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Nr. 110. Pul-nitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 14. September 1911. Seite 8. kehr- genügenden Weise pflichtgemäßig, besonders durch Vorzeiguug der in den anderen Tageszeitungen mit rich tiger Preisangabe abgedruckten Anzeige, über die Ent- stehung des Irrtums aufgeklärt haben, so hätte der Be klagte nicht den etwa trotzdem ausrecht erhaltenden An forderungen der Kunden nachzugeben brauchen, um ei nen größeren Schaden abzuwenden. ES lag für sie keine Veranlassung zu der Annahme vor, daß rhr Ver halten, abgewiesenen Kaufliebhabern entstellt Dritten ge genüber, zum Gegenstand einer abfälligen Kritik gemacht werden würde. Eine wahrheitsgemäße Weiterverbreitung aber konnte unmöglich den geschäftlichen Ruf der Be klagten schädigen und ihr den Verdacht schwindelhaften Angebots zuziehen." Die Gründe sind sehr lehrreich und — Das furchtbare Mnimer-Unglück in der sächsischen Schweis. — 8. Dresden, 12. September. Ueber das entsetzliche Manöoerunglück in der 1. Infanterie. Brigade Nr. 45 werden uns aus Dresden noch folgende Einzelheiten mitgeteilt: Den diesjährigen Manövern der 1. Jnfan- terie-Brigade Nr. 45 lag die Idee zugrunde daß eine blaue Armee im Vormarsch von Westen auf die Elbe bei Dresden begriffen sei, gegen eine rote, die von der mittleren Neiße her vorgehe. Die blaue Armee hatte bereits am Montag mit der Kavallerie die Elbe er reicht, während die rote Armee sich von Bischofswerda her im Anzuge befand. Das der blauen Armee zugeteilte Oschatzer Ulanenregiment Nr. 17 hatte Befehl erhalten, in kleineren Trupps nach und nach zwischen Posta und Obervogelgesang, zwei kleinen Orten am linksseitigen Elbufer zwischen Pirna und Königstein die Elbe zu durchschwimmen. Diesen Befehl führten zunächst zwei aus 25 Ulanen bestehende Patrouillen aus, die unter dem Kommando der Leutnants von Luttitz und Stresemann standen. Die Offiziere schickten zunächst einen Ulanen voraus, um die Tiefe des Elb- stromeS mit der Lanze zu messen. Aber gerade bei der Station Obervogelgesang befinden sich in der Elbe mehrere Untiefen mit starken Strömungen, die allen die Elbe befahrenden Schiffern wohlbekannt find und nach Möglichkeit gemieden werden. Der voraus gerittene Ulan sand aber jene gefährliche Stelle nicht und ehe der in nächster Nähe wohnende und den Vor- gang beobachtende Schiffer Steinert den Soldaten eine Warnung zurufen konnte, schwammen je 25 Ulanen mit ihren beiden Offizieren an der Tete auf dem Rücken ihrer Pferde der Mitte de- Stromes zu um so schnell als möglich das jenseitige Ufer zu erreichen, und den sich be reits in den gegenüberliegenden Steinbrüchen zeigenden Feind aufzuspüren. Unbewußt aber schwömmen die Pferde jenen Untiefen entgegen. Der Strudel an dieser Stelle war derart stark, daß mehrere Pferde mit ihren Reitern mehrmals wie im Kreise herumgedreht und dann plötzlich in dir Tiefe gezogen wurden. Andere Reiter, die nicht direkt von der Strömung erfaßt wurden, wur den von ihren Pferden abgeschüttelt und dann ebenfalls dem Strudel zugetrieben; nur die beiden Offiziere wurden nicht der Untiefe zugetrieben.- Ihnen gelang es, ihre Pferde au» der gefährlichen Stelle fortzubringen und das rettende Ufer zu erreichen. Als sie aber sahen, daß ihre Mannschaften zurückgeblieben waren und verzweifelt mit der Strömung kämpften, ließen sie ihre Pferde laufen und sprangen abermals in den Strom, um ihre Leute zu retten. Vergebens. Auch sie wären bald ein Opfer der Fluten geworden, wenn nicht vom Ufer aus Schiffer in ihren Kähnen den tapferen Offizieren zu Hilse ge kommen wären. Die laut um Hilfe rufenden Soldaten konnten sich infolge ihrer schweren Ausrüstung nur kurze Zeit über Wasser halten. Sie versanken vor den Augen der entsetzten Uferbewohner und von den beiden Patrouil len konnten nur 15 das Ufer erreichen. Der Unteroffizier Dittrich, ferner die Gefreiten Jödicke, Possart, ObronScka, Wildenhain, die Ulanen Zimmermann, Gruhl, Huth, Börner und Reservist Kreyssig starben den Heldentod. Ihre Ka- meraden, die mit knapper Not dem Tode entronnen waren, bargen die im Strom treibenden 10 Leichen und betteten sie in einem am Ufer liegenden grünen Garten unter blühen- den Herbstblumen. Von den Pferden der ertrunkenen 10 Ulanen ertranken 2, die übrigen erreichten schwimmend das Ufer. Die von Aerzten unter Leitung des Ober stabsarztes I)r. Deelemann angestellten WiederbelebungS- versuche verliefen erfolglos. Die Leichen wurden am Dienstag nachmittag in Leichenwagen nach Dresden ge- schafft, wo eine große militärische Trauerfeier stattfand. Der KciegSmtnister Freiherr von Hausen begab sich mit einer Militärkommission an die Unglücksstelle. Der König, dem sofort Meldung erstattet wurde, benachrichtigte alsbald den Kaiser von dem schweren Unglück. Kaiser Wilhelm sandte an das Regiment und an den König herzliche Beileidstelegramme. Unter den Ertrunkenen sollen sich zwei Reservisten — unter diesen ein Familienvater — befinden, die zur Uebung eingezogen waren. Ein anderer Mann freute sich auf seine in acht Tagen bevorstehende Entlassung. Er hatte schon sein Aufgebot bestellt; statt zum Altar mutz die Braut aber nun zum Grabe schreiten. — Weiter wird noch mitget.ilt, datz drei Mann, die nur halbetäubt dem Wasser entrissen wurden, mit Hilfe des von Mit- gliedern des Samaritervereins Pirna an Ort und Stelle gebrachten Sauerstoffapparate- ins Leben zurückgerufen worden sind. Man hätte sonst dreizehn Opfer gezählt. Ein Ulan, der geborgen wurde, hielt noch krampfhaft die Lanze umfaßt, alle anderen dem Strome Entrissenen zeigten schmerzverzerrte Gesichter. Gegen 2 Uhr nach mittags brachten die Mannschaften des Samaritervereins die Toten auf Tragbahren nach den Kähnen, auf denen sie nach dem senseitigen Ufer übergeführt wurden. Hier wurden sie in Wagen gelegt und auf diesen nach dem Pirnaer Garnisonslazarett gebracht. DaS furchtbare Unglück erinnert an ein ähnliches Un glück, das sich am 8. August des Jahres 1863 bei Birkwitz ereignete und dem drei Mann des Gardereiter-Regiments zum Opfer fie.en. Damals ertranken zwei Korporale und ein Vizekorporal beim Durchreiten des ElbstromeS. überzeugend, so daß auch Geschäftsleute, die inserieren, daraus ihren Nutzen ziehen können. (Urteil des Obn> landeSgerichtS Colmar I 2. 8. vom 9 Juni 1911.) Kus dem Ssricklssaale. Bautze«, 12. September. (I. Strafkammer.) Bei der Firma A. E. Hauffe in Pulsnitz war der am 20. Januar 1893 zu Vollung geborene jetzige Modell tischler Friedrich Max Schr. al- Farbenmüller tätig ge wesen. In dieser Fabrik wurde nun im März und am 19. Mat ein zur Aufbewahrung von Bier und Geld die nender Schrank gewaltsam geöffnet und das eine Mal im Mai daraus ein Geldbetrag von über 1 Mk. gestohlen. Ferner waren verschiedenen Arbeitern aus ihren im Früh- stücksraum der Fabrik hängenden Kleidern Ztgarretten und dem Arbeiter Jänsch 1 M entwendet worden. Dies alles sollte der Schr. getan und sich damit des einfachen, sowie des versuchten und vollendeten schweren Diebstahls schuldig gemacht haben. Er bestritt jede Schuld und wurde heute nach umfangreicher Beweiserhebung freige- sprachen. — Schr. wurde durch Herrn Rechtsanwalt Zschucke-Bautzen verteidigt. vsrttnsr provuktsnbörss. Das Geschäft war heute sehr still, die Preise zunächst an der Vorbörse für Weizen und Roggen etwas fester auf höhere ameri kanische Notierungen. Nachdem sich aber wieder etwas stärkeres Angebot herausgebildet hatte, war eine Abschwächung hervorge treten. Schließlich trat aber auf Rückkäufe wieder eine Befestigung für Weizen um ca. Mk, für Roggen um ca. 1—1'/, Mk. ein. Hafer war dagegen etwas schwächer. Mais, Gerste und Rüböl wenig verändert. Wettervorhersage der Kgl. S. Landcswctterwarte zu Dresden. Freitag, den 15. September. Nord-Wind, wolkig, kühl, zeitweise Regen. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, den 15. September. Aufheiternd, meist trocken, Nacht kühler, am Tage mäßig warm. Mrcken-NacvriMtsn. Pulsnitz Sonnabend, den (6. September, s Uhr Betstunde. Pastor Resch. Sonntag, den (7. September, XIV. nach Trin 8 Uhr Beichte. >/,9 „ predigt. (Apostelgesch. (2, ( — ((). >/,2 „ Rindergottesdienst. (Matth. 6,25—32) 8 „ Dungfrauenverein. Amts woche: Pastor Resch. Donnerstag, den 2(. September, abends Uhr Bibelstunde in der Schute zu Friedersdorf. Pfarrer Schulze. „E> ist nicht»/ entgegnete Hedwig, die zu lächeln versuchte, »ich glaube, da» H«bstwetler war e», welche» mich mit einem Mal« so melancholisch machte. Die Bläst« fallen von den Bäume», di« Vögel ziehe» von dannen, und ich dacht«, ob nicht auch ich vielleicht bald von hier würde scheiden müssen." Welch seltsame Idee», meine liebe Hedwig!" sagte Sophie mit leisem Vorwürfe. «Ich glaube wirklich, e» ist so, wie Papa neulich sagte, du fühltest dich zu einsam bei un», du möchtest gerne wird« einmal eine Zeit lang in einer großen Stadt dich aushalten, Theater und Konzerte besuchen, Bälle mitmachen und dergleichen; hab« ich nicht recht geraten, Hedwig?" „Nein, mein gute Sophie, da» hak du nicht. Laß un« lieber von etwa« anderem reden. Hast du Herrn Elchs,ld nicht gesehen?" „Er jst vor etwa 10 Minuten hier vorbei gekommen." „Und du hast mit ihm gesprochen?" „Ja, er redete mich an und ich antwortete ihm." Uawillkürllch erblaßte Hedwig bei der «rinuerung an den vorhergehenden Auftritt, und dir» entging ihrer Freundin nicht, in deren Köpfchen fich mit einem Male gar sonderbare G-dau« len entwickelten. Wie, wen« die Beiden fich ein heimlicher Ren« dezvou» gegeben hätten. Dann war die Aufregung ihrer Freu«, di« erklärlich, dann waren aber auch die sonderbaren Aeußerun- gen zu begreife», welche dieselbe gestern über Herrn Eichfeld ge. tan hatte. Wenn Hedwig den Letzteren am Ende selbst liebte und ihn nur schmähte, um ihn den Augen einer Andere» al» unwürdig einer aufrichtigen Zuneigung erscheinen zu lassen. Der schöne Fremde haste «ine» unzweifelhaften Eindruck auf Sophie» romantisch angelegte» Herz gemacht, der Eifersucht«, teuf«! regte fich in ihr, und mißtrauisch schaute fie die Freundin von der Seite an. „Und diese Unterredung hat dich so schrecklich erregt?" fragte fie nach rin« Paus« w«it«r. „Da» ist allerding» seltsam. E« muß doch wohl s«hr merkwürdig« Dmg« gnedet haben, daß m«i»e ruhige Hedwig durch dieselben in eine solche Verwirrung vttsetzt werden konnte." Der Hohn, di« Ironie in ihren Worten war nicht zu ver. kennen. Derselbe klang umso verletzender, al« fie bei dem sonst so gutherzig,» Mädchrn etwa« ganz Ungewöhnliche« war. Hedwig sah ihr« Gefährtin verwundert an. vi« schien erst nicht zu fasse», worauf dl« soeben gehört« Bimirkung hivzielt«, dann aber lächrlt« fir bist«. «Sophie, ich verzeih« dir dtinen Irrtum, s«h« ich doch deut lich, daß der Mensch seinen unheilsamen Einfluß auch auf drin unerfahrene« Gemüt bereit« au»geübt hat. Wa« er mir g«sagt hat, da« darf ich dir heute noch nicht anvertrauen, bald jedoch, vielleicht morgen schon sollst du e» erfahren, und dann wirft du e« bedauern, auch nur einen Augenblick nur «inen solchen Ver dacht gegen mich gehegt zu haben. Und nun wollen wir w» Hau« zurücklehren, sür einen längeren Aufenthalt im Freren rst ,» doch schon zu kühl." Sophie folgte ihr, ohne ein Wort zu erwidern. Die vor- nehme Ruh« Hedw'g« wirkt« auf Sophi« stet» imponierend, so daß fir selten eine» Widerspruch gegen ihre in so bestimmtem Ton« vorgebrachten Aeußerungen wagte. Dir» hinderte fie frei lich nicht, an ihrem anfängliche« Verdacht festzuhalte«, und zum erste« Male, seitdem fie fich kennen gelernt, hatte «ine Mißstim mung gegen die Freundin f» ihrem Herzen sich «ingemstet. Herr Eichfeld schritt inzwischen rasch dem Städtchen zu. Zuweilen fühlt« «r in s«in« Brusttasche, ob da» Geld auch noch darin sei, und dann glitt jede»mal ein zufriedene» Lächeln über sein Gesicht. Vor einer Weinschänke in dem Städtchen macht» er Halt, besah fich aufmerksam da» Schild mit de, Ausschrist „Zur Stadt Bingen" und trat al»dann ein. Er bestellt« sich rinen Schoppen Wei» und außerdem ein starke« Kouvert nebst Tinte, Fed« und Papier. Aus da» Kouvert schrieb «: Einliegend 3000 Taler Herr» Joseph Brüninghausen in Hamburg, fleckte hierauf zwei weiße Bog,» Briefpapier in da»selbe und verfiegelte «» dann aus» sorgsältigfle. Nachdem er den Brief in die Tasche gesteckt, nahm er rinen sehr solide» Schluck Wein zu fich, lehnte fich nachlässig gegen die hölzern« Bank zurück und begann da» an wesend« Wirtlmädchen mit kritischen Blicke» von oben bi» unten zu muflerii. «Da» Kind ist wirklich ganz niedlich," sagte er schließlich vor sich hin, eine Ansicht, die von einem sehr anspruch»los«n Gr- schmacke zeugt«. Da» Mädch«n sah nämlich au» wt« «in« r«cht dnb« Bauttudirnr, da» Gesicht und die ganze Gestalt strotzten von Gesundheit und Krast, während die dicken roten Arme und Fäuste auch «in auf srin« physisch« Stärk« eingebildeter Man» sich nicht hätte zu schämen brauchen. Da» einzig« wirklich schöne an ihr war der kleine kirschenrot, Mund mit den blendend wei ßen Zähnen, di« sie denn auch im Bewußtsein diese» Vorzüge» sortwährrnd sehen ließ. Sie schien übrigen« gleichfall» an dem fremde» Herrn Gefallen zu finden, denn fie lächelte ihn freund lich an und wäre dann, al» dieser ihr ein Kußhändchen zuwarf, sicher errötet, wenn dir» bei ihr« roten Gefichmfarbe überhaupt möglich gewesen wäre. So begnügte fie fich damit, verlegen an ihrer Schürze zu zupfen. „Warum fitzen Sie so weit von mir weg?' begann Eich- selb die Unterhaltung. „Sie fürchten fich doch nicht vor mir? Wenn ich do» wüßte, stände ich auf der Stelle auf und ginge wiederum meiner Wege." Da» Mädchen lachte zwar nur, anstatt auf diese Frag« »u antworten, rückte aber gleichzeitig mit dem Stuhl» etwa« näher heran. — „Wie heißen Sie denn eigentlich, m«i« Gagel?" fuhr der freundliche Gast fort. „Ja, Sie brauchen nicht verlegen zu werden, denn ein Engel sind Sie tatsächlich. Wenigsten« habe ich neulich ei« Gemälde gesehen mit v«schirdenen Engettköpschen, und der schönst, von diesen glich dem Ihrigen auf «in Haar. Nun — antworten Sie mir nicht, wollen Sie mir nicht fügen, wie Sie heißen?" „Ich heiß« Bärwtl," rntgtgnete dir Dirn« zaghaft. „Ein schön« Name, Bärwel," da» soll wohl da»s«lb« sein wie da« lateinische Wort Barbara, und da di« heilig« Barbara dir Schutzpatronin d«r Artillerik ist, so haben Sie gewiß einen Artilleristen »um Schatz." „Ich hab« noch kein«» Schatz," rrlönt« e« verschämt au« Bärwel« Mund. „Wa, ? «>n so bildschön,« Mädchen hat noch kein«« Schatz," rief er au«. „Stnd denn die jungen Männer in dieser Brgend sämtlich mit Blindheit geschlagen, daß sie nicht sehen, welch löst- liche Perle unter den jungen Damen de« Städtchen« Sir sind? Oder wolle» Li« vielleicht überhaupt keinen Anbeter haben?" .E» will mich keiner," — entgrgnete Bärwel mit einem Anfluge von Schelmerei. (Fortsetzung folgt.)