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Der Bundesrath, der ziemlich vollzählig war, betrat unter Führung des Vicepräsidenten des preußischen Staatsministerinms, Finanz minister Camphausen, bald nach 2 Uhr den Saal. Die Thron rede, die von dem Letzteren verlesen wurde, hatte folgenden Wortlaut: Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir den Auftrag zu er- theilen geruht, die Sitzungen des Reichstags in allerhöchst ihrem und der ver bündeten Regierungen Nqnien zu eröffnen. Ihre Thätigkeit wird^in der bevorstehenden Session durch eine Reihe wich tiger Berathungsgegenstände in Anspruch genommen sein. Der Entwurf des Reichshaushaltsetats, welckM Ihnen unverzüglich zugehen wird, liefert aufs Neue den Beweis, daß die unaoweislichen finanziellen Bedürfnisse des ordentlichen Reichshaushalts in stärkerem Maße zunehmen, als die Erträgnisse der dem Reiche zugewiesenen eigenen Einnahmequellen. Den verbündeten Regierungen scheint es nicht rathsam, die Deckung des Mehrbedarfs durch Erhöhung der Beiträge der einzelnen Staaten herbeizuführen; vielmehr weist dir finanzielle Gesammtlage Deutschlands auf die Verstärkung der eigenen Einnahme des Reichs hin. In dieser Richtung werden Ihnen Gesetzentwürfe über die Erhebung von Reichs stempelabgaben und die höhere Besteuerung des Tabaks vorgclegt werden. Soweit die außerordentlichen Ausgaben nicht durch besondere Einnahmen gedeckt sind, werden wie im vorigen Jahre die Mittel auf dem Wege des Credits zu beschaffen sein. Der Entwurf eines Anleihegesetzes wird Ihnen zugelM. Zur Ausfüllung einer Lücke in dem Wortlaut der. Verfassung soll ein zu nächst »och der Berathung des Bundesraths unterliegender Gesetzentwurf dienen, welcher die Zulässigkeit einer Vertretung des Reichskanzlers in der Gesammtheit seiner Amtsthätigkeit oder in einzelnen Zweigen derselben mit dem Recht zur Gegenzeichnung außer Zweifel stellt. Im Anschluß an die Justizgesetzgebung des vergangenen Jahres wird Ihnen der Entwurf einer Nechtsanwaltsorduung vorgclegt werden, welche es sich zur Aufgabe gestellt hat, den Zutritt zur Ausübung "dieses für die Rechtspflege so wichtigen Berufes jedem dazu Befähigten zu eröffnen, ohne darum die Bürg schaften zu vermindern, welche dem Stande der Rechtsanwälte im Reich bisher seine ehrenvolle Stellung gesichert haben. Die in dem gerichtlichen Verfahren geschaffene Einheit verlangt zu ihrer Er gänzung eine entsprechende Einheit im Kostenwesen. Hierauf gerichtete Gesetzent würfe werden Ihnen vorgelegt werden. Die im verflossenen Jahre wiederholt vorgckommenen Fälle von Einschlepp ung der Rinderpest haben, obwohl die rasche Unterdrückung der Seuche jedes mal gelungen ist, doch das Bedürfniß hervortrcten lassen, den bestehenden Ein fuhrverboten durch Verschärfung der bezüglichen Strafbestimmungen erhöhte Wirksamkeit zu verleihe». Voraussichtlich wird Ihre Mitwirkung zum Erlaß eines hierauf abzielenden Gesetzes in Anspruch genommen werden. Die Klagen über die aus der Verfälschung von Lebensmitteln und Gegen ständen des täglichen Gebrauchs sich ergebenden Gefahren haben an die ver bündeten Regierungen die Pflicht herantreten lassen, Abhilfe durch die Rcichs- gesetzgebung zu schaffen. Unter Berücksichtigung der in Ihrer letzten Session bezüglich einer Revision der Gewerbeordnung laut gewordenen Wünsche sind zwei Gesetzentwürfe auSge- arbeitet worden, von welchen der ein« die rechtlichen Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeiter» neu zu regeln, der andere die rasche und sachgemäße Erledigung von gewerblichen Streitigkeiten durch Einsetzung besonderer Gewerbe gerichte zu sichern bestimmt ist. Beide Entwürfe solle» zur Beseitigung . von Schwierigkeiten beitragen, mit welchen der deutsche Gewerbcfleiß "bisher zu kämpfen hatte und welche bei der l«ider »och immer fortdauernde» ungünstige» Lage der allgemeine» Verkehrsvcrhältnisse doppelt lästig erscheine». Zum Bedauern Sr. Majestät des Kaisers haben die, über Erneuerung des Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungar» gepflogene» Verhandlungen bisher nicht »um Ziele geführt. Um Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen, ist der Vertrag einstweilen bis Ende Juni dieses Jahres verlängert worden. Hoffentlich wird es in dieser Frist gelingen, eine Vereinbarung zu Stande zu bringen, welche den beiderseitigen handelspolitischen Interessen und dein zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn bestehenden freundnachbarlichen Verhältnis; entspricht. Um Sie zur Beurtheilung des Ganges dieser Angelegenheit in den Stand zu setzen, wird eine darauf bezügliche Denkschrift Ihnen vorgelegt werden. Meine Herren! Bei der Eröffnung des vorjährigen Reichstages war die Er wartuna noch nicht ausgeschlossen, daß die türkische Regierung aus eigener Ent - schließ»»» zur Ausführung der Reformen schreib» werde, über welche die euro päische» Mächte sich auf der Conferenz in Constantinopel geeinigt hatte». Diese Erwartung ist nicht iv Erfüllung gegangen. Se. Majestät der Kaiser hofft jedoch, daß nunmehr ein baldiger Friede die Grundsätze jener Conferenz zur Anwend ung bringen und dauernd sicher stellen werde. Die. verhältnißmaßig geringere Aeth«iligunq der Interessen Deutschlands im Orient gestattet für die Politik des Reiches eine uneigennützige Mitwirkung an der Verständigung der betheiligten Mächte über künftige Garantien gegen die Wiederkehr der Wirren im Orient und zu Gunsten der christlichen Bevölkerung. Inzwischen hat die von Sr. Majestät dem Kaiser vorgezeichnete Politik ihr Ziel bereits insoweit erreichen können, als sie wesentlich dazu mitgewirkt hat, daß der Friede zwischen den europäische» Mächten erhalten worden ist und zu ihnen allen Deutschlands Bezieh ungen nicht nur friedliche, sondern durchaus freundschaftliche ge blieben sind und mit Gottes Hilfe bleiben werden. Am Schluß gab die Versammlung ihren Beifall zu erkennen. Hierauf erklärte der Finanzminister Camphausen auf Befehl Se. Majestät des Kaisers und im Namen der hohen verbündeten Negierungen die Session für eröffnet. Zum Schluß brachte der Präsident v. Forckenbeck ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus. Aus dem Orient. Die Orientfrage und die Lage der mehr oder weniger daran belheisiglen Staaten wird in einer bemerkenSwethen Berliner Corre- sponden; Ltß."-zmn Gegenstand der Besprechung gemacht. Cs.-Heißff da:»»- , '„Die politischen Kreise werden augenblicklich durch die russischen FriedenSbedingnngen, welche die verschiedenste- Beurtheilung erfahren, in Anspruch genommen. Diejenigen, nach deren Ansicht Rußland ;ü viel fordert, mögen jedoch sich vergegenwärtigen, daß auch alle Friedens- bedingnngen mehr verlangen, als der Friedensschlnß gewährt, die Staaten haben gewöhnlich keine „festen Preise". Das aber betreffende Punkte keine Nebenpunkle find, besagt folgende Miltheilung, welche, wie ich genau weiß, direct auö dem Eabinet des Fürsten Gorlfchakoff gekommen ist, vor 4 Wochen etwa: „Es giebl nur eine Frievenöbe- dingung! Die Verbesserung der politischen, juridischen, religiösen und socialen Stellung der Christen unter türkischer Herrschaft — vor der Hand und begreiflich sei nur in der europäischen Türkei — diese aber vollständig, unzweifelhaft, handgreiflich! Alles Andere ist Entschädigung, Arrangement, Uebereinkunft, Buße. Rußland hat weder für die Un abhängigkeit Serbiens und Rumäniens, noch auch einzig für ras Lt-IkAovornenwnt BnlgarienS die Waffen ergriffen — riese Aenoer- nngen werden im Gegentbeil viel Lästiges und selbst Hinderndes her- beiführen — Rußland will endgültig die Dcmarcationslinie ziehen zwischen den bisher unterdrückten Christen und den bisher unversöhn- lichen Muhamedanern, vor der Hand in Europa," — Wie riese Forderungen Rußlands mit den Interessen Oesterreichs — darauf kommt es nur an — sich werden vereinbaren lassen, ist die Aufgabe rer großen diplomatischen Campagne der nächsten Monate. Oesterreich bedarf gerade für die nächsten Monate einer entschlossenen Politik mit großem Ziele und ohne kleinliche Mittel. Oesterreich kann jetzt feinen Schwerpunkt nach Osten verlegen; der es ihm damals rield, ist heute sein bester Freund. Graf Andrassy steht vor einer große» Aufgabe, welche ihn in die Geschichte einführen wird, oder die ihn zu einer Excellenz a. D. machen muß. Im Augenblicke werden die ordentlichsten Anerbietungen Englands in Wien durch die so sehr bereite Hanv des Grafen Beust dem Kaiser Fran; Joseph unterbreitet. Der Telegraph zwischen Wien und London arbeitet übermäßig, gerade wie damals als Deutschland nach Sedan glaubt«, den Säbel noch nicht eiiislecken zu dürfen. Wir werden bald hören, ob die österreichischen und eng lischen Interessen sich vereinbart haben, oder ob österreichische und russische Interessen eine Bereinigung dnrch den Barziner Landedelmann suchen. Denn auch die osficietlen Kreise Rußlands beginnen von