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Er ist bei seinen Untergebenen und den Einwohnern deS Dorfes sehr beliebt. Er ist freundlich und sanft, und eS wäre zweifellos ungerecht, wollte man einen Verdacht gegen ihn hegen. Selbst ich, die ich mit einem Vorurlheil gegen ihn hierherkam, muß gestehen, daß ich ihn nicht fähig halte, solch' ei» Verbrechen zu begehen. „Lieber Vater," fuhr sie dann fort, „soll ich von ihr, — von Lady Wolga erzählen? Sie ist Uber alle Beschreibung schön, schöner, als ich mir die Schönheit einer Frau geträumt habe; sie ist voll An- niuth in ihrem Benehmen, voll Grazie in ihrem Wesen und würde vollen Stolzes in ihrer Haltung. Ich hielt sie für herzlos, aber heute erglühte ihr Herz unter einer naturgemäßen Eingebung für mich, sie sprach liebevoll zu mir und küßte mich. O, Vater! Wie mein Her; schwoll unter diesen Küssen, — den Küssen meiner Mutier! Hätte ich in dem Moment nickt an Dich gedacht, ich hätte ihr zu Füßen fallen und den Saum ihres Kleides küssen können. Ich liebe sie und möchte mich gleichzeitig von ihr abwenden. Ich liebe sie wegen ihrer Güte und weil sie mit so großer Zärtlichkeit an ihr verlorenes Kind zuriickdenkt, weil sie noch im Stillen so lief um dasselbe trauert; ich möchte mich von ihr wenden, weil sie so grausam gegen Dich gewesen ist, mein armer Vater!" Ich sollte Dir schreiben, ob es wahr ist, daß sie sich mit dem Marquis von Monlheron verheirathen wird. Die Verlobung ist noch nicht veröffentlicht, doch Jedermann hält sie für verlobt. Sein Be nehmen gegen sie ist das eines Verlobten, aber aus ihrem Benehmen ist nichts Bestimmtes zu entnehmen. Ich sehe, daß sie ihn achtet und ehrt, und glaube mit allen Andern, daß sie ihn heirathen wird. Sie ist aus seine Verantassung nach Clyffebourne gekommen, welches sie vorher seit Jahren nicht besucht hat. Sie fährt mit ihm iu seinem Wagen, lobet ihn und seine Gäste zum Mittagessen und verschiedenen Festlichkeiten ein und ist sehr liebenswürdig gegen ihn. Sie ist seit der tragischen Begebenheit nicht wieder auf Mont Heron gewesen, aber sie beabsichtigt übermorgen dahin zu gehen. Ich würde dies, obwohl Du mich darum gebeten hast, Dir nicht erzählen können, nähme ich nicht an, daß es Dir keinen Schmerz be reitet; denn sicher kannst Du sie nicht mehr lieben, — die Fran, welche an Deine Sckuld glaubte und sich auf die Seite Deiner Feinde stellte. Sie war für Dich verloren von dem Moment an, als das Unglück über Dich hereinbrach, und es muß Dir gleich sein, ob sie als Lady Wolga Clhffe oder als Lady Monlheron für Dich verloren ist. Cie sprach noch ihre Hoffnung auf das Gelingen ihrer Pläne und den Erfolg ihres Unternehmens ans nnd schloß dann den Brief. Dies war kaum geschehen, als leise an die Thür geklopft wurde und auf ihr „Herein" Felice eintrat. „Mylady hat sich zurückgezogen," sagte sie, „und beauftragt mich, zu Ihnen zu gehen, um Ihnen bebülflich zu sein. Soll ich ihr Haar für die Nacht ordnen, Mademoiselle?" „Wenn es Ihnen gefällt, Felice, ja," antwortete Alexa mit einer Freundlichkeit, welche das Herz der Dienerin vollständig gewann. Sie überließ sich Felice, welche auS einem Toilettekästchen Bürste und Kamm nahm, die reichen Flechten löste und dann mit Wohlge fallen die über Schulter und Nacken herabwallenden Locken kämmte. Sie pries das schöne Haar, äußerte viele schmeichelhafte Bemeikungen für Alexa und sprach dann plötzlich von ihrer Herrin, welche sie in Betreff der Schönheit über olle anderen Frauen Englands stellte. Alexa hielt ihre eigene Ansicht über Lady Wolga nicht zurück, sondern stimmte in das Lob derselben ein, wodurch sie sich Felice'S Her; noch mehr eroberte. „Sie sind Mylady in vielen Stücken ähnlich, Mademoiselle," sagte Felice, welche ganz besonders zum Plaudern aufgelegt schien. „Ich zagte Mylady Henle Abend, daß Sie den Kopf genau so tragen und einen eben solchen Gang haben, wie sie. Und Sie erinnern mich auch an sonst Jemanden —" Sie brach rasch ab. Alexa's Herz schlug rascher; sie wußte, wer dieser „Jemand" war. „Mylady hat die Aehnlichkeit mit diesem Jemand auch bemerkt," fuhr Felice nach kurzem Zögern fort, „und zwar ehe ich mit ihr da von gesprochen hatte. Es ist ein wunderbarer Zufall, sehr wunderbar, aber die Welt ist voller Achnlichkeilen. Manchmal sehen Menschen von verschiedenem Blui und Rang einander so ähnlich wie Zwillinge. ES würde ja auch sonderbar sein, wenn unter all' den Millionen Menschen nickt einmal zwei sich ähnlich sehen sollten." „Gewiß," stimmte Alexa bei. „Aber an wen erinnere ich Sie denn, Felice?" „An Einen dessen Schicksal schrecklich war, der aber nun todt ist," antwortete die Dienerin, und ihr Gesicht trübte sich. „Sein Nome wird weder von Lary Wolga ausgesprochen, noch von denen, die sie umgeben." (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Unsicherheit des Bodens. Aus Essen schreibt man der „Elberf. Ztg.": Selt einiger Zeit rumort es wieder unter der Erd kruste, auf der unsere Stadt erbaut ist, in sehr bedenklicher Weise. Ein Haus nach dem anderen, eine Straße nach der anderen wird in den Kreis der Bodenbewegungen hineingezogen und die zerborstenen und zerrissenen Außenwände zahlreicher massiver Hauser, di« schief geneigten Trottoirs, die mit Holzrahmen auSgekleideten Fensternischen zeigen dem Fremden in erschreckender Deutlichkeit, wie traurig es hier mit der Sicherheit deS Bodens bestellt ist. An einem der letzten Abende ist sogar in der Beuststraße, welche am meisten von dieser Unsicherheit zu leiden hat, plötzlich ein Tagesbruch entstanden; d. h. ein Stück Laud von ungefähr 8 Fuß Durchmesser versank mit Donner gepolter in die Tiefe, die darin befindlichen Wasserleitungsrohre platzten und mit brausender Gewalt schoß das Wasser In den Abgrund hinab. Dickt daneben wird ein HauS gebaut und der Platz dazu war erst kürzlich auSgcschachtet worden. Jetzt hat derselbe so bedeutende Nisse und Spalten bekommen, daß man befürchten muß, daß der Boden auch hier dicht unter der Oberfläche minirt ist und den Neubau nicht trägt. * Große Trockenheit. In den nordöstlichen Provinzen Brasi liens ist seil deni Juli 1876, also seit über zwei Jahren, kein Regen gefallen. Das dort herrschende Elend spottet aller Beschreibung. Das Land ist entvölkert und in eine mit bleichenden Gebeinen besä-te Wüste verwandelt, während in den nicht von der Dürre betroffenen Städten eine ungeheure Menge der aller Habe beraubten, siechen nnd demoralisirlen Flüchtlinge den Blattern, dem gelben Fieber und anderen Seuchen zum Opfer fallen. Die monatlichen Sterbelisten der Städte, welche den von „Secca" verwüsteten Gegenden zunächst liegen, zählen die Opfer zu Tausenden. Das Gebiet, welches von dieser Dürre betroffen wurde, umfaßt 30,000 OuadratlegiuS. Die brasilianische Negierung thut das Möglichste. Sie hat zur Unterstützung der Hilfsbedürftigen und zur Erbauung von Eisenbahnen 15 Millionen Dollars bewilligt und Privatleute haben für ähnliche Zwecke weitere fünf Millionen bei gesteuert. Trotzdem steht die geleistete Hülfe in keinem Verhältnisse zu der Größe des Unglückes. * Ein Gattenmörder aus Liebe. Eine entsetzliche Kunde kommt aus dem Städtchen Langen. Die Ehefrau des großy. Landesge- ricklS.Assessors Amendt befand sich im Wochenbett und der günstige Ver lauf desselben wurde durch einen vorige Woche in der Nähe der Wohnung ausgebrochenen Brand derart gestört, daß nach einigen Tagen die Aerzte nicht nur die Hoffnung einer Rettung gänzlich aufgaben, sondern der Unglücklichen nur noch eine sehr kurze LebenS- frist prognostizirten. Dieselbe lag in den furchtbarsten Schmerzen nnd soll ihren darob verzweifelten Mann, mit dem sie in glücklicher Ehe lebte, um eine rasche Erlösung angefleht haben. Dieser habe jene Schmerzen nicht länger mit ansehen können, ergriff eine Schußwaffe und jagte seiner Ehefrau eine Kugel durch die Schläfe. Die Leiche der Dahingeschiedenen wurde bereits verflossenen Sonntag zu Darm stadt beerdigt, während Landgerichts-Assessor Amendt in seiner Wohn ung in vorlänfiger Haft gehalten wird. Es sollen Anzeichen von einem geistigen Gestörlsein des bedanernswerthen Ehemannes vorliegen. * Ein 98jähriger Veteran, namens Gall, aus Laukischken, Kreis Labiau in der Provinz Preußen, wurde in der vergangenen Woche beim Standesbeamten zu Klein-Schmersberg ehelich verbunden. Die Frau desselben ist 56 Jahre alt. Als der betreffende Amtsvorsteher den alten Invaliden fragte, weshalb er noch heirathete, gab er zur Antwort: „Maq's schon gehen, wie Gott es bescklossen Hal; mein Vater war bei seiner letzten Verheirathung über 100 Jahre alt" rc. Gall hat jetzt bereits die vierte Frau. * Ein Kampf mit einem Wilddiebe. Am 12. d. M. Vor mittags ist der Forstwart L. St. in Milterweißenbach bei Ischl mit einem Wilderer auf dem Zimnitzgebirge plötzlich zusammengetroffen. Als der Wilderer sich überrascht sah, griff er nach seinem Gewehr nnd war im Begriffe, dasselbe ans den Forstwart loszuseuern. Letzterer packte aber, da ihm zur Anwendung seiner Waffe keine Zeit mehr übrig blieb, den Wilderer mit den Händen, nnd es kam zu einem Handgemenge, wobei Beide über eine nahegelegene Felsenwand stürzten. Der Forstwart erhielt sich auf der halben Felsenwand an einem vom Winde umgerissenen Baume, der Wilderer stürzte aber in die Tiefe hinab. Als sich der Forstwart ei» wenig erbolt hatte, stieg er zu dem Wilderer hinunter, traf ihn noch lebend und eilt» daher um Hilfe, mit der er jedoch zu spät kam, denn der Wilderer war bereits eine Leiche; sie wnrde durch die zwei zur Hilfe herbeigseilten Männer nach Ischl gebracht. Der Forstwart zog sich bei dem Sturze mehrere Kontusionen zu. * Leichenverbrennung. Der Magistrat in Gotba, der be kanntlich auf dortigem Friedhöfe die Feuerbestattung in einer eigens dazu erbauten Anstalt zngelassen, hat nunmehr Bestimmungen hinsicht lich der Größenverhältnisse der Särge und der Urnen für die Aufbe wahrung der Asche der Verbrannten im Kolumbarium sowie hinsichtlich der zu zahlenden Gebühre» erlassen. Für jede Feuerbestattung sind zu entrichten für das Heizmaterial, die Bedienung und die Abnutzung deS Apparates 25 und 30 Mark. * Einfache Milchprobe. Nachstehende Probe auf Wasserzu- sah soll, ungeachtet ihrer Einfachheit, ganz zuverlässig sein. Man taucht eine gut polirte Stricknadel in die verdächtige Milch und zieht sie, indem man sie senkrecht hält, sogleich wieder heraus. Ist die Probe nicht „gewässert", so bleibt an der Nadel etwas Milch hängen; ist ihr ober Wasser zugesetzt, wenn auch in nur sehr geringer Menge, so bleibt an der Nadel kein Tropfen hängen und diese erscheint beim Herausziehen aus der Milch ganz rein.