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sondern nur Vorsichtsmaßregeln getroffen; ein Chauvinismus existirte in England nicht, welche« nur fiir große Prinzipien den Krieg führen würde. Die Negierung sei entschlossen, an ihren bisherigen Prinzipien sestzuhalten. — Aus Bombay wird die Abfahrt des ersten ExpeditionS- korpS gemeldet; weitere Regimenter erhalten die Einschiffungsordre. Die Expedition nahm fünfmonatlichen Proviant mit. — Der „Advcr- sifer" erfährt, die Verhandlungen über den gleichzeitigen Rückzug der Russen und Engländer aus der Umgebung von Konstantinopel machten wesentliche storlschritte; es werde auf guten Erfolg gehofft. Dagegen meldet ein Telegramm der „Times" auö Petersburg, daß keine merk lichen Fortschritte bisher gemacht wurden; zumal die direkten Besprech ungen kaum begonnen hätten. Petersburg, 29. April. Die „Agence Russe" meldet, das Bcsinden Gortschakoff's sei ein besseres, doch hindere die Schwäche und gichtisches Leiden oen Reichskanzler noch an der Wahrnehmung der Geschäfte. Zur Orientfrage. Die Ereignisse rücken nicht von der Stelle. Sehr eifrig wird die Frage besprochen, ob Deutschland seine BermiltclnngSversuche aufgegebcn habe, oder nicht. Cs unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Deutschland dies nicht gelhan hat nnd trotz der immer schwieriger sich gestaltenden Verhältnisse nicht eher von seiner friedlichen Einwirkung absehcn wird, als es durch Thatsachen von der Vergeblichkeit derselben überzeugt sein wird. Das österreichische Finanzministerium hat vergangenen Sonnabend beschlossen, den zu Kriegszwecken bewilligten Credit von 60 Millionen sofort zu realisiren uns geht man in Wien mit dem Plane um, die Besetzung Bosniens endlich in Vollzug bringen zu lassen. Die so bekundete Energie des Grafen Andrassh dürfte auf Vie neuesten Ab machungen niil Rußland zurückzuführen sein, von welchem behauptet wird, daß sie zu einer vollständigen Einigung geführt haben. Sollten diese Behauptungen auf Wahrheit beruhen, so dürfte dem Fürsten Gortschakoff die Vereinzelung Englands bereits gelungen sein. Der Ausstand in Bulgarien und Numelien breitet sich immer mehr aus; auch in Thracien sollen sich 25000 Muhamedaner erhoben haben nnd man fürchtet, daß sich in Macedonien auch die Griechen dem Aufstande gegen Rußland anschließen werden; die Russen werden einen Tbeil ihrer asiatischen Armee nach Numelien bringen, um den Aufstand zu dämpfen. Die Insurgenten sollen ein russisches Lager überrumpelt und vier Geschütze nnd ein" Menge Munition erbeutet, auch eine große Anzahl Gefangener gemacht haben. Die Nachricht, daß ein Vertrag zwischen Rußland und England zu Stande gekommen sei, wonach die Russen ihre Truppen bis Adrianopel und die Engländer ihre Flotte bis an vie Dardanellen zurückziehen sollten, hat sich bis jetzt noch nicht bestätigt. Norwegen. Aus diesem sonst so stillen Lande kommt die Nachricht von einer, allerdings kchon wieder beschwichtigten Rebellion. In der Hauptstadt Christiani« ging nämlich das unbegründete Ge rücht um, daß sich mehrers größere Fabrikanten zum Zweck einer allgemeinen Lohnherabsetzung mit einander verbunden hätten, worauf anfänglich kleine Zusammenrottungen von Arbeitern stattfanden, die die Polizei zerstreute. Bald aber stieg die Zahl der Tumultuanten auf viele Tausende, welche die gegen sie anrückenden Polizisten zurück- nieben und saft sämmtlich verwundeten. Einer herbeicilenven Es- tadron Kavallerie gelang es erst nach längerem Kampfe, die Ruhe störer zu zerstreuen. Auch am Tage darauf entspann sich nochmals -"in heftiger Kampf zwischen den erregten Volksmassen und dem Militär, so daß eine förmliche Schlacht geschlagen wurde, die mit der Besiegung der Meuterer endete. Die Anzahl der Verwundeten und Arretirten ist eine sehr beträchtliche. Mmlrs mrö Sächsisches. Zwöuitz, l. Mai. Wir bringen in Erinnerung, daß mit dem 1. Funi d. I. folgende Münze» werthloS werden: l. die Einsechstel- Thalerstücke (5 Gr.-Slücke) deutschen Gepräges, 2. die Vs-, V»- und -^Thalerstücke landgräflich hessischen und kurhessischen Gepräges, die auf Grund der Zehntheiluug des Groschens geprägten Zwei- Pfennigstücke unv die auf Grund der Zehn- und Zwölftheilung des Groschens geprägten I-Pfennigstücke (Vs-, ^io-, Vis.Groschenstücke), 4. die nach dem Marksystem ausgeprägten 5-, 2- und 1-Pfennigstücke mecklenburgischen Gepräges. — Ein seltenes astronomisches Ereigniß ist am 6. Mai d. I. zu erwarten. Der unserer Sonne nächste bekannte Planet Merkur wird als kleiner dunkler Punkt an der Sonnenscheibe vorüberziehen — eine Erscheinung, welche zuletzt am 5. November 1868, und späterhin, der übereinstimmenden Berechnung zufolge, erst wieder am 8. November 188k Vorkommen wird. Nach einer Notiz der „Academy" wird der Planet nm 3 Uhr 12 Minuten Nachmittags (Greenwichzeit) mit der Sounenscheibe zuerst in Berührung kommen und 3 Minuten darnach ans dieselbe seinen Schatten zu werfen beginnen. Erst nach Sonnenuntergang wird er seinen Durchgang von der Sonne völlig zurückgelegt haben. Es verdient zugleich hier bemerkt zu werden, daß der Merkur, sonst wegen seiner unmittelbaren Nähe bei der Sonne nur spärlich in Sicht, gerade gegenwärtig in günstiger Situation nach Sonnenuntergang am westlichen Horizont mit bloßem Augen sich beobachten läßt. Dresden, 29. April. König Albert hat den Herzog von Alten» bürg zum Chef des ersten sächsischen Jägerbataillons ernannt. — Wie nachträglich der „Dr. Anz." meldet, hatte Se. Majestät auf geschehenes Ansuchen bei der am Tage der Feier seines 50jährigen Geburtstages stallfindenden Taufe des siebenten Sohnes des Guts» besttzerS und Gemeindevorstaudes Lange in Flößberg bei Borna die Pathenstelle übernommen. Se. Majestät hatte sich bei der Tanfhand- lung durch Herrn Amtöhauptmann 1)r. Spann in Borna vertreten lassen, welcher zugleich der Ueberbringcr eines kostbaren königlichen Pathengeschenkes war. Chemnitz. Freitag Abend gegen 7 Uhr ist in den Localitiiten der Frau geschiedenen Thiergen, Bernsbachstraße hierselbst, ein Ver brechen begangen worden, wie es jetzt leider nur zu oft vorkommt, ein Doppelmord, welchem folgende Ursachen zu Grunde liegen: Ein Mann, Namens Graichen, gebürtig aus Geithain, wohnte bei der geschiedenen Thiergen uud fungirte bei derselben als Geschäftsführer. Hierdurch war zwischen dieser Fran uud dem Letztgenannten ein engeres Verbältniß entstanden nnd Graichen, dem der flotte Geschäfts gang und die damit verbundene Tageseinnahme gefallen haben mag, dachte nunmehr ernstlich daran, sich mit seiner Auscrwähltcn, Frau Thiergen, ehelich zu verbinden, fand aber bei derselben gegen dieses Vorbaben nicht geringen Widerstand und erhielt die Entgegnung, daß er sich lieber gegen eine Entschädigung von 1000 Mark (welche nach erfolgter Thal noch auf dem im Zimmer stehenden Tische lagen) entfernen möge. Graichen ist damit nicht einverstanden gewesen unv ist es hierdurch zum Zanke und schließlich zum Kampfe gekommen, bei welcher Gelegenheit Graichen einen sechSläusigen Revolver ge» zogen und 5 Schüsse auf die Tbiergen abgefeuen hat, von denen sie einer in die Backe und einer in die Hand traf (ihre Verwundung soll lebensgefährlich sein). De» 6. Schuß aber brachte sich Graichen selbst bei unv schoß sich in den rechten Schlaf, in Folge dessen er auf dem Transporte nach dem Krankenhause verstarb- Die königl. AmtShauptmarmschaft in Großenhain hat sich ver anlaßt gesehen, die für den Gerichtsamtsbezirk Großenhain bereits bestehende Anordnung, daß alle Schankstätten Sonnabends nm 10 Uhr, an allen übriacn Tagen aber um 11 Uhr Abends zu schließen sind, für ihren ganzen Verwaltungsbezirk in Wirksamkeit zu setzen. Der Fremdenverkehr in den Eisenbahnrestanralionen und die öffentlichen Tanzmusiken werden durch diese Anordnung selbstverständlich nicht betroffen. In Burgstädt nahm sich am 27. d. der Photograph Wilhelm Patzsch in der Nähe seiner Wohnung durch Chankalinm das Leben. Zerrüttete Vermögensverhältnisse nnd daraus hervorgegangene Noth sollen die Ursache seines Entschlusses gewesen sein. Der Erbe von Syberg. Noman von Emil Köllig. (Fortsetzung.) 6. Während der Pfarrer mit seiner Frau hinüber nach dem BiS- plinghofe gefahren war, um den kleinen Unfall zu melden, der Marie betroffen, waren Udo und die Verwundete in einem Zimmer des Pfarrhauses bei einander. Vier warme Wangen hielten keine bestimmte Farbe, sondern zeigte» bald Purpur-, bald Rosenröthe; vier blaue Augen suchten einander und wen» sic sich gefunden, zogen sie, wie er schrocken, den Vorhang der Wimpern vor sich nieder. Zwei Lippen paare hätten sich gern mit einander beschäftigt; da dies ihnen aber noch versagt war, so zuckten sie für sich in wundersamer, unruhiger Thätigkeit, die des eigentlichen Ziels entbehrte. DaS junge Mädchen saß am Fenstertischc und säumte ein Tuch, welches ihr der Onkel aus der Stadt milgebracht hatte und stach sich dabei gar oft in die Finger; denn wenn die Angen die Nadel nicht überwachen, geht diese ihre eigenen boshaften Wege. Der Jüngling stand vor ihr und hatte eine Arbeit für sie unter den Händen. Er schnitt ihr nämlich eine Feder. Er stand an der ander» Seite des Tischchens, und zwischen ihm und dem Mädchen dufteten Blumen in einem Glase, die er aus dem GewächShause des Schlosses mit her- übergcbracht hatte. Mit der Arbeit übereilte er sich nicht; er fragte, ob Marie lieber mit harter oder weicher Spitze schreibe, stumpf oder - spitz, und richtete noch ähnliche Fragen an sie, so gründlich, als sollte ein Kalligraph ein Kunstwerk mit der Feder zu Stande bringen. Einmal gab er ihr die Feder in die Hand, damit sie an derselben zeigen möge, wie lang sie die Spitze wünsche. Sie that es und als sic ihm die Feder zurückreichte, empfing er noch etwas mehr, nämlich ihre Hand. Diese wurde von der seinigen so ergriffen, daß die Feder zu Boden fiel und ihnen eine Weile ganz auS dem Gedächtnisse kam, weil alles Bewußtsein in die beide» Hände gefahren war, die ein ander sanft drückten. Marie war in jener Nacht auf ihr Zimmer getragen worden, und der Pfarrer, der ganz verstört auS seinem Schlafgemach hervor kam, hatte sogleich nach dem nächsten Chirurgen geschickt. Dieser wohnte aber einige Stunden von dem Pfarrhäuse entfernt und langte