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geben und in di« Debatte derselben einzutreten, betonte aber aus drücklich, daß eS die Ergebnisse dieser Debatte nur als weitere- Material für die Entscheidung Europa« betrachten könne, die anzu- nehmen jever einzelne Staat sich verpflichtet halten müsse. Außer dem gespannten Derhaltniß zwischen Rußland und Eng land ist noch die Frage wegen der Abtretung BeßarabienS an Ruß land ein Punkt, der die Klärung der Situation verhindert. Rumänien will von dieser Abtretung absolut nichts wissen; sein Ministerpräsident Bratianu ist dieser Tage in Berlin einqetroffen, um die deutsche Re gierung für Rumänien zu interessiren. Gortschakoff soll gedroht haben, Rumänien zu besetzen und dessen Armee zu entwaffnen, wenn es sich noch weiter gegen die Abtretung BeßarabienS sträube. Fürst Carl erwiderte jedoch darauf, die rumänische Armee könne zwar ver nichtet, aber nicht entwaffnet werden. Außerdem wurde berichtet, daß erfolgreiche Verhaudluugeu mit Oesterreich wegen Uebertritt der rumänischen Armee auf österreichischem Boden gepflogen worden sei. Petersburg, 9. April. Das „Journal de St. Petersbourg" hebt die überall in Europa in den letzten Tagen aufgetauchte Hoff nung auf Erhaltung des Friedens hervor mit Hinweis darauf, was geschehen müßte, um eine solche Lösung herbeizuführen. Rußland verlange, daß die für die Christen erworbenen Wvblthaten nicht durch unwirksame Stipulationen, wie der Vertrag von 1856, sondern durch materielle Garantien gesichert werden. Rußland könne eine blos vor übergehende Entscheidung des CougresseS nicht annehmen, weil die selbe den Frieden nicht sichere. Wenn Europa die Orientaufgabe, im Sinne der Emancipation und Befriedigung der Christen übernehmen wollte, würde Rußland keine Schwierigkeiten erheben, nur müsse die Besprechung der Fragen nur von Zutrauen, nicht aber von Eifersucht inspirirt sein. Odessa, 4. April. Auf der ganzen Linie von Tirnowa bis zum Balkan herrscht der Typhus in entsetzlicher Weise. Nahezu sämmt- liche Aerzte, Fcldscheerer, Studenten und barmherzige Schwestern sind erkrankt. In Tirnowa allein liegen 4000, in Kuzino 1000 Kranke. Konstantinopel, 7. April. Großfürst Nikolaus wird dem Ver nehmen nach auch noch morgen hier verweilen. — Alle ägyptischen Truppen kehren in ihre Heimalh zurück. — Einzelne Truppentheile der russischen Garde sollen demnächst eiugejchifft werden, um nach Rußland zurückzukehren. — Wie hier verlautet, würde Rußland für den Fall eines Conflictes mit England hier noch weitere Forderungen stellen. Amerika. Die Regierung der Ver.-Staaten hat ihren Kriegs schiffen befohlen, diejenigen Handelsfahrzeuge, welche Sklavenhandel treiben, mit Beschlag zu belegen. Uokales und Sächsisches. Leipzig, 7. April. Am gestrigen Tage gingen auf der Staats- bahn circa WO Ctr. Kartoffeln nach Oelsnitz zur Unterstützung der nothleidenden Weber im Voigtlande ab. Diese Liebesgabe kommt aus den Ortschaften Probstheida, Zuckelhausen, Holzhausen und Dösen. Es bedurfte einer geringen Anregung und die Gaben flossen gern und reichlich. Es wäre erfreulich, wenn Einer oder der Andere in andern Ortschaften die Sache in Anregung brächte, er kann gewiß sein, daß bei der verflossenen so reichen Kartoffelernte Jever, der kann, gern sein Schärflein beiträgt. Kartoffeln sind ja auch eins der beliebtesten Nahrungsmittel im Voigtlande und dieselben werden von der königl. Bahnverwaltung kostenfrei befördert. Leipzig, 7. April. Am vorgestrigen Nachmittag gewahrte der Pachter des Trockenplatzes in dem Schimmelschen Gute, Herr Otto, in dem Teiche einen Knabe», sprang sofort hinzu und rettete das Kind, den 13jährigen Sohn eines hiesigen Sattlers, vom Tode des Ertrinkens. Wie sich nochmals herausstellte, war aber der Junge aus Furcht vor Strafe und in der Absicht, sich das Leben zu nehmen, selbst in den Teich gesprungen. Am Rande des Teiches fand sich ein Zettel vor, worauf der Bursche seinen Namen und Wohnung angegeben und mit wenigen Worten von seinen Eltern Abschied genommen hatte. Man brachte de» Knabe» in die Wohnung seiner Eltern. Aus Roßwein schreibt man dem „Leipz. Tgbl.", daß das De fizit beim dortigen Vorschußverein ca. eiue Million Mark betragen soll. Roßwein. Der „Noßw. Anz." schreibt: Ein schweres Unglück ist über Roßwein hereingebrochen. Hatte unsere ganze Industrie ohnehin jetzt schon schwer unter den drückenden Zeilverhältnissen zu leiden, so ist nun auch in die engen Grenzen unseres Städtchen« selbst die Noth und Sorge in einer Weise eingezogen, die Treue und Glauben im Geschäftsverkehr sowohl wie im öffentlichen Leben furcht bar erschüttert haben. Die gerichtliche Untersuchung wird ergeben, wer die Schuld an dieser Kalostrophe trägt, und wenn wir berichten, daß der Direktor des Vorschußvereins, Engelbert Brückner, auf Ver anlassung der königl. Staatsanwaltschaft Mittweida wegen Führung eines zweiten geheimen Kassabuches heute in Haft genommen worden ist, so trifft die Schuld doch nicht diesen allein, sondern den ganzen Vorstand, wenn auch in minderer Schwere. Mildernd tritt nur hierbei der Umstand ein, daß die Fälschung seitens des Direktors und auf Drängen desselben auch des KassirerS im (allerdings falsch ver standenen) Interesse des Vereins unternommen worden sind, nicht, um sich persönlich bereichern zu wollen. Bei gründlicher strenger Revision der Bücher und oeS KassenbestanteS rc. mußte aber diese Mißwirtschaft schon viel eher entdeckt und bloßgelegt werden und wäre es dann nicht möglich gewesen, daß dem Publikum, resp. den Mitgliedern durch Vorführung falscher Bilanzen jahrelang Sand in die Augen gestreut wurde. Nossen, 8. April. Nachdem der erste Sturm sich gelegt, ge winnt in unserer Nachbarstadt Roßwein eine ruhigere und maßvollere Beurteilung der beklagenswerten Katastrophe mehr und mehr Naum, wozu hauptsächlich die Verlautbarungen beitragen, welchen zu folge das Fortbestehen des Vorschußvereinö mit allen Kräften ange- strebt wird. Die am Sonnabend Abend von einer Anzahl Mißver gnügter verübten bedauerlichen Exzesse haben sich, Gott sei Dank, nicht wiederholt. Freiberg. Der „Dr. Ztg." wird von hier berichtet, daß die Aufregung der Einwohnerschaft über den Bankerott des alten Bank hauses Heinrich Rode eine ganz bedeutende sei und kaum eine größere sein könnte, wenn die Hälste ter Stadl abgebrannt wäre. Die vor handenen Activeu sollen zwar immer noch ganz nennenSwerlh sei» (man sprach von circa 500,000 Mark); allein die Passiven überwögen erstere in ganz immenser Weise. Tharaud, 4. Avril. Einer znm Glück selten vorkommenden Hartherzigkeit hat sich ein Deubener Hausbesitzer schuldig gemacht. Am Donnerstag hat man gesunden, daß derselbe seiner 77jährigen alterS- und geistesschwachen Mutter eine Lagerstätte im dunstigen Kohlenschuppeu angewiesen halte. Der Naum in demselben ist so ge ring, baß neben dem Bette, welches Slroysack und Zudecke enthielt, nur noch ein kleiner Platz vorhanden war. Von einem in jetziger Zeit noch nöthigen Ofen gabs keine Spur; auch wurde die arme alle Frau des Nachts eingeschlossen. Nachdem am Donnerstag der Be zirksarzt zur Untersuchung anwesend war, dürfte sich das Weitere bald ergebe». Am Abend des 7. April ist der Häuöler und Tagelöhner Johann Dorn aus Maltitz bei Weißenberg auf seinem Rückwege von Weißen- berg »ach Hause zwischen Wasserkretscham und Maltitz in die Löbau gestürzt und darin ertrunken. Der Verunglückte hinterläßt eine Wiltwe und 5 Kinver. Anuabcrg. Das Handelshaus Pohlemann uud Eisenstuck hier, welches einen bedeutenden Garnhandel betrieb, ist durch die ungünstigen Zeiten, noch mehr aber durch große Speculationen eines seiner Theil- Haber fällst geworden. Aus der Masse wird für die Gläubiger leider nicht viel herauskommen. Ein Leipziger Haus soll bei dem Fallisse ment ziemlich stark belheiligt sein. Zwickau, 8. April. In der heutigen öffentlichen Schwurgerichts sitzung wider den Gerbergesellen Gustav Robert Enders aus Adorf wurde derselbe wegen versuchten Mordes zu 4 Jahren Zuchthaus und 6 Jahren Ehrenrechtöverlust verurtheilt. Crimmitschau, 8. April. Gestern fand man im Paradies bei Frankenhansen ein Amselnest mit drei Eiern, gewiß ein seltener Fall für den Anfang April! LLaldeuburg i. S. Bei der am 4. ds. Mtö. hier stattgehab ten Nekrutirung wurden von 50 der jungen Mannschaft aus dem Stadtbezirke 17 als tüchtig auögehoben. Der mitanweseude Oberst lieutenant v. B. ließ hierbei von Ausgehobenen einige Proben ihrer Schreibfertigkeit ablegen und frng u. A. Einen derselben vom Lande: „Können Sie schreiben?" „Ja!" war die Antwort. „Nun, so schrei ben Sie 'mal: „Ich will gerne Soldat werben!" Der angehende un freiwillige Sohn ves MarS schreibt alsbald, und was las der Oberst- lieutenanl? — „Ich will nicht gerne Soldat werden!" — Der hohe Offizier deutete ihm freundlich an, daß dieser etwaige Widerspruch nichts nützen und er jedenfalls bald nach dem Elsaß kommen werde. — Daß cs Gefahren zu „Wasser und zu Lande" giebt, hat sich am 3. dS. MtS. erwiesen, da nicht nur, wie bereits berichtet, ein kleines Mädchen nahe daran war, hier von einem Eisenbahnzuge überfahren zu werden, sondern auch ein großes, ein Fräulein von 19 bis 20 Jahren, ganz plötzlich in der jetzt stark angeschwollenen Mulde hätte ertrinken können. Die einzige Tochter des Schießhausbesitzers K. setzte sich, von dem sonnige» Tage gelockt, allein in den mittelst Kette am rechten Ufer hinter ihrer Wohnung angelegten Kahn. Da löst sich unerwartet die eiserne Fessel und. von der Strömung fortgerissen, schießt das schwankende Fahrzeug dahin und wäre, ohne Steuer und Ruder, in 2 Minuten unrettbar in den Kataract, d. h. über das ziemlich hohe nahe Wehr, hinabgestürzt, wenn sich nicht der Kahn noch rechtzeitig bei einer Böschung in dem überhängenden Strauch werk des jenseitigen Ufers festgefabren hätte. Der Vater, durch Hilfe rufen erschreckt, mußte nun eine bedeutende Strecke stromaufwärts, und über die Brücke, um an dem linken Ufer sein einziges Kind aus der gefährlichen Situation zu befreien. Torgau. Hier herrscht seit mehren Wochen unter dem Militär der Typhus. Ein Stabsarzt, fünf Lazarethgehülfen, mehrere Kranken wärter und sehr viele Infanteristen und Artilleristen sind von der ge nannten Krankheit befallen worden. Das Lazareth ist vollständig überfüllt.