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Erscheint wvchentlich drei Mal und »war Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Bormittag). AbonnemmtSpreiS beträgt vierteljährlich 1 Mark 2V Pf. pr«oum«ranäo. AMiger f«r Inserate werden bi« spätestens Mittags des vorhergehenden TageS deS Erscheinens erbeten und die CorpuSspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Amtsblatt für den Stadtgcmeindcrath zu Zwönitz. 107. Dienstag, den 10. September 1878. 3. Jahrg. Bekanntmachung. Die in jüngster Zeit wiederholten nächtlichen Einbrüche bedingen eine zeitweilige Verstärkung der Nachtpolizei. Geeignete nüchterne, energische und gut beleumundete Personen wollen sich schleunigst und längstens bis zum LS. dieses Monats, Abends « Uhr bei dem unterzeichneten Bürgermeister mündlich oder schriftlich anmelden. Zwönih, am 9. September 1878. Der Stadtgemeinderath. Schönherr. Bekanntmachung. Aus medicinal-polizeilichen Gründen wird hierdurch ernstlich verboten, die an einer Gruft angebrachten Thüren nach geschehenem Begräbnisse wieder zu öffnen. Zuwiderhandelnde haben vorkommenden Falls 6 Mark — Pf., der Todtenbettmeister aber, welcher beim Oeffnen hilft oder es nicht sofort zur Anzeige bringt, 3 Mark — Pf., im Wiederholungsfälle aber haben Beide die doppelte Strafe an die Kirchcasse zu zahlen. Zwönitz, den 3. September 1878. Der Kirchenvorstand allda. Neidhardt, Pf. Tagesgeschichte. Frankfurt a. M. Demnächst soll hier ein Damenhotel eröffnet werden. In demselben sollen nur weibliche Reisende Unterkunft er« halten. Leitung und Bedienung wird ebenfalls durch Frauenzimmer besorgt. Es steht zu befürchten, daß es diesem Unternehmen wie einem ähnlichen kürzlich in Amerika entstandenen gehen wird. Letzteres hatte nämlich nach kurzem Bestehen auS Mangel an Zuspruch geschlossen werden müssen. Prag. Die Redacteure der Prager socialistischen Blätter sind laut Meldungen von dort auf Grund der jüngst stattgefundenen Haus suchungen wegen Verbrechens der Theilnahme an geheimen staalSge- fährlichen Zusammenkünften in Anklagezustand versetzt. Zwei wegen Theilnahme am Klattauer Socialisten-Congreß verhaftete deutsche Studenten wurden, da dieselben ihr Alibi nachwicsen, auf freien Fuß gesetzt. Gastein, 6. September. Das Befinden Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm ist ein gutes. Allerhöchstdcrselbe wird heule in Böckstein das Diner einnehmen, zu dem mehrere Einladungen an distinguirte Badegäste ergangen sind. Aus der Schweiz. Das „Züricher Tageblatt" bringt unterm 16. d. folgende: „Bekanntmachung! Aus Anlaß eines Specialfalles werden hiermit Umzüge mit der rolhen Fahne auf Stadtgebiet verboten. Theilnehmer an einem solchen Umzuge werden auf Grund des Z 80 des Strafge- setzbuchS wegen Ungehorsams gegen amtliche Befehle den Gerichten zur Bestrafung überwiesen. Das Verbot erstreckt sich auf das laufende Jahr. Zürich, den 16. August 1878. Die Stadlpolizei." Das Verbot dieses groben Unfugs in der „freien" Schweiz ist ein schwerer Schlag für die revolutionäre Propaganda. Paris, 6. September. Das „Journal offiziell" veröffentlicht den Berliner Vertrag. — Bei der gestern staltgehabten Eröffnung deS sozialistischen ArbeiterkongreffeS wurden mehrere Verhaftungen vorge nommen. Die Deligirten prolestirten hiergegen und erklärten, daß sie eine Cioilklage anstrengen würben. Unter den Verhafteten ist auch ein deutscher Korrespondent eines Leipziger sozialistischen Blattes. Bei den vorgenommenen Haussuchungen wurden viele Schriftstücke in Be schlag genommen. England. Ein Passagier an Bord des so schrecklich auf der Themse untergegangenen Vergnügungsdampfers „Princeß Alice" er stattet folgenden Bericht über die Katastrophe: „So weit ich beur- tbeilen kann, müssen zwischen 600 bis 700 Personen an Bord gewesen sein. Wir verließen Sheerneß 10 Minuten nach 4 Uhr und alles ging gut, bis die ersten Rufe auf dem vorderen Theile deS Schiffes bei den im Hinteren Theile Befindlichen den ersten Alarm verursachten. Als ich aach vorn blickte, sah ich einen Schraubendampfer dicht vor uns. Auf den beiden Fahrzeugen wurde der Befehl gegeben, die Maschinen rückwärts arbeiten zu lassen; aber dieser Befehl kam zu spät. Beinahe unmittelbar nach dem ersten Angstschrei wurde die „Princeß Alice" von dem „Bhwell Castle", einem Dampfer auS Shields, auf der Starbord-Seite heftig getroffen, so daß eS das Aus sehen hatte, als ob die Spitze des letzteren. Dampfers sich in den ersteren eingrabe. Die drohende Gefahr wahrnehmend, kletterte ich in der Nähe deS Schornsteins in die Höhe unv schwang mich ver mittelst eines dort hängenden Taues an Bord des „Bhwell Castle". Dann sah ich, wie die „Princeß Alice" schnell sank. Das Angstge schrei war schrecklich und die Scene spottet jeder Beschreibung. ES wurden vom Deck des „Bhwell Castle" Taue ausgeworfen, ich habe aber nicht gesehen, mit welchem Resultate. Nachdem die „Princeß Alice" gesunken, kam bald der Dampfer „Duke of Teck" an Ort und Stelle an. Er konnte jedoch nichts thun, als ungefähr ein Dutzend Leichen auffischen, die mit uns Lebenden beim Arsenal in Woolwich an'S Land befördert wurden." Die Mehrzahl der Todten besteht aus Frauen. Ehe die Schiffe zusammenstießen, hörte man Rufe von beiden Seiten, man möge ausweichen, allein wie gewöhnlich in solchen Fällen der Gefahr, wurden alle Schifffahrtsmaßregeln mißachtet und ein jedes Boot nahm den falschen KourS, um deS Anderen Fehler gut zu machen. Ueber den Unglücksfall ist bereits eine Untersuchung einge leitet. So viel scheint sestzustchen, daß die „Princeß Alice" in der Mitte getroffen wurde und mit der Mitte zuerst versank, während beide Enden des Schiffes hoch in die Luft gehoben und die Passagiere durcheinander und nach der Milte zu in'S Wasser geschleudert wurden. Der Dampfer liegt mitten im Strom, auf seinem Deck stehen 8 Fuß Wasser; nach Aussage der Taucher ist der Rumpf, der schleunigst aus dem Fahrwasser entfernt werden muß, in 3 Theile gebrochen. DaS Schiff war für 8000 Psb. St. versichert. Bis jetzt ist es noch immer unmöglich festzustellen, wie viele Passagiere sich an Bord befunden haben und wie viele ertrunken sind, da sich eine Menge mit Retour- billets versehene Passagiere an Bord befanden, über die keine Kontrole geübt werden kann. Die Straßen und Piers in Woolwich boteu am Mittwoch ein sehr trauriges Schauspiel, überall Männer, Frauen und Kinder, welche nach den Leichen ihrer Anverwandten suchten. Im Ganzen waren Abends erst 113 Leichen aufgesunden worden. Fast alle Leichen haben daS linke Bein beim Knie gebrochen und die linke Hand auSgestreckt; die Gesichter sind unentstell», haben aber eine mehr oder weniger unnatürliche Farbe. Ein Mr. Russell bezeugt, daß aus der „Bhwell Castle" alle möglichen Anstrengungen gemacht worden sind, um Menschenleben zu retten. Seiner Ansicht nach trägt keiner der beiden Kapitäne die Schuld an dem Zusammenstöße; vielmehr sei die Praxis der Dampser, soviel wie möglich sich dicht am Ufer zu halten, wohl die Hauptursache der Kollision. Er sagt, er werde nie vergessen, wie die Szene sich so plötzlich änderte, den einen Augen blick überall Lust und Freude, dann Noth und Tod. Gerade vor dem Zusammenstöße habe das an Bord befindliche Musikkorps noch eine neue heitere Weise angestimmt.