippe einer später noch zu be sprechenden neuen Schaufensterein lichtung, wie sie das Barsortiment von K. F. Koehler in den Handel ge bracht hat. Der Buchhändler ist gezwungen, die Tagesereignisse, die Zeit- und Tagesstimmungen in seinen Auslagen nach Möglichkeit geschäftlich auszu nützen. Steht er vor dem Wechsel der Dekoration, so fragt er sich nach denjenigen Dingen, die das Publi- Abbildg. 18. Fr heit beschäftigen und bei denen es nur des Anstoßes bedarf, um die literarischen Bedürfnisse zu wecken. Deshalb muß der Buchhändler auch mitten im öffentlichen Leben stehen und dars nicht abseits von der Heerstraße ein Schattendasein führen. An Gedenktagen und Jubiläen, möge es sich um große Fürsten, Staatsmänner, Dichter und Künstler usw. handeln, tritt infolge von Zeitungsartikeln und Pressenotizen stets Nachfrage nach der einschlägigen Literatur ein, in geringerem Maße auch gelegentlich von Versammlungen und Kongressen, die in der betreffenden Stadt tagen. Diese erfährt durch entsprechende Auslagen im Buchhändlerschaufenster stets eine willkommene Steigerung. Wir haben in diesem Jahrs den 200. Geburtstag Friedrichs des Großen gefeiert. Auch mancher Buchhändler hat daraus in seinen Schaufenstern Rücksicht genommen, wie uns das Beispiel der Firma Düwert in Perleberg auf Abb. 16 zeigt. In einem Schaufensterwettbewerb würde die Art dieser Auslage allerdings kaum bewertet werden. Denn sie läßt die geforderte Sachlichkeit vermissen. Das dekorative Beiwerk über wiegt. Das Bildwerk tritt zu sehr heraus aus dem Rahmen, das Buch, die Hauptware, wird zu sehr durch diese Objekte gedrückt. Selbst als Huldigungsschausenster lassen sich derartige Deko rationen nicht gut rechtfertigen. Es gibt zwar Gelegenheiten, bei denen weniger Kausschaufenster als Huldigungsschau fenster in Frage kommen, Gelegenheiten, bei denen das allgemeine, z. B. das patriotische Interesse derart auf Äußerlichkeiten gerichtet ist, daß an solchen Tagen der Laden des Buchhändlers des öfteren leer steht. Gleichwohl aber gilt es, die Zweckbestimmung des Schaufensters, zum Kausen von Büchern anzuregen, innerhalb des patriotischen oder sonstigen Festrahmens unter allen Umständen ausrecht zu erhalten. Nicht immer wird das öffentliche Leben durch diese be sonderen Gelegenheiten unterbrochen. Wir haben oftmals wochenlang stille Zeiten, in denen das Schaufenster des Buch händlers als der übliche Zeitspiegel ein ruhiges Dasein führt. Daß aber auch in diesen stillen Zeiten ein glücklicher Gedanke eine wohltuende Unterbrechung bedeutet, gewissermaßen eine Erfrischung, das sehen wir an dem originellen Pilz-Schau- senster der Firma Enderlen in Stuttgart jAbb. 17). Wie be richtet wurde, erregte diese kleine Sonderausstellung ungewöhn- Wilh. Grunow, Leipzig jJ. C. Hinrichshche Buchhandlung). kum in der betreffenden Zeit an, meisten beschäftigen, j liche Aufmerksamkeit beim Publikum. Wenn dadurch mit einem Dort einzuhaken ist ein Gebot der Notwendigkeit. Da gibt es! Schlage eine Buchhandlung in den Mittelpunkt des öffent- eine Menge Gelegenheiten, die vorübergehend die Allgemein-s lichen Interesses tritt, so dürfte die geschäftlich fruchtbringende Böricnblatt illr den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. 1982