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Der Gremlwtr und Postboten angenommen. Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus bezahlbar, 1 Mk. 2c- Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiserl. Postanstalten Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und F Tageblatt mb Anzeiger für Dorf und das obere Vogtland Inserate von hier und aus dem Verbreitungs bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4 mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Pfg. Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Atto Weyer in Adorf. Hierzu Sonntags die illustrirte Gratisbeilage „Der Zeitspiegel". 344.Sonnabend, den 30. Oktober 1800. 03. Iahrg. Norm. 10 Uhr sollen in Untergettengrün bei Ebmath I größere Partie Kartoffeln, 2 Schock Hafer und 20 Ctr. Hen gegen Baarzahlung versteigert werden. Versammlungsort: Restaurant zur Grenze. Adorf, den 18. Oktbr. 1900. Müller, Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Städtische Freibank^ im Freiberger Thorls a u s. Sonnabend, den 20. Oktober, minderwerthrges Schweinefleisch, L Pfand 45 Pfg. Ursache: Allgem. Tuberkulose. Politische Rundschau. — Berlin, 18. Oktbr. Der „Reichsan zeiger" meldet: Der vom heutigen Tage datirte ärztliche Bericht über das Befinden der Kaiserin Friedrich besagt: Im Verlaufe der letzten Tage trat eine erfreuliche Besserung ein. Das Herz kräftigt sich, der Puls wurde regelmäßiger und voller, der Katarrh nimmt langsam ab. Das Fieber besteht nicht mehr, die Nahrungsaufnahme hebt sich und damit der gesammte Kräftezustand. Eine langsame fortschreitende Reconvalescenz nach der acuten Erkrankung ist zu erwarten. Berlin, 18. Oktbr. Der „Neichsanzeiger" veröffentlicht folgendes Handschreiben des Kaisers an den Fürsten Hohenlohe: „Mein lieber Fürst! So ungern Ich Sie auch aus Ihren bisherigen Stellungen im Reichs- und Staatsdienste scheiden sehe, so habe ich doch geglaubt, Mich nicht länger dem Gewichte der Gründe, welche Ihnen die Befreiung von der Bürde Ihrer verant wortungsreichen Aemter wünschenswerth erscheinen lassen, verschließen zu dürfen. Ich habe daher Ihrem Antrag auf Dienstentlassung mit schwerem Herzen stattgegeben. Es ist Mir ein Bedürfniß, Ihnen bei dieser Gelegenheit, wo Sie im Be griff stehen, eine lange und ehrenvolle Dienst lausbahn abzuschließen, für die langjährigen, treuen und ausgezeichneten Dienste, welche Sie in allen Ihnen übertragenen Stellungen dem Reiche, dem Staate, sowie Meinen Vorfahren und Mir mit aufopfernder Hingebung und un ermüdlicher Pflichttreue unter den schwierigsten Verhältnissen geleistet haben, Meinen wärmsten Dank noch besonders auszusprechen. Möge Ihnen nach einer so thatenreichen Vergangenheit durch Gottes Gnade ein langer, glücklicher Lebensabend beschieden sein! Als äußeres Zeichen Meiner Anerkennung und Meines dauernden Wohlwollens verleihe Ich Ihnen den Hohen Orden vom Schwarzen Adler mit Brillanten und lasse Ihnen dessen Insignien hierneben zugehen. Ich ver bleibe Ihr wohlgeneigter und dankbarer Kaiser und König Wilhelm I. R. Homburg v. d. Höhe, den 17. Oktober 1900. — In einer sozialdemokratischen Wähler versammlung des 6. Berliner Wahlkreises trat jüngst der Sohn des „großen Alten", Dr. Karl Liebknecht, auf und begeisterte die „Genossen" durch eine „gewaltige" Rede im <Äil seines Vaters. Verschiedene seiner Aussprüche aber ver dienen Beachtung, denn sie haben den Vorzug der Offenheit. So äußerte der Redner: „Nichts vermag den Kolos des Kapitalismus zu bannen als die Sozialdemokratie, nichts als die Ueber- führung der Produktionsmittel in dcn Besitz der j Gesellschaft. Das ist unser äußerstes Ziel." — Also mit anderen Worten frei nach Bebel: „Es bleibt bei der Erpropriation!" Ferner erklärte Liebknecht, der Jüngere: „Die Sozialdemokratie ist antimonarchisch und republikanisch; sobald ein Volk mündig ist, hat sich auch die Monarchie überlebt." „Wir sind Feinde des Vaterlandes der Junker, der Pfaffen und des Vaterlandes der Kapitalistischen Ausbeutung, und ich möchte vorschlagen, wir legen uns den Namen der „Vaterlandslosen" als Ehrentitel bei." „Nun haben wir ja freilich einen Reichstag! Wir haben eine Verfassung! Wir haben ein Etats bewilligungsrecht! Aber dieser Reichstag hat sich prostituirt, was die Mehrheitsparteien anbe- langt, er hat sich selbst entmannt und empfängt nun von der Regierung dieVehandlung, die er ver dient." Man sieht, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm und wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen. Es ist ganz der alte Polterer. Berlin, 18. Oktbr. An der hiesigen Börse lief heute das Gerücht um, daß für den Fall einer Krisis zum preußischen Finanzminister der Direktor der Deutschen Bank, Reichstags abgeordneter Dr. v. Siemens, für eine eventuelle Nachfolge in Aussicht genommen wäre. — Auch der „Dtsch. Tagesztg." wird berichtet, daß Minister v. Miquel nicht mehr gesonnen sei, unter einem wesentlich jüngeren Ministerpräsi denten weiter seines Amtes zu walten. Das Blatt glaubt indeß kaum, daß Minister v. Mi quel sich durch derartige Erwägungen bestimmen lassen werde, sein ihm liebgewonnenes Amt auf zugeben. — Heber den Aufstieg des Grafen Zeppelin mit seinen Ballon wird noch ausführlich Folgen des berichtet: Um 4 Uhr 45 Minuten ward auf der Ballonhalle die deutsche Reichsflagge gehißt, als Zeichen, daß das Luftschiff seine Reise an trete. Es herrschte leichter Ost über dem See. Der Fesselballon signalisirte in den oberen Schich ten günstige Windverhältnisse. Das Floß, auf dem der Ballon ruhte, wurde diesmal nicht von einem Dampfer herausgezogen. Ein paar Mann schoben es langsam aus der Halle, dann setzten die Propeller ein und trieben Floß und Ballon ziemlich rasch etwa 500 Meter in den See hin aus. Etwa 70 Soldaten bedienten die Leinen unter dem Commando von Hauptmann Siegs feld. Alles ging, ganz im Gegensatz zum ersten Aufstieg, rasch und merkwürdig ruhig von Stat ten. Kaum erschallte das „Los", so hob sich auch die Riesencigarre unter den lauten Zurufen der Zuschauer und Mannschaften ruhig und majestätisch empor in die Luft. Weit hörbar sausten die Propeller, und gleichzeitig konnte man das Hin- und Hereilen des 150 kss schweren Gewichtes beobachten. Es functionirte vom ersten Moment an absolut sicher und genan in dem Rahmen der Berechnung. Der Auftrieb geschah mit den Schrauben bis zur Höhe von etwa 400 Metern. In dieser Höhe nun hielt sich der Ballon bis zu seinem um 6 Uhr bei einbrechen der Nacht erfolgten Abstieg. Erst folgte der Ballon einige Minuten der Windrichtung, dann sah man, wie die Steuer einsetzten und die Mo toren mächtig arbeiteten. Es begannen die pro grammmäßigen Fahrten gegen den Wind ohne Verwendung von Baiast. Die Ausgabe war vorzüglich gelöst. Der Ballon arbeitete so rasch gegen den Wind vorwärts, daß ein ihm mit 18 lrm pro Stunde folgendes Motorboot bei voller Kraftentfaltung nicht zu folgen vermochte. Dann wurde die Wirkung des Laufgewichts durch eine Reihe von Manöver» erprobt. Es sunctionirte sofort tadellos. Nachdem das Luft schiff mit und gegen den Wind eine Reihe von Wendungen und Curoen ausgefühit, und die Nacht ziemlich rasch hereinbrach, vollführte es 6 Uhr 5 Minuten etwa 3 lrm von der Halle mitten auf dem See einen prächtigen Abstieg, vermittelst der dynamischen Kraft der Motoren. Während des Abstieges wurden noch Ballast säcke geleert. Das Aufsitzen der Ballonboote auf dem Seespiegel war eine Meisterleistung. Sachte setzte sich das vordere Boot glatt auf die Seefläche, während sich der Hintere Ballon- theil wie ein Schwan hob, bis er sich durch die Wirkung des Laufgewichts ebenfalls glatt setzte. Bis dahin war alles flott und ziemlich programmgemäß verlaufen. Nur zur Auffahrts stelle war der Ballon nicht zurückgefahren. Ob die Ursache in der eingebrochenen Dunkelheit zu suchen ist, werden wir im offiziellen Bericht vernehmen. Noch ehe der Ballon an den „König Karl" angeseilt wurde, war völlige Nacht eingebrochen. Tiefes Dunkel lagerte sich über den See und vergeblich waren die Be mühungen, das Luftschiff einzufangen. Der zunehmende Wind erfaßte das gasgefültte Fahr zeug, das leicht über den Wassern schwebte, und trieb es flinker, als es den Bootsinsassen und Hilfsmannschaften lieb war, seeaufwärts nach Konstanz zu. Hinterdrein auf der Jagd folgte unser Dampfer und dazwischen das kleine Schraubenboot „Württemberg". Das letztere kam in seinem Verfolgungseifer den ausgeworfenen Tauen zu nahe, verwickelte sich und büßte dabei die Gebrauchsfähigkeit seiner Schrauben ein. Nun ward die Situation eine Zeit lang un- gemüthlich. Auf den, Verdeck rannte alles hin und her, und die verschiedensten Commandos kreuzten sich. Als dann noch vom Ballon her der Ruf nach dem kleinen Schifssboot erscholl, eben weil das Schraubenboot actionsunfähig ge worden war, glaubten ängstliche Eemüther schon an etwas Schlimmes. Aber alles befand sich drüben wohlauf. Die Angst schwand sofort, als der Bericht kam: In den Gondeln alles gut! Als schon die Lichter von Konstanz in Sicht kamen, gelang es endlich, die Taue auszufangen, den Ballon zu fesseln und dann langsam wieder Manzell zuzusteuern. Die Strömung hatte den Ballon bis weit unterhalb Meersburg ge trieben. Es war Nachts kurz vor 10 Uhr, als unser Dampfer den Ballon der auf dem zurückgebliebenen Floß stundenlang harren den Militärmannschaft zur Bergung in der Halle abgab. Wien, 18. Oktbr. In einer Berathung der Führer der katholischen Volkspartei wurden folgende Grundsätze aufgestellt: Die Partei er klärt sich gegen ein czechisches Staatsrecht, tritt für die deutsche Vermittelungssprache in ihrem bisherigen Bestände ein, ist gegen jede aggressive Haltung gegen die deutsche Gemeinbürgschaft und wünscht ein Zusammengehen mit dem Polen klub, erklärt sich aber sonst für die Politik der freien Hand. Paris, 18. Oktbr. Der „Malin" berichtet, daß bei dem Orte Nesles eine Eisenbahnkatastrophe stattgefunden habe, bei welcher 18 Personen theils schwer, theils leicht verletzt wurden. Paris, 18. Oktbr. Aus Washington wird hierher gemeldet: Mc Kinleys Wahlagitatoren kündigen an, seine Wiederwahl werde die Heim- berusung aller amerikanischen Landestruppen aus den Philippinen im Gefolge haben, ein Arrangement mit Deutschland sei im Zuge, wo nach die Pacificirung der Philippinen mit deut scher Hilfe durchgefühlt würde. London, 18. Oktbr. „Daily Erpreß" meldet: Wie bestimmt verlautet, wird Lord Ro berts den Posten eines Generalissimus der eng lischen Armee nicht annehmen, weil die Regie rung ihm die Aktionsfreiheit, welche er bei der Annahme des Polens verlangt habe, nicht ge-