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und namentlich groß war die Anzahl der in den Nachthimmel lodernden mächtigen Flamme» in der Dresdner Gegend. Ringsum so weit das Auge nur schaute, stiege» die Feuer von den Bergen der sächsischen Schweiz, von den Höhenzügen bei Pirna, Pillnitz, Dresden und der Lößnitz empor und mächtig wirkte das gebotene Schauspiel auf die zahlreichen Zuschauer mit denen die Bergspitzen und die sonst hochge legenen Punkte und Ortschaften besetzt waren. Schön nabm sich namentlich die Festung in ihrer hellstrahlenden farbigen Beleuchtung aus. Gemeinden und Corporationen schienen neben den Sektionen des GebirgSvereinS mit der Beleuchtung ordentlich gewetteifert zu haben, denn über Vas dreifache der Feuerslättten war zu bemerken als wie ursprünglich in dem herausgegebenen Programm angegeben war. Pirn». Ain 23. Juni früh ist der 2ljährige Kommis Oskar Claus aus Torgau, ohne von Jemand veranlaßt worden zu sein, in der Nähe des Basteifelsens den Berg hinabgeklettert, um einen vor mehreren Tagen dort heruntergefallencn Schirin sich zu holen und theils, um sich den Weg nach Rathen zu verkürzen, hierbei aber zum Fallen gekommen und dermaßen gestürzt, daß er dabei ums Leben ge kommen ist. Dies ist in kürzester Frist der zweite Fall, daß durch eine solche Wagehalsigkeit ein Menschenleben gefordert wurde. Hainichen, 26. Juni. Nachdem iu seiner am Sonnabend, den 22. d. M. staltzesimdenen Generalversammlung beschloß der hiesige Creditverein mit 225 gegen 50 Stimmen seine Auflösung. Das „Glauch. Tgbl." meldet aus Glauchau, 22. Juni: Der Weber und Slavtrath Schlesinger, Vorstand der hiesigen Genvsse»schaflS- buchdruckerei, in verein Verlage die socialdemokratischen „Glauchauer Nachrichten" erscheinen, ist heute Vormittag seitens des hiesigen Be zirksgerichts wahrscheinlich in Sachen der Artikel die „sinnlose Phrase" ebenfalls in Untersuchungshaft genommen worden. In dieser Ange legenheit befinden sich gegenwärtig in Haft: Handelöschnlbireclor Klemich, der Weber und Expedilionsvorslehcr Franz, der genannte Stadlralh Schlesinger und der Raedreher und Redacteur N. Kraut. Oelsuitz i. V. Seit dem 30. November v. I. ist für hiesige Stadt ein Regulativ zum Schutze des Publikums gegen den Genuß trichinenhalligen Schweinefleisches iu Kraft getreten. Wie nützlich dies war, beweist der Fall, baß von dem Trichinenschauer Or. mack. Schubert bei der mikroskopischen Untersuchung eines Schweines dasselbe am 23. Juni stark trichiueuhallig befunden und durch die hierauf von der Behörde sofort ungeordnete Vergrabung dieses SchweineSjede Ge fahr von dem Publikum abgewendel worden ist. Oschatz, 23. Juni. Gestern hatte unsere Stadt Festtag; denn Se. Maj. König Albert machte uns gelegentlich der vom Gewerbe- Verein veranstalteten Gewerbeausslellung einen Besuch. Wegen dieser Auszeichnung, die unserer Stadt zu Iheil wurde, wehten zahlreiche Flaggen in den Straßen; die Häuser waren alle bekränzt und mehrere Ehrenpforten errichtet. Nachdem der hohe Gast am Eingang der Neuen Straße vom Herrn Bürgermeister Walter namens der Stadt begrüßt worden war, fuhr er nach Ler Ausstellungshalle, wo er von den meisten ausgestellten Gegenständen eingehende Kenntniß nahm. Die Waaren aus den Fabriken von Ambr. MerlhauS, Kopp u. Haber land, F. W. Dorn, Georg Nüster, Wagner u. Sohn rc. schienen ihn besonders zu interessiren. Auch der sehr berühmte Sparhecrd von Schilbach (Firma Teuchert u. Co.) in Stauchitz, der für nur wenige Pfennige täglich gefeuert werden kann, wurde einer besondere» Be achtung für Werth erachtet, der Erfinder desselben halte darin eine Torte bereitet, welche mit nach der Residenz genommen wurde. Im Auöstellungsrestaurant nahm der König ein Frühstück ein, begab sich dann in die von der Wagenfabrik Gebr. Pfitzer arrangirle Ausstellung und dann ins Seminar. In der genannte» Fabrik begrüßten ihn die Arbeiter, und im Seminar die Schüler dieser Anstalt durch Gesang. Die Zeit war zwar kurz; aber dennoch nahm der König von allen Notiz. Ein letzter Besuch galt der MerthauS'schen Filzfabrik. Die Maschinen und Arbeiter waren in voller Thäligkeil und so konnte man die Fabrikation des Filzes vollständig verfolgen. Die simireiche Aus schmückung der Räume mit Laubgewineen und Teppichen aus Fil; und die Arbeiter selbst machten einen hochbefriedigende» Eindruck auf den Besucher. Vor der Abfahrt, welche I Uhr 35. Minuten mittelst Extra- zugeö erfolgte, geruhte Se. Maj. den Begleitern noch milzulheilen, daß es ihm hier gefallen habe und daß er hoffe, bald wieder zu kommen. Die Bürgerschaft ist darob sehr erfreut. Herr Ambrosius MerlhauS, dessen Arbeiter mit großer Liebe arbeile», weil sie es wirklich dort gut haben, gab dem Personale seiner Fabrik nebst Frauen und Kindern am Nachmittage ein Fest, das die Theilnehmer in dir. freudigste Stimmung versetzte. Doß unsere Ausstellung des hohen Besuches gewürdigt worden ist, dürfte ein neuer Beweis dafür sein, daß dem Lankherrn die Hebung der Industrie am Herzen liegt. Der Erbe von Syberg. Roman von Emil König. (Fortsetzung.) 18. Und jedes Heer mit Sing und Sang, mit Saitenspiel und Kling und Klang, geschmückt mit grünen Reisern, zog heim zu seinen Häusern, sagte Franz zu seinem Bruder, dem würdigen Pfarrer, als Beide dem Einzug der Truppen in der alten westphälischen Hauptstadt Münster beizuwohnen gekommen waren und auf einer der Tribünen den feier lichen Vorbeimarsch erwarteten. Franz hatte heute, zur Ehre des Tages, noch einmal den Rock des König« angelegt und contrastirte darin seltsam mit seinen nächsten Tribünennachbarn, meist protestantischen, bartlosen Geistlichen im schwarzen Anzuge und weißen Halsbinden. Sie mußten stundenlang auf ihren Plätzen in der stechenden Sonnenhitze warten, ehe der Parademarsch der heimathlichen Truppen erfolgte. Eben schritt eine junge Dame in Begleitung eines allen Herrn an ihnen vorüber, ihren Plätzen zu, welche der neben Franz sitzende Amtsbruder und Freund des Pfarrers, der Geistliche aus Elsey, ehr erbietigst grüßte. Der Greis und das Mädchen nahmen ganz in ihrer Nähe Platz. „Der alle Baron Egon von Namberg," flüsterte der elseyer Pastor, auf das Paar deutend. Man kann sich denken, mit welchem Interesse die Blicke Franzens und seines Bruders auf jenem alten Manne mit den starren Vor- urtheilen nud den unwandelbaren Grundsätzen ruhten, welcher ihrer Familie so tiefe Wunden geschlagen halte. Es war das erste Mal, daß sie ihn wiedersahen, seit jener Schreckens- und Schmerzensstunde an Mariens Todlenbelt. Sie erkannten ihn sogleich wieder, es war dasselbe harte Antlitz mit der stolzen Miene. Noch immer imponirle er durch seine feste, sichere Haltung und sein nicht unschönes Greisenanllitz. „Die Zeit scheint ziemlich spurlos au ihm vorübergegangen zu sein!" bemerkte Franz. „Nun, liebes Kind," hörten sie den Baron zu der jungen Dame sagen, „damit sich Dir die Eindrücke der großen Zeit, welche Du mit erlebt, »immer verwischen, und in ihrer ganzen Größe einprägen, sollst Du mich auch künftige Woche zu den Einzugsfeierlichkeiten nach Berlin begleiten." „Du bist wirklich zu gütig, lieber Onkel! Wie soll ich Dir solche Liebe danken!" rief das Mädchen erröthend. Ein Schimmer der Hoffnung tauchte in ihr auf, dort vielleicht jenen schmucken Garde offizier wiederzusehen, dessen Bild stets vor ihrer Seele stand. Kanoneuschläge erdröhnten, die Glocken läuteten, das Zeichen, daß die Truppenaufstellung außerhalb der Stadt beendet sei. Die Strahlen der Sonne sielen senkrecht hernieder; es herrschte eine unerträglich drückende Schwüle. Nur mit unsäglicher Mühe war es Franz gelungen, einen erquickenden Trunk von einem der fliegenden Restauraleurs zu erlangen. Eben wollte er seine Flasche Selters ent korken, als ihn die junge Dame flehentlich bat, doch ein Glas des erfrischende» Getränks ihrem Oheim abzugeben, der Plötzlich unwohl geworden sei. Trotz seines Grolles war Franz zu diesem Liebesdienste bereit und reicktte ei» volles Glas hinüber. Der Baron griff danach und führte eö mit zitternder Hand nach dem Munde, als er plötzlich den Arm ermattet sinken ließ und das Wasser verschüttete. Sein Ange traf das Auge Franzens und schien den Freund seines verstorbenen Uro zu erkennen. Gleichzeitig zog eine Todenblässe über das Antlitz des Greises. Er schien die Rechte erheben zu wollen; allein er ver mochte es nicht, sie sank erschlafft zurück. „Barmherziger Gott! Onkel, was ist Dir?" rief in größter Be stürzung das junge Mädchen. Der Baron bewegte die Lippen; aber kein Wort entfuhr seinem Munke, und Melanie fühlte mit Entsetzen seine Hand in der ihren erkalten. Franzens Auge haftete noch immer auf den Zügen des alten Mannes. Da gewahrte er, wie leise der Schatten des Todes über daö Gesicht dahinglilt und eine gewisse Milde au die Stelle der harten, strengen Züge zu zaubern schien. Der Blick wurde starrer und starrer; das Auge brach und seine Lippen flüsterten den Namen „Udo!" Melanie stieß einen Schmerzensschrei auö. Wirre Stimmen riefen nach einem Arzt. Bald drängte sich auch ein junger Meviciner durch die Menge; allein es war schon zu spät; an Melanie'S Seile saß eine Leiche. Ein Herzschlag hatte dem Leben des Barons Egon ein plötz liches, jähes Ende gemacht und war dadurch jede Sühne seinerseits seinem Enkel gegenüber unmöglich geworden. Das Ganze war das Werk weniger Minuten gewesen. Mau kann sich die Aufregung des auf der Tribüne versammelten Publikums und den Schmerz der jungen Nichte, welche noch immer ihren für die Truppen bestimmten Lorbeerkranz in der Hand hielt, mit welchem sie nun eines Todten Haupt schmücken konnte, und Lie Gefühle der beieen Brüver bei diesem so unerwarteten Verscheiden, vorstellen. „Attgüliger Himmel!" sagte Franz, „gerade in dieser Stunde und an diesem Ort, und wir — Zeugen seines TobeS!" „Darin erkenne ich den Finger Gottes. Da« ist die allwaltende Nemesis!" versetzte der Pfrrrer rrust. Und als man unter unbeschreiblichen Mühen den Todten durch die dichte Menge trug, da defilirien unter klingendem Spiele und mit wehenden Fahnen die ersten Truppen an der Tribüne vorüber.