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Der Gren;bote Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus- hezahlbar, 1 Mk. 2o Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten und Postboten angenommen. TUW M Anzeiger für Adorf und das obere Vogtland Inserate von hier und aus dem Verbreitungs bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4 mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Pfg. Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: HKo Weyer in Adorf. Hierzu Sonntags die illustrirte Gratisbeilage „Der Zeitspiegel". 234. Dienstag, de» 9. Oktober 1900. 68. Iahrg. Politische Rnndfcha«. Berlin, 6. Oktbr. Wie der „Vorwärts" mittheilt, stehen für die neue Session des Reichs tages wieder größere Militärsorderungen bevor, und zwar für die Bewaffnung der Jäger- Bataillone und der Infanterie mit Maschinen gewehren. Berlin, 6. Oktbr. Mit der Möglichkeit, aus Sinanfu, wohin der chinesische Hof über siedeln will, vordringen zu müssen, wird, wie verlautet, in deutschen militärischen Kreisen schon seit einiger Zeit gerechnet. Man denkt dabei weniger an eine gewaltsame Zurückführung des Kaisers an den bisherigen Regierungssitz, als daran, ihn auf diese Weise von der fremden feindlichen Clique zu befreien, die sich mit feiner Person deckt und so, vor Strafe gesichert, das Feuer weiter zu schüren sucht. — Zu der Londoner Meldung, daß die englische Regierung für Südafrika, einschließlich der beiden annektirten Buren-Republiken, die Einführung von Diffentialzöllen zu Gunsten englischer Waaren in Aussicht genommen habe in der Absicht, die nichtenglischen Waaren von dort zurückzudrängen und Südafrika in engere Handelsbeziehungen mit dem Mutterlande zu bringen, schreibt die „Kreuzztg.": Auf die Dauer des Handelsprovisoriums, das bis 1. August 1901 verlängert worden ist, steht Deutschland dem neuesten handelspolitischen Vorstoß Englands geradezu rechtlos gegenüber, es ist bis dahin außer Stande, Abwehrmaßregeln zu ergreifen. Sollte sich bis zum 1. August 1901 eine Ver ständigung nicht erzielen lassen, so wird Deutsch land immerhin mit allen jenen Staaten in Ver bindung treten können, die durch den englischen Vorstoß ebenfalls geschädigt werden, zunächst mit der nordamerikanischen Republik, deren Aus fuhr nach Südafrika sich in den letzten Jahren außerordentlich gesteigert hat. Es ist anzunehmen, daß der Versuch Englands nach der Vergewalti gung der Buren-Republiken, sich in Südafrika eine handelspolitische Vorzugsstellung durch Ab drängung der nichtenglischen Einfuhr zu sichern, bei allen betheiligten Ausfuhrstaaten auf lebhaften Widerspruch stoßen wird. — Nach einer Meldung aus Schanghai kündet ein kaiserliches Edikt vom 29. September die Ueberjiedelung des Hofes von Tayuensu nach Sinanfu an. Wohlinformirte Kreise messen den jüngsten Edikten keine Wichtigkeit bei, man glaubt, sie sollten nur die Mächte irreführen. Es heißt, daß heimlich wilde Brandedikie heraus gegeben werden. Achttausend Mann chinesischer Truppen, von denen, welche dem Kaiserkanal folgten, haben sich der Kaiserin in Schansi ange schlossen. In Szetschuan haben wieder Ruhe störungen begonnen, andere Meldunaen bestätigen, daß der Hof mit den Edikten nur Zeit gewinnen wollte, er habe unterdessen seine Streitkräfte reorganisirt und sei mit ganzer Macht und allen angeblich degradirten hohen Beamten nach Sinanfu gezogen, weil er sich jetzt stark genug zum Widerstande halte. Sollten diese Beiürch- tungen durch die Haltung der chinesischen Re gierung in der That bestätigt werden, dann werden die Mächte zweifellos keinen Augenblick zögern, den schlauen Mandarinen gegenüber ganz andere Saiten aufzuziehen. Einen Vor geschmack davon erhält man bereits durch einen neuerlichen Vorschlag der amerikanischen Re gierung. Eine Washington-Meldung des Daily Chronicle zufolge machte Amerika den Mächten den Vorschlag, der Kaiser Kwangsi solle zur Rückkehr nach Peking bewogen und dort unter dem Schutze der Mächte mit einem Reformkabinet umgeben werden. Er solle dann die Kaiserin- Wittwe durch Edikt absetz-n und sie aller ihrer Würden verlustig erklären. Prinz Tuan müsse für seine Verbrechen mit dem Tode bestraft werden, und vor den Jntriguen der Kaiserin solle der Kaiser durch die Waffen der Verbün deten geschützt werden. Der Correspondent der Morning Post meldet aus Taku vom 1. Oktober, daß die Chinesen sich nicht der Niederlagen be wußt seien und das passive Verhalten der Ver bündeten als Schwäche auslegten. Sie seien der Ansicht, daß sie größere Erfolge als im Kriege gegen Japan erzielt hätten. Ihr Hauptbestreben sei, alle Fremden nach den Häfen oder nach Hause zu treiben. Mit Ausnahme der Briten, Amerikaner, Franzosen, Deutschen, Italiener, Belgier, Spanier und Skandinavier, die sie ge- tödtet, sei ihnen das gelungen. Wenn Krieg er klärt würde, hätten die Chinesen das Recht, meint der Correspondent, alle Fremden nach den Häfen zu bringen. So lange ein formeller Kriegszustand nicht bestehe, hätten die chinesischen Beamten die Fremden in ganz China zu schützen. Die Ausrottung des Christenthums und Bruch der Verträge und Concessionen sei das Ziel der Chinesen. Wenn Chinas Krieg mit der Welt in einem Compromiß ende, würde das Prestige aller Fremden ruinirt sein. Der Kampf zur Rettung des Hofes habe begonnen; neue Heere würden zu dem Zweck gebildet. Graf von Waldersees Politik müsse stark sein; seine Ausgabe erfordere harte Arbeit. Detroit, 6. Oktbr. Der Vater der Baro nin von Ketteler, der Gemahlin des in Peking ermordeten deutschen Gesandten ist in großer Be sorgniß, weil alle nach der Baronin von Kette ler angestellten Nachforschungen ergebnißlos ge blieben sind. Der Vater hat infolge dessen bei dem chinesischen Minister des Auswärtigen an- gefragt, um Nachrichten über den Verbleib sei ner Tochter zu erlangen. Die Baronin von Ketteter hat China im August verlassen, um sich nach Pokohama zu begeben, wo sie ihren Bru der erwarten sollte. Seitdem ist keine Nach richt mehr von ihr bei ihrem Vater eingegangen. Brüssel, 6. Oktbr. Der Empfang des Prinzen und der Prinzessin Albert war ein äußerst begeisterter. In Verviers, wo der Zug anhielt, kam es zu einem bedauerlichen Zwischen fall. Die sozialistischen Mitglieder des Gemeinde- rathes waren von dem Prinzen ermächtigt worden, ihm eine Adresse zu Gunsten politischer Verurtheilter zn überreichen. Der Flügeladjutant Jungbluth, der selbst die Ermächtigung telegra phisch mitgetheilt hatte, widersetzte sich jedoch der Ueberreichung. Nach einem heftigen Wortwechsel mit Jungbluth traten die Sozialisten zurück unter dem Rufe: „Amnestie, Amnestie!" Der Zwischen fall läßt für morgen anläßlich des Huldigungs zuges durch die Straßen der Stadt weitere be dauerliche Auftritte befürchten. Brüssel, 6. Oktbr. Die Fremdenpolizei macht bekannt, daß im maison äu xouplo ein anarchistisches Complot gegen den Prinzen Albert entdeckt und sechs Verhaftungen vorgenommen wurden. Unter den Verhafteten befindet sich jener Heuchot, der bereits mit Sipido auf der Anklagebank saß. Weitere Verhaftungen sollen morgen früh erfolgen. Paris, 6. Oktbr. Hier wird behauptet, Präsident Krüger habe seine Absicht, nach Eu ropa zu reisen, vorläufig aufgegeben. Der Kö nig von Portugal sei bemüht, eine Unterredung zwischen Roberts, Krüger und Steijn herbeizu führen, welche vielleicht bewirken könnte, daß England zu Concessionen bereit wäre, die nim mermehr erreichbar wären, wenn Krüger eine directe Intervention der europäischen Höfe und Regierungen in Anspruch nähme. Man sagt, die Königin von Portugal Hobe an die Königin Victoria geschrieben, und diese habe ihr in dem eben angedeuteten Sinne geantwortet. London, 6. Oktbr. Nach einer Peters burger Depesche suchte die chinesische Flotte in der Meerenge von Formosa den russischen, nach Shanhaikwan segelnden Kreuzer „Rurik" anzu greifen. „Ruriks" Geschwindigkeit hielt ihn aber außer Schußweite. Wahrscheinlich wird die alli- irte Flotte die chinesische Flotte zwingen, zu kapi- tuliren, oder sie zerstören. — Vom Kriegsschauplatz in Südafrika liegen zwei sich sehr stark widersprechende Nachrichten vor. Lord Roberts meldet zwar aus Pretoria vom 5. Oktober, daß die Zahl der Buren, die sich entweder ergeben oder gefangen genommen werden, täglich wächst und sich jetzt bereits an 16,000 belaufen dürste. Dagegen berichtet General Kelly-Kenny von einem unglücklichen Gefecht der Engländer, und die Abfassung seiner Mel dung erinnert an die schlimmsten Zeiten der englischen Berichterstattung in dem ersten Ab schnitt des Krieges, wo sie sich Schlappe auf Schlappe holten. Ein Bataillon Freiwilliger wollte nämlich eine Abtheilung Buren in der Nähe von Beltsontein überraschen. Aber trotz der vielen Gefangenen und Ueberläufer, zeigte sich hier, daß die Zahl der kämpfenden Buren doch noch größer war, als man erwartet hatte. Das Freiwilligen-Bataillon mußte sich nach einem dreistündigen Kampfe zurückziehen. Der General schließt seinen Bericht, mit der beruhigenden Mel dung, daß die Engländer nur sechs Verwundete hatten und fügt dann die ebenso unwahrscheinliche wie stereotipe Wendung hinzu: „Die Verluste der Buren waren schwer." — Die Auction von Gegenständen aus den kaiserlichen und prinzlichen Palästen in Peking, die von Europäern abgehalten werden, sind an sich eine originelle Erscheinung, aber am amüsan testen ist der Umstand, daß die Chinesen eifrige Bieter sind. Später können die erstandenen Sa chen den Besitzern den Kopf kosten. Bemerkens- werth ist, daß die Gegenstände von wirklichem Werth meist den Ausländern zugeschlagen wer den, obgleich der kluge chinesische Kaufman» trefflich zu schätzen versteht, wogegen die Einge borenen auf Diplome, Standeszeichen Mandari nenfedern, gelbe Reitjacken u. s. w. sehr versessen sind. Der kleine Mann will einmal den großen spielen. — Die Heldenthat eines japanischen Sol daten. Ein europäischer Correspondent berichtet der „Japanischen Times" von solgendem Zwi schenfalle, der sich bei der Einnahme von Tient sin zutrug. Die aus verschiedenen Contingenten zusammengesetzte Sturmcolonne stieß vor dem Stadlthore auf einen starkbesestigten Vorbau. Die 50 bis 60 Fuß hohe Stadtmauer schloß ein Erklimmen derselben aus. Um aber bis vor das Thor zu gelangen, mußte eine Brücke und ein völlig unbedeckter Platz genommen werden^ Trotz des Feuers der Chinesen von den Mauern herab, avancirte ein Trupp japanischer Sappeure, um das kleine Fort an dem Thore zu sprengen. Dreimal wurde die Zündschnur durch die Kugeln der Chinesen zerrissen und jedesmal hatten die Japaner den Muth, dieselbe von neuem anzu zünden ; als aber auch ein 4. Versuch vereitelt wurde, stürzte sich einSappeur mit Todesverachtung auf die Mine und hielt ein brennendes Zündholz unter dieselbe. Sofort erfolgte eine heftige Er- plosion, aber der heroische Japaner war i» Atome zerblasen. Diese That gehört sicherlich durch ihre todesverachtende Bravour zu einer der hervorragendsten Leistungen im chinesischen Feld zugs Oertttches und Sächsisches. Adorf, 8. Oktbr. Am Sonnabend Nach mittag 5 Uhr fand eine schlichte Hebefeicr des neuen Schulhauses statt. Nachdem sich die er-