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hier und Glauchau gelegen) befindet sich rin Teich, der, anfangs eine kleine Pfütze, durch den Zufluß aus der Mulde zu einem ziemlich um fangreichen Gewässer geworren ist, von welchem man annehmen durfte, daß dasselbe im Laufe der Jahre, und besonders bei Ueberschwemmungen der Mulde, immer größere Ausdehnung gewinnen werde. DaS Wasser hat ein schlammiges Aussehen und eignet sich zu einem nütz lichen Zwecke wenig, so daß der Gemeinderath die Entfernung deS Teiches, welcher den Namen „die Lache" führt, und die Nutzbarmachung des nach geschehener Ausfüllung erzielten Grundstückes beschloß. Die Dorfbewohner gingen nun — ob mit Recht oder Unrecht — von der Ansicht aus, daß „die Lache" einen Neichlhum an Fischen beherberge, und diese Ansicht ist durch Ueberlieferung von Mund zu Mund zu einer unumstößlichen Gewißheit geworden, sodaß schließlich die Fabel daraus entstand, der Teich sei von einer Menge riesig großer Karpfen, Hechte und anderer Thiere angefüllt und der Fang werde ein beispiellos ergiebiger sein. Daraufhin ward von einer speculativen Gesellschaft die Ausbeute des Teiches käuflich erworben, eS wurden Actien auSge- geben und gegenwärtig erwartet man mit fieberhafter Spannung das Resultat, namentlich auch in einigen hiesigen Kreisen, in welchen eben falls Actien untergebrachl worden sind. Die Hebung des Wassers in der „Lache" hat vor einigen Tagen begonnen, eine Locomobile nebst Mator ist unausgesetzt hierbei in Thätigkeit und die Umgebung des Teiches ist der Schauplatz eines lebendigen Verkehrs geworden, der besonders am gestrigen Sonntag eine große Anzahl Neugieriger ange- zogen hat. Es ist neben der „Lache" eine Bretterbude aufgeführt und eine Restauration darin etablirt worden; auch von anderen Seiten ist für möglichste Befriedigung leiblicher Bedürfnisse Sorge getragen. In den nächsten Tagen wird die Geschichte wohl ouSgespielt haben und die Actionäre werden wissen, was sie dabei verdienten. Die Stadt Lengsfeld bei Salzungen, Eisenacher Oberland, ist in der Nacht zum 27. Oktober von einer furchtbaren Feuersbrunst heimgesucht worden. Die halbe Stadt mit AmtSgebäude, NalhhauS, Schule, Post und über 60 Wohnhäusern, ohne Nebengebäude liegen in Trümmern. Das Elend ist groß. Am 25. Oktober früh 7 Uhr ist in Paprotsch bei Natibor der Unterförster und Bretmühlen-Verwolter Julius Reuter auf dem Heim wege aus seinem Revier erschossen worden. Es wird vermuthet, daß den Mord Wilddiebe aus Stodoll oder Ochojetz verübt haben. Der Unglückliche hinterläßt außer der Wittwe mehrere unerzogene Kinder. Wie dem „Ob. Anz." gemeldet wird, wurde Reuter 200 Schritte von seiner Wohnung noch lebend aufgefunden. Er verschied nach einer halben Stunde, nachdem er noch vorher auszusagen im Stande war, von zwei ihm unbekannten Männern geschossen worden zu sein. Klera oder Auf dunklen Wegen. Roman von Ed. Wagner. (Fortsetzung.') »Seltsam, daß ich die Aehnlichkeil nicht sogleich bemerkte!" mur melte Lady Wolga, sobald sie ihre Ruhe einigermaßen wiedergewonnen hotte, und ihre Blicke hafteten auf dem lieblichen bleichen Antlitz und auf dem Kopf mit dem Goldhaar. „Sie erinnern mich an mein eigenes kleines Kind, welches im Mittelländischen Meer vor vielen Jahren er trank. Sie hatte Augen wie die Ihrigen. Ihr Haar war etwas Heller, aber so gelockt, wie das Ihrige. Ach! Wie sehr Sie mich an sie erinnern! Meine arme, verlorene Constanze!" „Sie müssen sie sehr geliebt haben," bemerkte Alexa, in ihrer furchtbaren Erregung kaum wissend, was sie sagte. „Geliebt? Sie war mein Alles!" rief Lady Wolga leidenschaftlich, und ihre Augen feuchteten sich. „Ich vergötterte sie! Mein liebes, süßes, Kind! Meine kleine, unschuldige Tochter! Wäre sie am Leben geblieben, stände ich heule nicht so einsam da. Wenn sie gelebt hätte, — aber weßhalb mich so foltern? Sie ist todt!" Die letzten Worte waren im Schmerz der Verzweiflung hervor gestoßen. Alexa sprang auf. Ihre Augen flammten, ihre Lippen öffneten sich, ihre Arme erhoben sich, — und sie war im Begriff, sich ihrer Mutter an die Brust zu werfen und sich zu erkennen zu geben. Aber dies Alles war nur ein rasches Aufflammen, welches der Gedanke an das ihrem Vater geschehene Unrecht im Entstehen erstickte. Das Feuer erlosch in ihren Augen, die Arme sanken an ihrer Seite herab, die Lippen schlossen sich fest, das Wort, welches ihre Mutter unendlich glücklich gemacht haben würde, unausgesprochen lassend. Entschlossen ließ sie sich wieder auf ihren Sessel nieder, ihr Herz auf's Neue ge stählt gegen die geschiedene Gatlin ihres Vaters. Aber Lady Wolga hatte die rasche Bewegung, die momentane Verklärung auf Alexa'S Gesicht bemerkt. Sie hielt cs für innige Theilnahme, weiche sich nicht vollständig zu äußern wagte der hoch gestellten Lame gegenüber, und ihr Herz erwärmte sich noch mehr für Alexa. „Niemand weiß von meinen einsamen trüben Stunden," begann sie nach einer längeren Pause wieder, ihre Bewegung gewaltsam zurück haltend. „Ich würde eine jüngere Schwester oder ein Kind innig lieben, ein theureS Wesen, welches mir in Liebe zugethan wäre. Ich habe eine tiefe Neigung zu Ihnen gefaßt, Miß Strange, und hoffe, daß wir mit der Zeit einander näher treten. Es mag seltsam scheinen, daß ich ohne Zurückhaltung zu Ihne» spreche, aber ich fühle mein Herz allmächtig zu Ihnen hingezogen. Es muß eine wunderbare Gleich heit zwischen uns bestehen, — etwas, was man Seelenverwandtschaft nennt. Es ist mir fast, als ob Sie mir angehörten, wenn Sie mir auch eine Fremde sind." Alexa öffnete die Lippen znm Sprechen, konnte aber kein Wort hervorbringen, denn die widerstrebendsten Gefühle lobten in ihrer Brust. Während die Güte und Freundlichkeit ihrer Mutter, deren noch so innige Liebe zu ihrer Tochter, ihre Leiden und Klagen um den Verlust ihres Kindes sie unwiderstehlich zu ihr hinzogen, wirkte der Gedanke, daß die stolze Frau ihren Galten in der Noth verlassen, daß sie jetzt einen Andern zu heirathen im Begriff stano, erkältend auf ihr Herz. „Ich schmeichle mir, ein treffendes Urtheil über Menschen nach Ihrem Aeußern fällen zu können," sagte Lady Wolga, „und ich sehe, daß Ihr Charakter edel, Ihr Herz voll Liebe ist. Diese Liebe mir zu erwerben, soll mein Bestreben sei». Was sagen Sie dazu, Miß Strange? Wollen wir einen Freundschaflöverlrag schließen?" Alexa war versucht, das Freundschaflsanerbielen ter Lady Wolga abzulehnen, mit Rücksicht auf das ihrem Vater geschehene Unrecht. Und konnte sie Liebe geben ohne Vertrauen? Konnte sie die Frau lieb gewinnen, die ihren Vater verlassen hatte? Sie blickte auf zu dem edlen, schönen Gesicht, welches nicht mehr kalt und stolz war, sondern in Innigkeit und Wärme strahlte, und die wahre Natur deS Mädchens erwachte zu mächtig, als daß sie der künstlich durch Vorurtheile er zeugten Abneigung hätte Widerstand leisten können. Diese Frau war ihre Mutter, welche sie als todt betrauert hatte, welche noch um sie trauerte; an ihrer Brust, an ihrem Herzen hatte sie einst als Kind geruht, — und dieses Herz neigte sich sitzt instinktmäßig ihr zu, in Liebe und Zärtlichkeit. Konnte sie die Liebe ihrer Mutter zurückweisen? Oes Mädchens Brust hob und senkte sich schwer. Sie war verwirrt, erregt und zitterte an allen Gliedern; ein leiser, unbestimmter Ruf kam von ihren Lippen und ihre Augen strahlend in erwachender Liebe, be gegneten mit verlangendem Ausdruck denen der Lady Wolga. Diese trat rasch vorwärts, schloß daS Mädchen an ihr Herz und Beider Lippen fanden sich zu einem innigen Kusse. Dann entließ Lady Wolga das Mädchen aus ihre» Armen, trat einen Schritt zurück und sagte; Wir haben unsern FreuudschaftSbund besiegelt. Darf ich Sie nun Alexa nennen?" „Es wird mich freuen, diesen Namen von Ihren Lippen zu hören," antwortete das Mädchen. „Es ist ein seltsamer Name — Alexa!" „CS ist eine Abkürzung von Alexandra," erwiderte Alexa, noch bebend unter der Zärtlichkeit des Kusses ihrer Mutter. „Ihr voller Name ist Alexandra Strange? Sie sollen mir eineS TageS Alles über sich selbst erzählen, über Ihren Vater und Ihre griechische Heimalh," sprach Lary Wolga, ihre Hand auf das Haupt des Mädchens legend. „Ich will Sie jetzt nicht länger vom Brief schreiben abhallen. Felice soll mich entkleiden, nnd dann, da Ihr Brief inzwischen wohl fertig sein wird, will ich sie zu Ihnen schicken. Sie kann Ihnen bei Ihrer Nachnollelle helfen und Ihnen sagen, was Sie zu wissen wünschen in Betreff ver Pflichten als Gesellschafterin," fügte sie in scherzhaftem Tone und lächelnd hinzu. «Fragen Sie sie nach Allem, was Sie wollen, sie wird Ihnen Auskunft geben; denn sie kennt meine Gewohnheiten, von denen ich mich nicht gern lossage." Sie drückte noch einen Kuß auf Alexa'S Stirn, wünschte ihr eine gute Nacht und entfernte sich. „Ich verstehe mich selbst nicht," dachte Lady Wolga, als sie in ihrem eigenen Gemache angekommen war. „Dieses Mädchen hat mich bezaubert. Wenn ich bei ihr bin, vergesse ich meine gewohnheits mäßige Vorsicht. In Wirklichkeit weiß ich nichts von ihr, als daß sie mir so gut empfohlen worden ist. Sie hat sich in mein Herz ge stohlen Seit vielen Jahren habe ich mit Niemandem gesprochen, wie ich mit ihr gesprochen habe. In ihr scheine ich gefunden zu haben, wonach ich so lange gesucht habe. Ihre Gegenwart giebt mir neuen Frieden und eine wunderbare Ruhe. Ich will Alles aufbieten, um mir ihre Liebe zu gewinnen. Die Vorsehung Hal sie mir gesandt, glaube ich, um mich zu bewahren, daß ich in Wirklichkeit werde, für was mich die Well gegenwärtig hält — kalk und herzlos!" 22. Kapitel. Wichtige Enthüllungen. Als die leisen Tritte der Lady Wolga auf dem Korridor verhallt waren, warf sich Alexa in einen Sessel und weinte, als ob ihr das Herz brechen wollte. Nachdem sie ihre Rube wieder erlangt hatte, setzte sie sich an den Schreibtisch, um ihren Brief zu beendigen. Sie schrieb ihrem Vater, daß sie ihre Stelle zu Clyffebourne angetreten, daß sie diesen Abend daselbst Lord KingScourt und den Marquis von Monlheron gesehen habe, und berichtete über ihre Unterredung mit dem Ersteren. Ueber den Marquis von Montheron schrieb sie: „Der jetzige Marquis scheint die Gutmüthigkeit selbst zu sein.