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macht». Ich werde mich bemühen, Sie zu vergessen, — thun Sie dasselbe. Helene." August von Krafft ließ das Blatt zur Erde fallen und blickte den Freund theilnehmend an. ,Daö ist allerdings ein harter Schlag, lieber Fritz," sagte er nach einer lange» Pause. «Eines Anderen Braut!" sagte Fritz tonlos, „so viel Liebe, Mnth und redlichen Willen hingeworfe» wie ei» Spielzeug, einiger Vor urtheile halber." ES lag etwas in dem verzweifelnden Blick und Ton, was deS Freundes Herz zusammenschnürte, er mußte sich abwenden von dem verstörten Gesichte. Dann schob er seinen Arm in den des Freundes und zog ihn mit sich fori. „Sieh', Rainberg," sagte er, „weil sie Dich aufgab, wie ein un gezogenes Kind das Spielzeug wegwirft, deßhalb ist sie Deiner ein fach unwerth. Ich sage Dir gleich, das ist der härteste Schlag, der ein ehrliches Herz, wie eö das Deine ist, treffen kann, weil eine solche bittere Erfahrung leicht den Glauben an die Menschen zerstört oder doch mindestens sehr erschüttert. Und doch wünsche ich Dir von Herzen Glück zu dem Verluste; denn ein Weib würde Dich niemals glücklich gemacht haben, das so schnell und leicht solche zarte Bande und — nimm eS mir nicht übel — in solcher unzarten Weise lös'«. Als Unparteiischer muß ich Dir offen gestehen, die Zuneigung dieser Herzlosen galt mehr Deiner änßeren Stellung, Deinem Namen und Deines Großvaters Besitz, als deiner Person." Fritz schüttelte betrübt den Kopf. „Du weißt nicht, was Liebe ist, August," sagte er bitter, „wie kannst Du die Höhe ihrer Wonne und die Tiefe ihres Jammers be- urtheilen?" „Gott sei Dank dafür," entgegnete der Freund, „ich vermag cs immerhin nicht, mich für die Dame zu begeistern, die Dich so ganz ohne Kampf dem Vorurtheile g-opfert Hal." „Du weißt es ja nicht, wie sie gelitten und gekämpft haben mag, das arme, abhängige Mädchen, ehe sie dem Zwange des Vaters nach gab und endlich unterlag," versetzte er heftig. August von Krafft zögerte mit der Antwort, er wollte dem Freunde nicht wehe thun. Endlich sagte er, ihm den Brief hinhaltend: „Sich', da steht eS ja schwarz auf weiß: „Ich habe den Muth nicht finden können, meine» Later von unserer gegenseitigen Neigung in Kenntniß zu setzen." Also noch nicht einmal den Versuch Hal sie gewagt für Euer beiderseitiges Glück, und das nennst Du Liebe! Du bist in einem bedauerlichen Wahn befangen gewesen, die Liebe dieses Mädchens zu Dir war nichts als Täuschung." Fritz ließ wie gebrochen das Haupt auf die Brust sinken. Von Krafft aber fnbr fort: „Es ist besser, Du hast die Entdeckung vor, als nach der Hochzeit gemacht; später wärst Du unrettbar vorloren gewesen. Jetzt ist doch wenigstens Hoffnung vorhanden, baß Du Dich ermanue» wirst." Am andere» Tage fand August von Krafft in Fritzens Zimmer ein Blättchen, auf welches Fritz folgende Verse geschrieben Halle: „Leb' ewig, lebe ewig wohl, Es muß geschieden sein! Zieh' hin, zieh' hin, versteh' mich wohl, Laß' stehen mich allein! Gar mancher Banin im Walde steht, Von Stürmen umgcbengt, Ein Baum so ganz alleine steht, DaS Haupt zur Erd' geneigt. Die Stürme brausen um ihn her. Ein Hauch drang ihm in's Mark; Doch sieh', »och steht er, hoch und hehr, Verlassen zwar, doch stark. So leb' renn, leb' auf ewig Wohl, Ein Leben ungetrübt; Verzeih', verzeihe, daß ich so, Wie Keiner Dich geliebt! Leb' wohl und lösche, lösche ans, Mein traurig düst'reS Bild, Bald, bald wird dort im Bretierhaus, Dies kranke Herz gestillt. Ave nuninehr! Brich Harfe doch! Kein reiner Klang erscheint; Ich hatte eine Thräne noch, Ich hab' sie Dir geweint." August von Krafft stimmten die Worte, welche ein beredtes Zeugniß für den Gemüthszustand des Freundes ablegten, sehr traurig und er beschloß, Alles zur Heilung des kranken Herzens aufzubieten, was er irgend vermochte. Zunächst hoffte er auf die Zeit die viele Wunden heilt, und später viel von Zerstreuung durch anstrengende Beschäftigung. Da erhielt Fritz eines Tages den Besuch der Tante. Dieselbe errieth sehr bald den Herzenözustanv ihres Lieblings und gedachte mit Wehmuth der GemüthStiefe seiner verstorbenen Mutter. Das erfüllte sie mit Bangen und Besorgniß. Sie erkannte dankbar an, daß Herr von Krafft sie in das Geheimniß vou Fritzen» Herzensan gelegenheiten einweihte. Nunmehr machten die beiden Verbündeten gemeinschaftliche Ver suche, Fritz zu trösten, und August von Krafft erneuerte dieselben nach der Abreise der Tante täglich. „Ich mag nicht glauben," sagte er eines TageS, „daß Du den Leuten Dein Herzeleid merken lassen wirst; nimm Dich also zusammen thue eS meinetwegen, wenn Du etwas auf mich hältst. Du bist doch sonst ein ganzer Mann und hier läßt Du Dich durch eine Treulose verwirren, hier klagst Du um ein Mädchen, das Deins Liebe nicht verdient hat." Fritz sprang auf und ergriff in leidenschaftlicher Bewegung des Freundes Rechte. „Ich halte viel auf Dich," sagte er, „das weißt Du. Ich will mich bestreben, die Dinge mit Deinen Augen zu betrachten, allein ich muß das erst mühsam erlernen und das erfordert Zeit. Bis dahin meistere nicht an mir. Nach außen hin werde ich Dir und mir schon Ehre machen; aber daheim werde ich mir keinen Zwang anthun." Mit dieser Erklärung war der Freund zufrieden. Auch er habe eine recht unangenehme Nachricht erhallen, er zählte er Fritz dann. Sein aller Vater den er ja persönlich kenne, wolle sich wieder verheirathen und zwar mit einem kaum dreiund zwanzigjährige» Mädchen. Fritz war viel zu zerstreut, um sich nach dem Namen dieser zu künftigen Frau Generalin zu erkundigen und August von Krafft seiner seits halte ebenfalls niemals nach dem Namen der Angebeteten von Fritz gefragt. Daß Augusi's künftige Stiefmutter des Freundes treu lose Geliebte war, daö ahnte weder der eine noch der andere und ebenso wenig, daß diese Convenienz Heirath für Fritz und Melanie, wie auch für Helene und ihren Galten später so verhängnißvoll werren sollte. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Ein neunjähriger Muttermörder. Ein unerhörter Fall in der bisherigen Kriminalgerichtspraxis soll, wie dem „GoloS^ mitgelheilt wird, dieser Tage in Wulki, Gouvernement Charkow in Rußland, zur Verhandlung kommen. Ein neunjähriger Knabe ist angeklagt, seine Muller aus Rache umgebracht zu haben, weil sie mit einem fremden Menschen nähere Beziehungen unterhielt. Dem Gerücht nach hat der Mord in folgender Weise stattgefunden: Die Wittwe Pablschenko stand zu einem Beamten in intimen Beziehungen. Ihr Sohn ärgerte sich über solch eine Untreue der Mutter dem Andenken des VaterS gegenüber und machte ihr wiederholt Vorwürfe darüber. Selbstver ständlich kümmerte sich die Mutter nicht viel darum und setzte ihren Verkehr mit dem Manne fort. Empört über die Nichtbeachtnng seiner Worte, entschloß sich der Knabe dazu, die Mutter zu tödten. Vor her grub er im Keller eigenhändig ein Loch, um den Leichnam der Muller zu verscharre». Gei Nacht, als die Mutter eingeschlafen war, schlich sich der Unglückliche mit einem Beil zu ihrem Bett, aber ans Furcht, sie aufzuwecken, wollte er erst abwartcn, bis sein Opfer fester eiugeschlafen wäre. Die schwachen Nerven des Kindes hielten jedoch eine derartige Anspannung nicht aus und nach b Minuten war es selbst mit dem Beil in der Hand fest eingeschlafen. Lange schlief der Knabe in dieser Lage, bis die Mutter endlich bei Tagesgrauen erwachte. Man kann sich ihren Schrecken vorstellen, als sie ihr Söhn chen mit den, Beile in der Hand vor sich sah. Von ihr aufgeweckt wußte der Knabe jedoch den wahren Zusammenhang dieser sonder baren Situation zu verheimlichen. I« der folgenden Nacht schlich er sich nochmals zu der fest schlafenden Mutter und schlug sie diesmal mit einem Schlage seines Beiles auf dem Fleck todt. Nachdem er ras Verbrechen verübt hatte, schleppte er den Leichnam selbst in den Keller und vergrub ihn daselbst. Die Vertheibigung des Knaben hat der Professor des KriminalrechteS, Professor Wladimiroff, übernommen. * Ein blinder Passagier. Den merkwürdigsten Passagiersitz oder vielmehr ein Lager, wie es bis jetzt noch nicht benützt worden ist, Hal Jemand kürzlich ans der Thüringer Bah» gesucht und gefunden. Auf dem Bahnhofe in Eisenach faxten die Wagenrevisoren beim Eintreffeu des Nacht. Schnellzuges einen Mann, anscheinend dem Handelsstande angehörcnd, welcher die Fahrt ven Erfurt bis Eisenach unter dem einen Personenwagen, auf den eisernen Bremsstangen liegend, mitgemachl hatte. Bedenkt man die rasende Geschwindigkeit, mit welcher dieser Zug fährt, und die heftigen Schwankungen, welchen diese Wagen, namentlich in den Curven, ausgesetzt sind, so muß man sich über den glücklichen Verlauf dieser Fahrt wundern. * Berlin. (Einer, der lange warten kann.) Als beim Beginn der dritten Sitznng des Kongresses die Schutzleute die Passage mit gewohnter Strenge frei zu halten suchten, fiel ihnen ein junger Berliner auf, welcher hartnäckig immer wieder an das eiserne Gitter zurückkehrte. „Aber, was suchen Sie denn hier eigentlich?" herrschte ihn ein Schutz mann an. „Ich warte hier auf Jemanden," war die Antwort. „Auf wen denn?" „Na, auf den Frieden. Der muß ja hier raus kommen."