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glieder eint« Vergleich mit ähnlichen unglückseligen Vorkommnissen anderer Städte gar nicht zuläßt, ist die Stadt durch einen ihrer an gesehensten Bürger, durch einen Mann, der das unbegrenzte Ver trauen seiner Mitbürger genoß, gebracht worden, durch einen Mann, der herzlos genug gewesen ist, jahrelang an dem Ruin seiner Mit bürger zu arbeiten und der seine besten Freunde om gröblichsten und empfindlichsten geschädigt hat. Hoffen wir, daß in der jetzt anbrechen den Zeit der Noth der gute Sinn der Bürgerschaft Roßweins die Oberhand behält, jener Sinn, der eS nicht hält mit dem Wort: Noth kennt kein Gebot, sondern mit dem: Noth lehrt beten. Ein Schornsteinfegerlehrling in Leipzig stürzte mit einem Theile eines EsseukopfeS, auf welchem er sich gesetzt hatte, herab und blieb auf der Stelle todt. In Burkhardtsdorf erhängte sich am 23. v. der Schulknabe Ulrich im Alter von 10—11 Jahren im nieder» Theile des OrleS (die sogenannte Hölle) auf dem Oberboden. Oschatz, 24. Mai. Heute wurden im hiesigen Bezirksgericht die Entscheidungsgründe, welche bei Berurtheilung des NillergulSpachler Möller in Obernitzschka und des Fleischers Richler in Wurzen maß gebend gewesen sind, öffentlich bekannt gegeben. Nach Darlegung des ganzen Sachverhaltes und Vortrag der auf Grund von H 222 Abs. 1 und 2 und 8 230 Abs. 1 und 2 des Neichöslrafgesetzbnches ver hängten Strafen erklärte der Angeklagte Richter, daß er wegen der Höhe des Strafmaßes Berufung einlege. Der Angeklagte Möller war nicht anwesend, weil er nach Erhöhung der bereits früher erlegten Caution von 18,000 M. einstweilen nach Hause entlassen worden ist. — Ein bedauerlicher Unglücksfall hat heute den Sohn des Gasthofs besitzers Bochmann hier betroffen. Derselbe fiel so unglücklich von der Scheune herab, daß er sich sehr bedenkliche Verletzungen zuzog. Da die Aerzte den Bruch des Hinteren Schädels constalirt haben, so dürfte wenig Hoffnung auf Genesung vorhanden sein. In Schloßchcmnitz spielte sich vorgestern Abend eine aufregende Szene ab. Ein in Chemnitz wohnhafter Kartoffelhändler kam Abends 6 Uhr in das HauS des Bäckermeisters Macht an der Leipzigerstraße, hat da selbst seine von ihm geschiedene Ehefran aufgesucht und auf die Letztere, welche sich dort im Waschhause befunden, aus einem Doppelterzerol einen Schuß abgefeuert, dann aber auf sich selbst geschossen. Die Frau, welche sich im Augenblicke deö Schusses gebückt, ist unverletzt geblieben, der Mann hat sich aber zu Boden geworfen und besinnugS- los gestellt, es wurden jedoch an demselben keine Verletzungen wahr genommen. Später stellte sich heraus, daß der Mann, welcher gänzlich herabgekommen und dem Trünke in höchsten Grade ergeben ist, am Säuferwahnsinn litt. Derselbe ist an das städtische Krankenhaus ab gegeben worden und dort gestern Nachmittag verstorben. Aus Ostheim (Eisenacher Oberland) wird telegraphisch der Aus bruch eines furchtbaren Feuerö gemeibct. Die Kirche steht in Flam men, das Feuer hat sich über 40 Häuser verbreitet. Der Erbe von Syberg. Roman von Emil König. (Fortsetzung.) Es war übrigens die höchste Zeil, daß Franz die Zügel der um fangreichen Wirthschast in seine kräftigen Hände nahm. Die Gesund heit seines Bruders Heinrich ging mit Riesenschritten ihrer Auflösung entgegen, er war den Anforderungen seines ausgedehnten Geweses längst nicht mehr gewachsen. Von Woche zu Woche wurde der Freischulte stiller und in sich gekehrter; völlig gleichgültig und abgestumpft mit der Außenwelt, ver kehrte er nur noch mit seinen Geschwistern und seinem Enkel und ver weilte mitunter an den Gräbern seiner Lieben. Aber auch diese Be suche wurden immer seltener und hörten zuletzt ganz auf; eine schwere Krankheit fesselte ihn an's Krankenlager, und als der Frühling kam, fühlte er sein Ende nahen, und er sah ein, daß er nunmehr sein HauS bestellen müsse. Im Einverständniß mit seinen Brüdern vermachte er seine sämmtlichen Besitzungen dem kleinen Fritz, seinem Tochlerkinbe, und ernannte Franz, eventuell den Pfarrer bis zu dessen Mündigkeit als Verwalter derselben. Auch der Pfarrer und Franz, obwohl Beide noch völlig rüstig waren, testirten zu Gunsten ihres Neffen. Bald nach diesen letzlwilligen Verfügungen erlöste ein sanfter Tod den braven Freischulten von seinen langen Leiden. Seinem Wunsche gemäß begrub man ihn neben Marie und seiner ihm längst vorange- gangenev Gattin. Auf dem Schultenhofe nahm unter Franzens Leitung Alles in allgewohnter Weise seinen Fortgang. Fast jeden Abend ritt der „Lieutenant" hinüber nach dem Pfarr hause, um nach seinem Liebling zu sehen, der ihm und den Pflegeellern große Freude machte. Es war ein bildschöner, gutherziger Knabe, begabt mit außerge wöhnlichen Anlagen und Fähigkeiten, die zu wecken und auszubilden, sich der Pfarrer mit innigster Hingabe unterzog, während dessen Gatlin, die gute Tante, den segensreichsten Einfluß aus das weiche, empfäng liche Gemüth des Kindes ausübte. Bald hatte sich der kleine Fritz an die Besuche des Onkels gewöhnt und sprang ihm Abends entgegen. Und wenn dann der Lieutenant gar abstieg und ihn herzte und auf das Pferd setzte, dann jubelte das junge Reiterblut hoch auf. So verging der Sommer. Bei'm Herannahen des Herbstes richtete der Pfarrer eines Abends die Frage an den Bruder: „Wie ist es Franz, wirst Du mich in diesem Jahre auch einmal wieder nach Elsey, zum Besuche meines alten Freundes und AmtS- bruders begleiten?" „Gewiß, gern!" entgegnete dieser. Wir nehmen doch aber unsern Kleinen mit, damit er sich wenigstens aus der Ferne daö Schloß seiner Ahnen ansehen kann, wo sein armer Vater beigesetzt ist?" setzte er mit einem leisen Anflug von Spott hinzu. „Allerdings!" antwortete der Pfarrer. Es blieb bei der Verabredung und die Brüder reisten mit dem Neffen zur Kirchmeß nach Elsey. Wieder saßen sie unter der schattigen Eiche an der Grenze des Festplatzes; wieder stießen sie wie vor Jahren mit einander an unv gedachten mit Wehmulh der Freunde, die damals noch fröhlich unter ihnen weilten. Franz insbesondere erinnerte sich jener Stunde, wie er mit Marien dahingeschrillen und Udo aus dem Wagen gesprungen war und ihnen hocherfreut die Hände gereicht hatte. Es ward ihm so weich, so weh um's Herz. Er erhob sich und ging, den Knaben an der Hand führend, dem Tanzzelte zu; es war dieselbe Strecke, die er einst mit seiner Nichte wandelte, als ihm Udo begegnet war. Und, als sollten seine Erinner ungen Leben und Gestalt annehmen, rollte ein Wagen daher, den er als denselben erkannte, in welchem einst Udo gesessen hatte. Derselbe Kutscher befand sich auf dem Bocke, derselbe Diener auf dem Rücksitze. Auch dieselbe Dame schaute aus dem Innern des Wagens; nur war sie jetzt allein. Wieder hielt die Kutsche an derselben Stelle, wieder öffnete der Diener den Schlag; diesmal aber stieg die Dame heraus und eilte auf Fran; zu. „Verzeihen Sie, mein Herr!" redete sie ihn an, „irre ich nicht, so sind Sie der Freund und Lebensretter eines mir so theuren Tobten!" „Mein Name ist Bispling," sagte der Lieutenant, sich ehrerbietig verneigend. „Ganz recht!" entgegnete die Dame, „es ist ganz an derselben Stelle, an welcher Sie und Marie vor Jahren zur Kirchmeß Udo begrüßte." Sie brückte ihr feines gesticktes Tuch vor die Augen. „Sie trugen damals noch de» Nock des Königs, Herr Lieutenant," fuhr sie fort. „Und heute trage ich das Ehrenkleid des freien, unabhängigen Mannes," sagte Franz, stolz lächelnv auf seinen blauen Kittel beutend, den er nach Art der Landleute der Soester Börde über seinen sonst nicht unmodernen Anzug geworfen hatte. „Und trügen meine Ahnungen nicht, so ist der schmucke Knabe hier Mariens Kind?" „So ist es!" versetzte Franz. „Komm' her, Fritz," rief er dem Kleinen zu, der sich während des Gesprächs mit des Onkels Hund zu schaffen gemacht hatte. „Reiche dieser Dame die Hand." Der Knabe schaute das Fräulein mit seinen schönen tiefblauen Augen groß und fragend an und reichte ihr seine kleine zarte Hand. „Wie heißt Du?" fragte er. „Anna heiße ich, mein süßer Knabe," antwortete die schöne Dame und streichelte sanft des Knaben goldene Locken. „Ich wohne auf dem Schlosse Deiner Ahnen und bringe Dir Grüße von Deinem Papa." Sie neigte sich, eine Thräne im Auge, über den Knaben und küßte ihn zärtlich. Ich bi» Ihne» eine Erklärung schuldig, Herr Lieutenant," wandte sich Anna dann an Franz. „Damals, als ich, dem Drange meines Herzens folgend, an Mariens Sarge erschien, als man mich lieblos hinwegstieß, hatte ich nur den einen Wunsch, das Kind bisweilen wieberzusehen. Mir ahnte, daß das heule gelingen werbe. Ich bildete mir ein, Sie müßten wieder wie vor Jahren, auf der Elseyer Kirch- mcß sein und hoffte, den Knaben in Ihrer Begleitung zu finden. Wie freut es mich, daß mich meine Vermulhungen nicht täuschten! Gottlob, daß jene Tante nicht zugegen ist, die mir durch Ihre Vor urtheile so weh gethan hat und jetzt das lange Verweilen deö Knaben bei mir nicht dulden würde." „Sie müssen das, mein gnädige« Fräulein, meiner braven Schwägerin schon zu Gute halten," entschuldigte Franz, „sie war der armen Marie eine zweite Mutter und hat unter ihren Schicksalen un säglich mit gelitten." „O, könnten die Todten reden I Sie würden Ihnen beweisen, daß ich keinen Theil an all' dem Herzeleid halte, daß Marien und Ihrer Familie zugefügt worden ist," versicherte Anna. „Mir gegenüber bedarf eS der Betheurung Ihrer Unschuld nicht," entgegnete Franz, „ich weiß es, daß Ihnen der Verstorbene wie einer Schwester zugethan war und das ist wir genug!"