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„Und ich komme auch mit," scherzte dazu ein ebenfalls ältlicher Herr in Civil. Wir haben ihn erst jüngst kennen gelernt. ES ist Melaniens einziger Verwandler von mütterlicher Seite, der Polizeirath von Tronsberg. Nur eine vermissen wir — Helene. Das zweite Signal znm Einsteigen wird gegeben, die Thüren deS Wartesaals öffnen sich und wie sie binausschreiten, die Glücklichen, auf den Perron, da sinkt ein junger Mann, Thränen in den Augen, an Fritzens Brust und stammelt dem Freunde zu: „Lebe wohl! Grüße unser deutsches Vaterlandl" Es ist Weldorf. Andere junge Männer, die geretteten Freunde Weldors'S, bilden Spalier. Das letzte Zeichen erschallt; die letzten Grüße der Scheidenden werden gewechselt. Die Pfeife des Zugführers ertönt schrill, da springt Weldorf noch einmal auf das Trittbrett und überreicht Melanie ein kostbares Album; es ist sein und seiner Freunde Dank für ihre Rettung. * * In Dresden, der Perle der deutschen Hauptstädte, erst vergönnten sich die heimkehrenden Freunde einen kurzen Aufenthalt, um von dort aus schnell noch einen Ausflug nach der sächsischen Schweiz zu unternehmen. Das waren himmlische Tage für unser junges Braut« paar und Stunden der Wonne für die betagten Brüder. Aber die Sehnsucht nach dem Lande der rothen Erde trieb deren Kinder weiter und weiter, und schon am dritten Tage trug sie einer der Elbdampfer zurück nach dem herrlichen Dresden, und nach einer verzeihlich-oberflächlichen Besichtigung von dessen Kunstschätzen, sehen wir sie, vom Dampfroß gezogen, unaufhaltsam der Heimath zueilen. Hochbeglückt nahm sie die würdige Frau Pfarrer am Soester Bahnhofe in Empfang und geleitete sie zum trauten Pfarrhause der Börde. Melanie hatte, dem Drange ihres Herzens folgend, dem Grabe Mariens, der leider zu früh verstorbenen Mutter des Geliebten, ihre» ersten Besuch zugedacht und ihre Wünsche waren denen Fritzens und der beiden Oheime begegnet. Noch eine kurze Frist hatte die glückliche Braut, um im Pfarr« Hause zu verweilen, während welcher sich der Bräutigam in Begleitung deS Onkels Franz nach dem Schlosse seiner Väter begab, um dort Alles zum würdigen Empfang der zukünftigen Herrin vorzubereiten; allein wie schnell schwanden ihr die Tage und Wochen bei der herzigen Tante, getheilt zwischen Arrangements zur Hochzeit und Besuchen bei der Familie von Böckum. Und als endlich der Tag der Vermählung erschien, da war es derselbe Pfarrer, der in derselben Kirche die Hände dieses schönen Paares in einanderfügte zum unauflöslichen Bunde für das Leben, welcher dereinst an derselben Stelle den Segen über seine geliebten Kinder, Uvo und Marie, „Westphalens schönster Blume", gesprochen hatte, und ein gar glänzender Brautzug folgte ihnen von Fritzens Freischultengute, dem Bisplinghofe, aus. Voran schritten Baron von Böckum und Gemahlin, die sich vor langen, langen Jahren anch im Brautzuge der Ellern befunden halten, hinter ihnen Fritzens Pathe, der General von Krafft, welcher Wort gehalten und gekommen war und zu deS Bräutigams Freude auch seinen Sohn, den nunmehrigen Rittmeister, August von Krafft, mitgebracht hatte, FrttzenS treuesten Freund und Waffenbruder. Aber noch ein Anderer halte sein Versprechen eingelöst, — Melaniens einziger Verwandler, der alte Polizeirath von Tronsberg, hatte die schöne Kaiserstadl an der Donau verlassen, um dem Ehren tage seiner Nichte im Lande der rothen Erde beizuwohnen. Und wie sie dahinschrilten im goldigen Sonnenscheine, an dem Saume des Eicheukamps entlang, da war es, als erzählte das Rauschen der Eichen von einem Brautpaare, das auch einst wonneslrahlend in der Jugend Schöne, dort in der Kirche die Hände zum unzertrenn baren Bunke zusammengesügt hatte und jetzt in der Blätter geheim nißvollen Flüstern seine Grüße und Küsse sandte aus einer schöneren Heimath, in welche es früh schon eingegangen! Und als TagS darauf die Glücklichen endlich durch die Ehren pforten und Thore von Shberg und unter dem Jubel der Diener schaft einzogen, als Böllerschüsse herab erdröhnten und der Umgegend verkündeten, der letzte Romberg sei in dem Schlosse seiner Ahnen ein getroffen und mit ihm frisches, grünendes Leben, da schlug das alle treue Herz des allen, biederen Ignatz höher und höher, und, eine Freudenthräne im Auge, betete er: „Ich danke Dir, Golt, daß meine alten Augen diesen Tag ge« sehen haben; jetzt ist gesühnt, was unser gnädiger, alter Herr an seinen Kindern verbrochen Hal!" An Stelle deS strengen, finsteren Geistes, der so lange hier ge herrscht, hatten Liebe und Frohsinn, Lebenslust und Zufriedenheit, ihren Einzug gehalten. Ein neues, gesundes, edles und freies Geschlecht erblühte und schon nach Jahresfrist sehen wir die HochzeilSgäste wieder auf Shberg eintreffen. Diesmal aber halte der alte General auf ausdrücklichen Wunsch der Familie von Ramberg seine Gemahlin, die noch immer schöne Helene, mitgebracht. Die letzte Zeit hatte viel gelhan, um sie zur Reue zu veranlassen. Lange hatte die eitle, hochmüthige Frau ge« kämpft; aber sie hatte doch endlich überwunden und fühlte sich stark' genug, das von ihr verschmähte Glück Melaniens ertragen und sehen zu können, ohne aus'S Neue zur Rache entflammt zu werden. Baron Fritz war der Bitte seiner lieblichen Gattin gern ent« gegengekommen, zu verzeihen und zu vergessen. Glückliche Menschen sind ja leicht geneigt zu vergeben und das reinste, höchste Glück hielt seine Fittiche auSgebreitet über Fritz und Melanie. Die Besuche galten diesmal jedoch keineswegs wieder einer Hochzeitsfeier, wie im vorigen Jahre, sondern ganz etwas Anderem. — Der General und Franz, sein ehemaliger Wachtmeister, Polizeirath von Tronsberg, der wackere Oheim aus Oesterreich, der treue Böckum und August von Krafft waren dazu ausersehen, einen kleinen Welt bürger aus der Taufe zu heben, den jüngsten „Erben von Shberg." Vermischtes. * Das Gewicht des europäischen Friedensstifters. Wie ein in Kissingen weilender Kasselaner dem „Kasseler Tageblatt" verräth, bat Fürst Bismarck sich wiegen lassen. Der Gewichlszettel lautet auf 243 Pfund lOO Gr. (13 Pfund mehr als im Juli vor. Jahres). Ans die Frage, was der Fürst dazu gesagt, antwortete der Besitzer der Waage: „Ja schauen S', viel Hot er net gesogi; er schüttelt' d' Kopp und moant, dös G'wicht wär' holt' a bist' z'viel. A Tholcr hat er m'r aber doch g'gebe!" * Ein reicher Straßenbetller ist in London gestorben; derselbe hinterläßt nicht weniger als 65,000 Pfd. Sterl, (ca. 1,300,000 Mark), welche er zwei milden Stiftungen, unler Uebergehung seiner „zärtlichen Verwandten", die ihn unbeachtet und hilflos ließen, testamentarisch vermachte. Er betrieb sein „steuerfreies" Gewerbe durch mehr als dreißig Jahre in „Cheapsibe", wo er mit einer Pennypfeife mit ihrem herrlichen Wohlklauge die Vorübergehenden zur Milde zu bewegen wußte. Welcher Virtuose kann sich ähnlicher Erfolge rühmen? * Aus New-Aork vom 10. Juli schreibt man der „N. Pr. Ztg.": Die Unsicherheit in den größeren Städten der Union, namentlich aber in New-Aork, nimmt infolge der noch immer andauernden Arbeits losigkeit in erschreckendem Maße zu. Am Hellen Tage oder in den frühen Abendstunden werben Männer und Frauen in belebten Straßen niedergeschlagen oder durch einen festen Griff au der Gurgel am Schreien behindert und ihrer Uhren, Schmuckgegenstande und Taschen bücher beraubt; gewöhnlich spotten die Verbrecher jeder Verfolgung. Wohl der ärgste Fall ist aber die Beraubung des Cassenbeamten Lasetra der 3. Avenue-Straßenbahncompagnie, dessen Geschäft es ist, an den unteren Halteplätzen das Geld von den Eonducteuren einzu- cassiren. Er saß Abends zwischen 8 und 9 Uhr, seine Handtasche mit etwa 150 Dollars auf den Knien haltend, i» einem Straßenbahn wagen, dem ein nicht weiter beachteter gewöhnlicher Geschäftswagen mit 5 Männern folgte. Als der m-t Passagieren vollständig gefüllte Bahnwagen eine weniger belebte Strecke der Avenue erreicht hatte, sprangen 4 der Männer von ihrem Wagen und auf die Hintere Plat« form des Bahnwagenö; 2 derselben hielten dem Conducteur die ge spannten Revolver vor den Kopf, während die anderen beiden Hrn. Lasetra mit den Kolben ihrer Revolver niederschlugen, ihm die Tasche entrissen, wieder auf ihren Wagen sprangen, eine Seitenstraße hinab jagten und anch glücklich entkamen. Alles war das Werk weniger Augenblicke. Und doch heißt es, wir hätten hier in New-Aork die beste Polizei der Welt. Nun zahlreich und auch theurer genug ist sie, aber mit ihren Leistungen sieht es übel a»S. Ja wenn ein recht großer Diebstahl, namentlich in nicht leicht unizusetzendeu Werthpapieren ge schehen ist und auf die Wiedererlangung eine recht hohe Belohnung gesetzt wird, dann ist gewöhnlich das Gestohlene, seltener der Dieb selbst, bald zur Hand. Kirchennachrichten von Zwönitz. vom. VIII p. 2'rin. predigt Vormittag Herr Neidhardt über Röm. 8, 12-17; Nachmittag erbauliche Betrachtung des Sonntagsevangeliums. Ehemnitzer Marktpreise vom 3. August 1878. weißer und bunter Waizen 11 Mk. 85 Pf. bis 11 Mk. 25 Pf. pr. 50 Kilo., gelber „ 10 35 pp pp 10 9» inländischer Roggen 7 20 pp „ 7 35 Braugerste 8 ,p — pp „ 8 50 Futtergerste « 50 SS ,p 6 75 Hafer 7 ,, — er p» 7 25 Heu 2 ,p — /p ,, 2 50 Stroh neue Kartoffeln 2 3 pp — »p ,p pp pp 2 3 pp 50 50 pp „ pp pp Butter 1 pp 95 2 40 p, „ 1 Kilo. Briefkasten. G. in Roßwein. Der „Moniteur für Zwönitz und Umgegend" wird regelmäßig von hier abgeschickt. Man bittet, die fehlenden Nummern künftig bei dem dortigen Postamte zu reclamiren. — Bei uns hier oben „Auf der hohen Alp" giebt es weniger Socialdemokraten, aber viel faule Wähler sogar Stadtverordnete und Theologen versagen dir Wahl. Brieflich mehr — Umu ja W0ÜV/.