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über ihr Berhältniß zu Fritz tiefes Schweigen. Wie die Sachen eben standen, konnte von einer Verheiralhung, ober auch nur einer Ver lobungsanzeige, vor der Hand keine Rede sein; sie hätte sich dadurch ja auch ihre Aussichten auf Anknüpfung eines neuen vortheilhafteren Verhältnisses verdorben. Lösen mochte sie ihre Beziehungen zu Fritz indessen auch noch nicht; sie war klug und schlau und wollte sich dies Berhältniß sür alle Fälle rescrviren. Daß Fritz das Recht seiner Geburt nicht bestritten werden könne, wußte sie wohl; aber sie wünschte auch daS Schloß und die Neichlhümer des alten Barons Ego» der maleinst durch ihn zu erlangen. Ihr künftiger Gatte sollte die Stellung seiner Vorfahren in der Gesellschaft einnehmen. Das beste Mittel, dieses Ziel zu erreichen, war nach ihrer Meinung, nur eine Aus söhnung mit dem Großvater, der, ein Achtzigjähriger, trotz seiner eisernen Gesundheit, doch nicht allzulange mehr leben konnte. Eine große Hoffnung hatte sie darauf gesetzt, als Gesellschafterin seiner Großnichte in sei» Haus zu kommen. Dort wollte sie alle ihre Liebenswürdigkeit und Gewandtheit aufbieten, um den alten Herrn für ihre Pläne zu gewinnen. Allein der weltersahrene Freiherr hatte Helene nur zu gut durch schaut, und sie hatte mit ihrer Meldung nur erreicht, daß sich seine Abneigung gegen Fritz erhöhte, den er im Eomplott mit ihr handelnd glaubte. Kurz und bündig halte Baron Egon Helenens Anerbieten zurückgewiesen. Durch daS Fehlschlägen dieser Spekulation Halle ihre üble Laune eine so bedenkliche Höhe erreich!, daß sic dem Baler geradezu unleidlich wurde. Dem ehrlichen Charakter desselben waren ihr Leichlsinn und ihre Unbeständigkeit in der Seele zuwider. In diesem Moment hegte sie allerdings cen Wunsch, dem Vater- feine Fürsorge durch Aufmerksamkeiten zu danken, und sie enlwarf auch schon Pläne, wie das geschehen sollte, als sie von der alten Caroline, des Balers langjähriger Haushälterin, mit der Meldung unterbrochen wurde, der General von Krafft sei soeben cingelroffen. Hocherfreut eilte Helene hinab. Sie halte sich stelö des gnlherzigcn Mannes erinnert, an dessen Hand sie, noch halb ein Kind, in die Welt und Gesellschaft getreten war, sowie des Aufenthalts in seinem Hause. Der Glanz und Schimmer, den sie dort kennen lernte, halte ihr Auge geblendet und sie für den Prunk empfänglich gemacht. Seitdem hatte sie sich, allerdings in abhängigen Stellungen, an Pracht nnd Luxus noch mehr gewöhnt. Die Freude über den Besuch Halle daS Noth auf die frischen Wangen getrieben. Sie sah wahrhaft reizend und einnehmend aus. als sie in'S Zimmer trat, wo ihr der General entgegeneilte, sie wie seine eigene Tochter in seine Arme schloß und ihre rosigen Lippen küßte. Der General von Krafft zahlte zwar nahezu sechszig Jahre, er war aber immerhin noch ein recht stattlicher Herr, ter, wozu nament lich seine militärisch stramme Haltung beitrug, beteutend jünger erschien, als Herr von Gymnich. Er war eine jener glücklichen Ralnren, deren Gemüthsrnhe fast nie und durch nichts ans dem Gleichgewicht gebracht wurde. Außerdem Halle ihm ein gütiges Geschick Sorgen und Kummer so ziemlich zeitlebens fern gehalten. Der Tod feiner Gemahlin war fast das einzige liefere Leid, welches er seither erfahren halte. „Das ist ja prächtig, meine herzige Helene, daß ich Sie auch hier finde," rief er in seiner aufrichtig gemüthsvollcn Weise. „Mich wundert nur, daß der Vater sie immer so leichten Kaufs aus dem Hause gehen läßt." Herr von Gymnich lächelte ironisch. „ES wäre ja die reine Selbstsucht," bemerkte er, „das arme Mädchen hier zu behalten. Für mich, mein aller Freund, reicht die alle Caroline aus!" In Helenens Zügen malte sich eine leichte Verlegenheit, das Be wußtsein ihrer Schuld. „Es ist gut", sagte sie, „daß der Vater in Carolinens Händen gut aufgehoben ist: ich kann mich in Folge dessen um so besser an fremde Leute gewöhnen, da mein LooS doch nun einmal sein wird, stets unter Fremden zu leben." Der freundliche General streichelte ihr mitleidig die Wangen. „Sie wissen, Helene," Hub er dann wieder an, „ich bin jetzt allein in meinen verödeten Hanse, ich kann Ihnen darin zur Zeit das nicht bieten, waö Sie sonst ersrente; allein ich möchte Sie koch gern wieder in meiner Nähe haben und verhindern, daß Sie sich im Kreise fremder Menschen bewegen und deren Grillen ertrage» müssen. Meine Tochter wird mich voraussichtlich im Winter mit ihrem Manne nnd Kinde in Köln besuchen und ich glaube, eine Gesellschaft, wie es die Ihrige ist, müßte sür uns an dem fremden Orte sehr erwünscht sein. Sie sind wie für mein Haus geschaffen. Kommen Sie alsbald wieder zu mir." Helene schlug entzückt in die dargebotene Rechte des Generals. Alles Leid war vergessen und eine Reihe glänzender Bilder entrollte sich vor ihrem Auge wie mit einem Zauberschlage. „Bei Ihnen möchte ich immer bleiben," versicherte sie aufrichtig. Der General lachte und schaute dann sinnend vor sich hin. Endlich sagte er: „Was meinst Du, Gymnich, willst Du mir Vatcrrechte über Deine Tochter eiuräumen? Ich glaube, wir werden Beide mit einander zufrieden sein. Ich fürchte nur, der Schmetterling fliegt mir eines Tages wieder davon." „Niemals, nie," betheuerle Helene, „um den Preis, stets bei Ihnen sein zu dürfen, würde ich mich niemals verheirathen; ein schöneres Loos, als bei Ihnen, Herr General, vermag ich mir gar nicht zu denken!" (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Ueber das Augenleiden des verstorbenen Königs von Hannover wird der „Voss. Ztg." von wohlunterrichteter Seite Folgendes mit- getheilt: Der Prinz Georg von Cumberland, als König Georg V., mar bereits auf einem Auge blind geboren. Das andere Auge schlug er sich als Kind beim Spielen mit einer Geldbörse aus. Die Operation des ersteren Auges sollte erst in seinen Jünglingsjahren vorgenommen werden und zwar von dem damaligen berühmten Augenärzte General stabsarzt Professor Or. Gräfe (oem Vater des berühmten Operateur A. v. Gräfe). Dieser behandelte deshalb als Leibarzt der Familie Cumberland den Prinzen in Berlin, bis derselbe im Sommer 1837 Kronprinz von Hannover wurde. Als nun im Sommer 1840 die Operation in Hannover nicht länger aufgehoben werden sollte, reiste v. Gräfe mit Extrapost dahin, erkrankte aber auf der Hinreise und starb nach ein paar Tagen in einem Gasthofe daselbst. Einige Woche» später wurde Professor Jäger der Aeltere aus Wien nach Hannover berufen. Er nahm die Operation wirtlich vor, jedoch bekanntlich ohne Erfolg. * Hebung des „Großen Kurfürst". Mr. John Dikon, der her vorragende englische Ingenieur, welcher unter Anderem die Nabel der Kleopatra nach England brachte, macht in der „Times" den Vorschlag, die Hebung des „Großen Kurfürst" nicht von der „unsicheren Plat- form eine« schwimmenden Pontons aus," wie man vergeblich bei dem englischen Panzerschiffe „Vauguard" versucht Hal, zu unlernehmen, sondern durch Errichtung eiserner Zylinder rings um den gesunkenen Koloß. „Einige wenige eiserne Zylinder, die auf dem Boden an jeder Seite des Wracks ruhen und auf ihren Spitzen eine starke Platform tragen, stellen die Lösung der Schwierigkeit in Aussicht. Solch' ein Gerüst könnte leicht und billig hergestellt und vermöge seiner Schwimm fähigkeit an Ort und Stelle geflößt werden, wo man die Zylinder rings um bas Wrack niederlassen könnte. Die Platform, 10 oder 15 Fuß über der Meeresflächc erhaben, würde außer Bereich der Wellen sein und Platz für bas Maschinenwerk und die hydraulischen Presse» gewähren, durch welche allein solche Gewichte, wie die eines gesunkenen Panzerschiffes mit Sicherheit gehandhabt werden könnten, während Röhren innerhalb der Zylinder, eie sich nach außen in der Nähe des Meeresbodens öffnen müßten, völlige Sicherheit für beständige Taucher- Operationen gewähren würden. Es muß nicht vergessen werden, daß man nur 20—30 Fuß von der Oberfläche abwärts res Wassers denr Wellenschläge und den Flulhströmuugen ausgesetzt ist. Pontons werden nie den „Vanguarv" heben, ebensowenig wie sie es bei der „Eurybice" vermochten, aber ich bi» sicher, daß die von mir vorgeschlagenen Ein richtungen daö deutsche Panzerschiff in wenigen Monaten flott machen und dann für den „Vanguarv" verwendbar sein würden." * Der Niesen Ballou, an welchem in Paris gearbeitet wird, geht seiner Vollendung entgegen. Dieses Ungethüm ist dazu berufen, die größte Sensation und Altraclion auszuüben. Sein Umfang be trägt 20,000 Q Mlr., seine Höhe 68 Meter, sodaß er schon aus dem Boden liegend beinahe die Tbürme von Notre Dame erreicht und den Arc de Triomphe um die Hälfte überragt. Sein Gewicht ist ohne Füllung 1500 Kilogramm. Dieser Ballon wird auf einmal 100 Lust fahrer aufuehmen können, nämlich 60 in dem Hauptschiffe und je 20 in zwei kleineren Schiffen. * Hinrichtung. Am 14. d- M. früh erfolgte in Weimar im Hofe beö Gefängnisses die Hinrichtung des Langlotz, der -im August v. I. mit seinem Vater einen vierfachen Mord an den Bewohnern der Vogelsberger Mühle ausgeübt, einen Doppelmord versucht und eie Mühle in Brand gesteckt hat. Der Vater hat sich bald nach Ein leitung der Untersuchung selbst entleibt. " Ein Fall urwüchsiger Loyalität ist aus Oberickelsheim in Unter franken zu berichte». In einer Wirlhschaft äußerte sich ein Fleischer bursche über die Mordversuche gegen den Kaiser in einer Weise, die den gut deutsch gesinnten Wirth entrüstete. Der letztere aber nahm die Strafrechtspflege in seine eigene Hand; er versetzte dem Sprecher mit de» Worten „im Namen des Kaisers" eine derbe Ohrfeige, ließ sofort eine zweite „im Namen des Königs von Baiern" folgen, faßte den Bursche» dann am Kragen und warf ihn unter Beihilfe einiger Bürger ,.im Namen des deutschen Volkes" zum Hause hinaus. * Aus London wird geschrieben: „In' hiesigen Aquarum ist ein an der Küste von Labrador gefangener, I3'/r Fuß langer Walfisch angekommen. Den See- und Eisenbahntransport hat er anscheinend glücklich überstanden. Freilich wurde dabei die größte Sorgfalt be obachtet. Er war in eine Kiste, die mit Seetang gefüttert war, ver packt, und vier Mann lösten sich Tag und Nacht darin ab, den Ge fangenen mit frischem Seewasser zu begießen." * Explosion einer Granate. Am 14. Juni Nachmittag verunglückten sechs Personen in GrieShain durch Zerspringen eiuex Granate, die auf dem dortigen Exerzierplatz gefunden worden war und