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Erst als sie seinen Blicken entschwunden war, wandte auch er sich zum Gehen langsam und gedankenvoll. Ein neues Leben war in seinem Herzen aufgegangen. Es dunkelte bereits, als er nach dem Schlosse kam. Nach kurzem Aufenthalt nahm er Abschied von seinem Freunde und dessen Ge- mahlin und gab das Versprechen, in Kürze wieder unter dem gast lichen Dache einzukehren. Er trug Böckum seine besten Grüße an die Pfarrersfamilie auf, dann bestieg er sein Roß, um der Garnison zuzulraben. Hier und da tauchte ein funkelnder Stern am Himmelszelte auf. Auf Feld, Wiese und Wald lag lautlose Stille. Nur in seinem Innern wollte es nicht ruhig werden; er vermochte den Gedanken an Marie nicht zu verbannen. Von Ferne hörte er Musik. Sein Weg führte ihn an dem Hofe vorüber, in dem heute Hochzeit gefeiert wurde. Unter der Linde tanzte die jauchzende Menge. Hier und da Halle sich ein Paar abge sondert und wandelte Hand in Hand allein, so glücklich allein. Einem Moment hielt er sein Pferd an unv lauschte den fröhlichen Klängen. O, welch' ein seliger Abend war es für ihn; wie fand er die Welt so schön! Sein Herz war so voll. Die Liebe war in seine Brust einge- zogen mit all' ihrer Wonne und Seligkeit. 3. Auch auf Shberg war der Abend herabgesunken, aber seine Stille wirkte minder beruhigend auf das lautpochende Mädchenherz, das dort sehnsüchtig der Rückkehr des Onkels harrte. Und doch glänzte derselbe Sternenhimmel über Schloß und Park, roch legte auch hier sich des Abends Kühle auf eine glühende Stirn, auf ein lieben des Herz. Der Baron kehrte am folgenden Tage in bester Stimmung zurück. Er brachte Anna Udo's Grüße und die Mittheilung, daß der geliebte Sohn bald, wenn auch nur auf kurze Zeit in Shberg eintreffen würde. Allein es vergingen Wochen und der Ersehnte kam nicht. In zwischen war auch nur ein kurzer Brief eingelroffen, in dem Anna's nur mit wenigen Worten gedacht war. Der Baron verbarg seine Unmulh darüber, Anna indessen war zu wenig geübt in derartiger Selbstbeherrschung, als daß sie ihre Ent täuschung so ganz hätte verbergen können. Es war die Zeit gekommen, die sie so sehnsüchtig erhofft, als Ersatz für so unzählige einsam und freudlos verlebte Stunden, er weilte jetzt in ihrer Nähe und ließ sich so selten sehen. Wie wenig mußte sie ihn doch befriedigen, da er so geringen Werth auf ihre Gesellschaft legte. Was sie geträumt, wenn sie an den langen, einsamen Tagen ihrer Trennung arbeitete und strebte, ihr Wissen zu bereichern und ihre Anlagen zu entfalten, um auf gleiche geistige Höhe mit ihm zu gelangen, das begriff sie nun in schmerzlicher Klarheit. Jetzt, wo alle Blüthen sich duftend entfalteten, war derjenige nicht vorhanden, dessen Dasein sie schmücken sollten. Sonst hatte das äußere Leben auf Shberg keinerlei Veränderungen erfahren. Anna hat mit dem Onkel Besuche gemacht und empfangen. Man nahm Theil an allem Verkehr; aber eö fehlte in Udo's Ab wesenheit doch so eigentlich Zweck und Ziel für des jungen Mädchens Freude, ganz ebenso, wie für des Oheims Sorgen, Muhen und Projekte. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Durch die jetzt eingetretene Wärme wolle man sich nicht ver leiten lassen, allzuschnell die leichte Sommerkleidung hervorzusuchen oder sich gar im Freien auf die bloße Erde zu setzen, wie man dies namentlich bei Kindern jetzt vielfach schon beobachten kann. Möchten die Eltern ja ein wachsames Auge hierauf haben. Aber auch Er wachsenen ist große Vorsicht vor den Einflüssen der Aprilwitternng, sei dieselbe noch so schön, anzurathen. Dieser Monat ist sehr verrufen dadurch, daß er eine Anzahl von Krankheiten Hervorruf», und zwar auch dann, wenn die Witterung nicht so unbeständig ist, daß sie die Be zeichnung „Aprilwetler" verdient. Der April bedroht und gefährdet vorzugsweise die jugendlichen Leidenden an Lunge, Hals und Brust, trotz ihrer Hoffnung auf die Besserung, welche die schönen Tage des Frühlings ihnen bringen sollen. Man athme jetzt nur mit geschlossenem Munde, vermeide das Niedersetzen auf die bloße Erde, selbst an den schönste» Tagen, und trinke möglichst viel Milch, das ist eine kurze Regel der Gesundheitspflege. * Berlin. Am Sonntag fand in Moabit die Leichenfeier für den verstorbenen Jndustriefürsten Borsig statt. Den Zug eröffneten 4000 Arbeiter mit den Fahnen der Borsig'schen Werk« von Berlin und Moabit, daun folgten die Beamten und Meister mit dem großen Fabrlkbauner, der Leichenwagen, unmittelbar hinter welchem der un mündige Sohn von Verwandten geleitet wurde, dann der leere Wagen Borstg'S, die Equipagen des Kaisers und der Kaiserin und noch eine große Reihe von Privatequipagen, die sich oft bis auf 100 Mitglieder beziffernden Deputationen zMrskßer Fabriken. Die Embleme der Arbeit wurden im Zuge, in Flor gehüllt, überall mitgeführt. Eine unabsehbare Menschenmenge rahmte den zurückzulegenden Weg ein. Auf dem Lehrter-Bahnhof nahm ein besonders zu diesem Zwecke ge stellter Zug einen Theil der Trauergesellschaft auf, um sie nach dem Borsig'schen Gute Groß Behlitz bei Nauen zu führen, wo am Mitt woch die Beisetzung stattfiuven wird. Der den Sarg aufnehmende Güterwagen war ebenfalls schwarz drapirt und durchweg mit Lorbeeren und Camellien geschmückt. Der Domchor sang hier zuerst „Jesu» meine Zuversicht" und dann, als der Zug sich langsam in Bewegung setzte, das ergreifende Liev: „Wenn ich einmal soll scheiden." ES war eine großartig tief ergreifende Feier, und sie legte in der Stell ung der Tausende von Arbeitern im Zuge und der vielen Tausende von Zuschauern vollgültiges Zeugniß dafür ab, daß das Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer denn doch noch nicht ein so ungesundes ist, wie man es vielfach bezeichnen will. * Aus Teplitz vom 13. April schreibt man der „Boh.": Seit gestern spricht man bei uns fast von nichts Anderm, als von dem brennenden Tagbau beim Richard Hartmannschacht zu Ladowitz. Zu Wagen und zu Fuß strömt das Publikum hin, um sich baö in seiner Art wahrhaft imposante Schauspiel anzusehen. Auch Ihr Berichter statter unternahm heute einen Ausflug dahin und kann berichten, daß, wenngleich der Herd des Feuers seit gestern bereits eine wesentliche Eindämmung erfahren hat, der Anblick immerhin noch höchst sehenS- werlh ist. Der brennende Tagbau liegt von der Station Ladowitz etwa 20 Minuten entfernt. Dichte und hochaufsteigende Rauchwolken kündigen schon aus der Ferne das elementare Ereigniß an. In einer ziemliche» Entfernung vom Hauptwerke des Harlmannschachtes, in einem kesselförmigen Einschnitte ist der brennende Tagbau situirt. Aus 3 großen, kraterförmigen Oeffnungen schlagen mächtige Flammenstöße heraus, und am Boden hin, von einem Kohlenfeuer zum andern, züngeln und lecken zahllose Flämmchen, in ihrem Auffiackern und Niederzischen das Schiller'sche Gleichniß von den entfesselten Elementen des Feuers in grandioser Weise illustrirend. Vorgestern Abend soll das Schauspiel noch um Vieles überwältigender gewesen sein; da brachen die Flammen, sich in hochauflodernder Garbe zu einem wahren Feuermeere aneinander schließend, aus 16 verschiedenen Stellen hervor, während die Zahl der letzteren heute schon auf 3 beschränkt ist. TheilS durch Einstürzen der einzelnen Kohlenpfeiler, theils durch die mit unermüdlichem Eifer angewandten und consequent fortgesetzten Ein- dämmungsarbeilen gelang es, das Territorium des Brandes in engere Grenzen zu bannen. Heute darf man bereits jede Gefahr für den Hauplschacht als beseitigt betrachten. Er schwebte, da die Kohlenflötze der dortigen Werke doch miteinander in enger Verbindung stehe», eine Zeit lang in ernstlicher Gefahr, und wäre eö nicht geglückt, derselben durch die energisch burchgeführten Schutzmaßregeln vorzubeugen, wer weiß, um wie Vieles die Schadenziffer, die schon jetzt eine nicht un beträchtliche Summe repräsentiren soll, sich gesteigert hätte! Das Wasser, daö am Fuße des Tagbaues etwa in der Gestalt eines Teiches sich angesammelt hat, dampft und zischt unter dem Einflüsse der von den brennenden Kohlcnpfeilern ausströmenden Gluthen, so daß man glauben könnte, eine Abart des Karlsbader Sprudels vor sich zu haben. Und in der Nähe dieses Gluthbezirks sah icy Arbeiter reihen weise auf dem Boden im tiefen Schlafe liegen; theils die Anstreng ung der durch Tag und Nacht fortgesetzten Eindämmuugsarbeiten, theils die große Hitze hatte sie so matt gemacht, daß sie sich des Schlafes nicht erwehren konnten. Da die reichen Koblenablagerungen des Werkes noch viel Nahrungsstoff für das Feuer bieten, so läßt sich allerdings nicht voraussehen, wann dasselbe sein Ende finden wird; unablässig zieht inzwischen der Strom der Neugierigen hinaus, insbe sondere des Abends finden sich ganze Excursionsgrnppen zusammen, denn im Dunkeln der Nacht ist allerdings der Eindruck, den daS lodernde Flammenmeer des Hartmann'schen Tagbaueö hervorbringt, ein viel fesselnderer, gewaltigerer, als am Tage. * Nachstehenden ziemlich kräftigen Mahnbrief richtete jüngst ein Schuhmachermeister in Dux bei Telsche» an einen hartnäckigen Schuldner: „Auf meine an Sie gerichteten Briefe noch ohne Antwort, das ist impertinent. Wenn Sie bei mir hätten so lange auf bi« Stiefel warten müssen, wie ich auf die Bezahlung, so hätten Sie müsse» barfuß laufen. Denken Sie vielleicht, ich finde das Leder hinter der Hausthüre und füttere meine Gesellin mit abgerissenen Schuhsohlen und eingemachten Absatznägeln? Als Sie von mir fort gingen, versprachen Sie mir, das Geld für die Stiefel umgehend zu schicken, nennt man da» Wort halten? Den Zuckerbäcker haben Sie bezahlt und dort gesagt, ich der Pechhengst, könne warten. Schämey Sie sich, ein Mensch, der auch einmal Meister werden will, nicht solcher Redensarten? Kreuzschocksternmillionenhageldonnerwetter sollen Ihnen auf den Pelz fahren und Sie sollen mich noch krönen lernen, denn wenn ich wild werde, dann gebt's hahnebüchen her. Ich ver lange binnen 8 Tagen Bezahlung, wo nicht, so setze ich ein Vergiß meinnicht in das hiesige Wochenblatt und gebe es durch die Blnuzr, daß sie bei mir an Stiefeln hängen. Wenn Sie also nicht Schuster pech, sondern Ehre im Leibe haben, so bemühen Sie sich in genannter Zeit, wie es sich für einen reputirlichen Menschen schickt, gewiß - zy zahlen.- — Hoffentlich hat der Brief geholfen.