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Tagesgefchichte. Berlin, 19. Januar. Nach den neuesten Mittheilunzen der ,,N.-Z." glaubt man der Rückkunft des Reichskanzler- nach Berlin zur Eröffnung des Reichstages entgegensehen zu können. Ob die Ge- sundheilsumslände des Fürsten Bi-marck ihm gestatte», wie ursprünglich vorgesehen, Ende dieses Monats in Berlin einzutrefsen, muß noch als ungewiß betrachtet werden. — Die Verhandlungen der nationalliberalen Fraktion über die Varziner Besprechungen bleiben tiefes Gcheimniß. Es hat sich bis jetzt kein Mitglied der Partei veranlaßt gesehen, über DaS, was in der vielbesprochenen FractionSsitzung besprochen worden ist, auch nur Andeutung zu machen. Nach der „N. Pr. Z." gewinnt inzwischen aber die Vermuthung immer mehr Raum, im Grunde habe die nationallibcrale Partei über die Varziner Besprechungen nichts mitzutheilen, denn über einen intimen Gedankenaustausch seien Fürst Bismarck uud Herr v. Bennigsen nicht hinausgekommen. — Der am Berliner Hofe akkreditirte englische Botschafter soll erklärt haben, daß England die nentralen Mächte zu einer Konferenz einladen würde, um die Friedensbedingungen zu berathen, sobald dieselben be kannt sein würden. Falls die Großmächte die Einladung ablchnen sollten, wäre England entschlossen, sofort von dem Parlament Sub- sidien zu verlangen. In politischen Kreisen ist man von der Uebe» zeugung durchdrungen, das Rußland einem Drucke von Seiten Eng lands nicht nachgeben wird. Wohl aber dürfte England seine Fühl hörner wieder einziehen, wenn eS merkt, daß die Trauben zu hoch hängen. Wir wollen übrigens bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt lasten, daß dem „Daily Telegraph" aus Pera gemeldet wird: „Die Pforte ist bereit, folgende Friedensbedingungen zu accepttren: Die Türkei bietet Rußland Batum als Freihafen an und tritt einen Tbeil von Armenien ab, sie gewährt den Bulgaren bis zum Balkan Au tonomie und eröffnet die Dardanellen allen Nationen. Dagegen for dert Rußland bedingungslose Abtretung BatumS, rin autonomes Bul garien, welches sich bis Adrianopel erstrecken soll, sowie die Eröffnung der Dardanellen nur für Rußland." Selbstverständlich übernehmen wir keine Gewähr für diese Mittheilung. — In der heutigen Sitzung des Bundesrathes gelangen folgende Gegenstände zur Beralhung: Ein Antrag Hamburgs, betreffend die Kostenerstattung für Kasernemenls- rinrichtungen; der Bericht der Ausschüsse, betreffend folgende Vor lagen: Einführung einer Neichsstempel- und Prozeßsteuer, Feststellung des Feingehalts der Gold- und Silbcrwaarcn, ferner der Etat der Verwaltung der Eisenbahnen, die des Reichskanzlers, des Reichs kanzleramts, für Elsaß Lothringen, sowie für das auswärtige Amt. Posen, 18. Jan. Die Geistlichen Bartsch-Alt-Bohen.WiesmewSki- Czac und Kucharzewic; Bialcz habe» seit einiger Zeit die Gebete für den Landesherrn, welche immer nach dc<- Predigt gelesen werden, ein gestellt. Dieser Tage sind, wie dem „Kuryer Poznanski" geschrieben wird, die Genannten im Auftrage des Ober-Präsidenten über die Ursache dieses Verhaltens befragt worden. Wien, 18. Januar. Der „Presse" zufolge fand gestern im Handelsministerium eine Fachversammlung von 25 böhmischen und schlesischen Leinenindustriellen statt über die Frage des Nohleinenexportes. Einstimmig wurde die vollständige Lahmlegung dieses Exportes durch die Erschwerung der zollfreien Nohleineneinsuhr nach Deutschland be klagt. Bon der Regierung wurde Las Hinwirken auf schleunige Rücknahme der deutschen Beschränkungen und eventuell eine Export prämie verlangt. Aus Wien, 19. Januar, schreibt man der „Post": Ma» theilt mir von einer Seite, deren Glaubwürdigkeit ich nicht anzweifeln darf, heute abermals mit, baß die Frage des österreichischen Ein, Marsches i» Bosnien und in die Herzegowina allerdings auf der Tagesordnung stehe, wenn auch nicht daran zu denken sei, daß ein solcher Schritt früher als in mehreren Wochen zur Ausführung ge- langen werde. Oesterreichs scharfes Betonen, baß eS beim FrietenS- schluß milspreche» müsse, ferner eine scheinbar kühlere Haltung Ruß land gegenüber, unv gewisse ähnliche Manöver seien nichts als die Einleitung zu jenem Unternehmen, daß man der Bevölkerung mund gerecht machen müsse durch de» Hinweis, daß Oesterreich thatsächlich gezwungen sei, seine speciellen Interessen selber wahrzunehmen. London, 21. Januar. Heute fand abermals ein KabinetSrath statt. Lord Derbys Gesundheit hat sich gebessert, so daß derselbe heute seine AmtSfunklionen wieder aufnehmen konnte. — Der „Stand ard" meint, sobald die Russen von Adrianopel auf Konstantinopel marschirten, sei die gebieterische Nolbwenbigkeit gegeben, die in der Thronrede angekündigten Vorsichtsmaßregeln eintreten zu lassen. London. Der englischen Negierung droht eine Schadenersatz klage in Höhe von 400,000 Pfund Sterling seitens des deutschen Unterlhanen, „Oberst" Steinbrecher, welcher als „erster Minister der Schifferinseln" durch ei» englisches Kriegsschiff widerrechtlich und gewaltsam von den Schiffer-Insel» entfernt wurde. Der Oberst Steinbrecher ist jetzt in Rew-Dork eingetroffen und bereitet die Denk schrift zur Begründung seiner Ansprüche vor. Er verlangt außerdem in berechtigtem Stolze, in allen Ehren durch ein englisches Kriegs schiff nach Samoa zurückgrbracht zu werden. — Biel empfindlicher als eine etwaige und — nach der bereit- erfolgten Verurtbeilung deö betreffenden Capitän- — wahrscheinliche Berurtheilung England- in dieser Klage dürfte dem stolzen Albion die vom „Deutschen Mon- tag-blatte" gebrachte Nachricht sein, daß eine Deputation von »en Schiffer-Inseln in Berlin eingetroffen ist, um mit Deutschland ein Freundschaftobündniß abzuschließen. Athen, 21. Januar. Die Nationalversammlung in Kreta sandte den Mönch Parthenio Kelaidi ab, um dem russischen Kaiser eine Petition zu überreichen, welche ihn zu den Siege» beglückwünscht unv bittet Kreta'S bei dem Frieven-schlusse eingedenk zu sein. Eine Ab schrift der Petition wurde dem hiesigen russischen Gesandten mit- gethcilt. Centralasien. In Taschkent traf die Nachricht ein, daß die chinesischen Truppen plötzlich zum zweiten Male vor Kaschgar erschienen sind und dieses durch einen Handstreich genommen haben. Der Emir von Kaschgar, Beg-Kuli-Beg, ist dem Blutbad entronnen und sucht im Ferghanagebiet, auf russischem Boden, russische Hülfe an. Das ganze Kaschgar'sche Reich ist in Händen der Ehinesen. Uohales uud Sächsisches. Zwönitz. In allen Städten und Ortschaften unseres Vaterlandes vereinigen sich verabschiedete Militärs, uni das kameradschaftliche Bano auch im Eivilstand unter sich zu erhallen. So geschah eS im Orte Weißenborn, wo voriges Jahr ein Militärverein gegründet wurde, daß man gestern, de« 20. Januar, das erste Stiftungsfest im schön dekorirten Saale des oberen Gasthafes daselbst feierte. Zu dieser Feier waren Einladungen an die Gemeindebehörde, an die Direktion der dortigen Papierfabrik, sowie an die Militärvereine zu Freiberg er gangen, welche sämmtlicy der Einladung Folge leistete». In der heitersten Stimmung bewegten sich die geladenen Gäste in Mitte der Mitglieder und zollte» damit dem Verein ihre Achtung. Die Feier endete in Ler fröhlichsten Stimmung erst in der frühesten Morgen stunde. * Der Gewerbeverein zu Zwönitz hielt am 19. d. M. im hiesigen Schießhause seine 9. Jahresversammlung ab, besucht von ea. 170 Mitgliedern. Hierbei trug zunächst Herr Banmeister Aug. Pöschel, schon seit mehrere« Jahren wackerer Vorsteher des Vereins, seinen in. klarer und umfassender Weise gehaltenen Jahresbericht vor, au- welchem hauptsächlich zu ersehen war, daß zwar der Verein im abgelaufeneu VereinSjahre wegen einiger hindernder Umstände weniger Versamm lungen abgehalten hatte, al- wie in den vorhergehenden Jahren, daß aber trotzdem dadurch der rege» Thätigkeit und Bedeutung des Ver eins kein Eintrag widerfahren war. Die wenigen Vorträge und Vorlesungen boten des Interessanten soviel dar, daß stets eine zahl reiche und aufmerksame Zuhörerschaft herbeigezogen wurde, und er freulich ist es, überhaupt csnstatiren zu können, daß der Besuch der Versammlungen sich von Jahr zu Jabr immermehr steigert. Daß bei der diesmaligen Hauptversammlung die beliebte Schweinschlachk nicht fehlen durfte, sei nur nebenbei erwähnt. Macht nun auch die Vereinöcasse durch diesen langjährigen Gebrauch ein gar nicht zu verachtendes, profitables Geschäft; glaubt auch die Vereinsleituug in diesem Gesellschaftsessen ein kräftiges Zugmittel zu finden, der Generalversammlung möglichst viele Theilnehmer zuznführen: so glaubt doch Einsender dieses, sich gewiß im Sinne Vieler dahin aus spreche» zu dürfen, wenn er wünscht, daß in Zukunft zu Nutz und Fromme» des Vereins der alte Gebrauch einmal in Wegfall kommen möchte. Wie überhaupt nach de» Statuten alle Vergnügungen inner halb des Vereins ausgeschlossen sein sollen, so sollte doch am allc» wcnigsten gerade erwähntes Vergnügen auf so viele Mitglieder eine» so erheblichen — ja einzigen Einfluß auSl'ibe». Man würde von ter Leitung aus gut lhun, von nun an den sachlichen Zweck des Vereins etwas mehr in de» Vordergrund treten zn lassen, selbst auf die Gefahr bin, daß sich der Verein in Bezug auf Mitgliederzahl etwas abschwächte. Gegenwärtig zählt der Ver ein 184 Mitglieder, von denen einzelne auch in den Nachbarorten, wohnen. Rückblickend auf die ganze Zeit seit des Bestehens de- Vereins sei es diesmal auch gestattet zu erwähnen, daß den ersten Anstoß zur Gründung »eS Vereines der diesige KunstdrechSler Herr Ehr. Friedr. Nitzsche gegeben Hal, indem er im Jahre 1»li9 mit mehreren Ge sinnungsgenossen einen kleineren Verein in'S Lebens rief, welcher sich die Aufgabe gestellt halte, vorzüglich städtische Angelegenheiten in den Bereich seiner Besprechungen gelangen zu lassen; doch bald stellte sich das Mißliche dieser beschränkten Tentenz heraus, der Verein machte sich nach verschiedenen Seiten hin höchst unliebsam, viele werthe Mit glieder kehrten ihm in Folge dessen den Rücken, und bald hätte es ihm sein Leben gekostet. Zur rechte» Zeit lenkte man ein, vorzüg- lich durch den Eintritt neuer Mitglieder wurden dem Vereine neue Ziele gesteckt, und so hat sich denn derselbe, nachdem er erst noch manche Entwicklung-Phase durchlebte, endlich zu dem herau-geschält, was er jetzt ist. nämlich zu einem Gewerbeverein, welcher sich zwar nach den gegebenen Verhältnissen einer Kleinstadt auch nicht immer in dem engen Rahmen eines Vereine-, wornach er bloß gewerbliche Interessen zu vertreten hat, bewegen kann, der aber doch im Allge meinen ein Verein geworden ist, der Licht und Aufhellung de»