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Der Grenzbote Der Grenzbote erscheint täglich niit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus bezahlbar, 1 Mk. 2o Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten und Postboten angenommen. Inserate von hier und aus dein Berbreitungs- bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reklamen die Zeile 20 Pfg. WW nS AWM für Mors und das obere Vogtland Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Htto Weyer in Abors. Hierzu die Sonntags erscheinende illustrirte Gratisbeilage „Der Zeitspiegel". V 47. Dienstag, den 27. Februar 100«. 65. Iahrg. Sächsischer Landtag. Dresden, 26. Febr. In der heutigen 33. öffentlichen Sitzung der Ersten Kammer steht eine Anzahl Kapitel des außerordentlichen Etats, welche zusammen die Bewilligung von 1693 000 Mk. forderten, auf der Tagesordnung. Die Kammer beschloß den einzelnen Deputationsan- trägen Folge zu geben und bewilligte: 150 000 Mark für Herstellung des zweiten Gleises von Wilkau bis Wiesenburg an der Linie Schwarzen berg-Zwickau (erste Rate), 102 000 Mk. für Er weiterung des Bahnhofs Herlasgrün (Nachpostu lat), 74 000 Mk. für Erweiterung des Bahnhofs Treuen, 382 000 Mk. für Herstellung einer Eisenbahnverbindung Johanngeorgenstadt Landes grenze und Umbau des Bahnhofs Johanngeor genstadt zum Grenzbahnhose (Nachpostulat), 900000 Mark für Erweiterung des Bahnhofs Werdau (Nachpostulat), 85 000 Mark für Er bauung eines Dienst- und Uebernachtungsgebäu- des auf Bahnhof Werdau. In der 52. öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer beschäftigte man sich mit der Erledigung von Schlußanträgen. Die Kammer beschloß zu Kap. 29 (Landtagskosten) die geforderten 165 250 Mark zu bewilligen. In der Schlußberathung des König!. Dekrets Nr. 16 beschloß die Kammer den Entwurf mit einigen unwesentlichen Abän derungen anzunehmen. In einer Petition hatte sich der Bauernverein von Ebendörsel und Um gegend um Abänderung der Nachaichungsord- nung an den Landtag gewandt und darum ge beten: „Die hohe Ständekammer wolle bei der hohen Kgl. Staatsregierung dahin vorstellig werden, den bestehenden Gesetzparagraphen über Nachaichung der Gewichte und Maaße so abzu ändern, daß für den ländlichen Landwirthschafts- bcirieb die Nachaichungsperiode aus eine Zwischen zeit von 6 oder 9 Jahren ausgedehnt und die Kosten für Nachaichung ermäßigt würden." Hierzu hatte der Kgl. Kommissar in der betr. Deputationssitzung die Erklärung abgegeben, die von den Landwirthen benutzten Maaße, Ge wichte und Waagen pp. unterliegen nur soweit der Nachaichung, als sie im öfsentl. Verkehr zum Messen und Wägen beim Kauf und Verkauf verwendet werden, während die Aichgegenstände, welche nur wirthschaftlichem Zwecke dienen, der Nachaichung nicht unterstellt sind. In übrigen seien diese Gebühren so unwesentlich, daß für je einen Interessenten für Nachaichung je nur 42'/g Pf. jährlich angerechnet werde. Die Deputation war deshalb dazu gekommen, die Petitionen, so weit sie sich aus Ermäßigung der Nachaichungs- gebühren beziehen, im oben gekennzeichneten Sinne der Kammer zur Ueberweisung an die Kgl. Staatsregierung zur Kenntnißnahme anzu empfehlen. Die Kammer beschloß: die Petitionen, soweit sie sich auf Ermäßigung derNachaichungs- gebühren beziehen, der Kgl. Staatsregierung zur Kenntnißnahme zu überweisen im übrigen ober aus sich beruhen zu lassen. Ferner ließ die Kammer die Petition des Kaufm. Spranger u. Gen. auf sich beruhen. -Deutscher Reichstag. 154.Plenarsttz«ng vom 24,Febr. 1 UhrNchm. Am Bundesrathstisch: Graf Posadowsky und Kriegsminister v. Goßler. Bei schwach besetztem Hause erledigte der Reichstag heute zunächst die zurückgestellten Kapitel des Reichsamts des Innern. Zum Titel: Beihilfe zur Betheiligung Deutschlands an der Weltausstellung in Paris nahm zunächst das Wort Reichskommissar Geheim- rath Richter, der an der Hand der auf den Tisch des Hauses niedergelegten Pläne ein Bild von der deutschen Abtheilung der Pariser Welt ausstellung entwarf und falschen Gerüchten gegen über feststellte, daß die Eröffnung der Ausstellung bis auf einige im Rückstand gebliebenen Gebäude bestimmt am 1. Osterfeiertage erfolgen werde. Abg. Dr. Roesicke-Kaiserslautern (B. d. L.) be dauerte, daß die deutsche Landwirthschaft auf der Pariser Ausstellung benachtheiligt sei. Von den ausgeworfenen 5 Millionen seien auf die deutsche Landwirthschaft nur 100 000 Mark entfallen. (Hört! hört! rechts.); darin liege eine schwere Benachtheiligung der deutschen Landwirthschaft. Dazu komme, daß die französische Regierung für die deutschen Rinder und Schweine, die für die Ausstellung bestimmt sind, eine 10tägige Qua rantäne vorgeschrieben habe, während für das englische Vieh ein sanitäts-polizeiliches Attest ge nüge. Er richte an den Reichskanzler, den er zu seinem Bedauern nicht auf seinem Platze sehe, das Ersuchen, diese Benachtheiligung der deutschen Landwirthschaft zu beseitigen. Auf den Einwand des Reichskommissars, daß die land- wirthschaftliche Abtheilung nur den 18. Theil der gesammten Ausstellung ausmache und in diesem Verhältniß auch nur mit der Subvention bedacht werden konnte, erwiderte Abg. Dr. Roesicke- Kaiserslautern, daß die gesammte deutsche Land wirthschaft doch unmöglich einer einzigen in dustriellen Gruppe gleichgestellt werden könne, die Regierung scheine den Werth des deutschen Zuchtmaterials zu unterschätzen. (Sehr richtig rechts.) Das Kapitel wurde hierauf bewilligt. Das Haus ging zur Fortsetzung der zweiten Lesung des Militäretats über. Zum Kapitel „Remontewesen" wünschte Abg. Dr. Hahn (V. d. L.), daß die Remonteankaufskommissionen mehr als bisher die direkten Angebote der Pferdezüchter, insbesondere auch der bäuerlichen, berücksichtigen möchten. Nach längerer Debatte, in der der Kriegsminister sich entgegenkommend äußerte, wurde das Kapitel bewilligt. Die übrigen Titel wurden ohne wesentliche Debatte geneh migt, ebenso der Etat des bayerischen, württem- bergischen und sächsischen Kontingents. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. Tagesordnung : Ertra- ordinarium; sodann Vorlage, betr. Diebstähle an Elektrizität. Schluß 6 Uhr. Politische Rundschau. Berlin, 24. Febr. Wie die „Voss. Ztg." meldet, hat das preußische Staatsministerium be schlossen, daß der Privatdozent Dr. Arons (Soz.) in Berlin aufgehört habe, Privatdozent zu sein. Zella, St. BI., 24. Febr. Der bisherige Polizeisoldat Mertens hier ist alsPolizeiwachtmeister in Kiautschau angestellt worden und bereits dort hin abgereist. Er bezieht in seiner neuen Stel lung 5000 Mk. Jahresgehalt und hat freie Wohnung. Kattowitz, 24. Febr. Wie der „Berg- und hüttenmännische Verein" meldet, sind heute sämmtliche Arbeiter der „Guido Otto-Zinkhütte" angefahren. Der Ausstand sei somit beendet. Wien, 25. Februar. In parlamentarischen Kreisen wird die politische Situation als eine ungünstige angesehen. Man hegt die Befürch tung, daß die alten Skandale, die jede parlamen tarische Verhandlung unmöglich machen, sich in der jetzigen Session des Reichsrathes wiederholen werden, daß die Regierung den Reichsrath und die Verständigungskonferenz vertagen und mittelst des A 14 weiter regieren werde. Daß das Cabinett Körber eventuell wieder zurücktreten werde, gilt aber als vollständig ausgeschlossen. Wien, 24. Febr. Der Landesvertheidigungs- minister Graf Welsersheimb sagte gestern im Ab geordnetenhause in seiner Rede: Die Buren seien tüchtige Soldaten und die Burenkriege seien eine interessante Erscheinung, aber man brauche nicht nach Südafrika zu blicken, um eine solche zu sehen. Die Tyraler hätten vor 90 Jahren ein Gleiches gezeigt; aber der Ausgang habe doch schließlich erwiesen, daß eine organisirte Macht nothwendig sei. Wien, 25. Febr. Wie verlautet, wird die Errichtung einer österreichischen Ausführungs agentur in Hamburg in allernächster Zeit erfol gen. Man verspricht sich dadurch für den öster reichischen Export große Vortheile. Budapest, 25. Febr. Unter den Klausen- burger Bürgern ist eine Bewegung im Zuge, um dem General Joubert einen Ehrensäbel zu übersenden. Die Sammlung weist bisher schon zahlreiche Unterschriften auf. — Der österreichische Thronfolger vermählt? Vor einiger Zeit kam die Nachricht, daß die Vermählung des österreichischen Thronfolgers, des Erzherzogs Franz Ferdinand, mit Gräfin Sofie Chotek stattfinden werde. Diese Nachricht wurde nicht dementirt, obgleich die österreichischen Blät ter nichts über die Sache brachten. Nun kommt aus Ungarn die interessante Nachricht, daß die Vermählung bereits stattgefunden hat. Um diese Vermählung zu verhindern — so heißt es in der Nachricht — gab man sich am österreichischen Hofe die erdenklichste Mühe. Aber es nutzten keine Vorstellungen, kein Bitten, keine Drohungen. Die Stiefmutter des Thronfolgers, Erzherzogin Marie Therese, bemühte sich vergebens, ihren Sohn umzustimmen. Der Monarch wendete ohne Erfolg seine ganze Ueberredungskunst auf und warf auch seine Autorität mehrmals umsonst in die Waagschale. Am 6. Februar wurde in Bruck a. d. Mur der Trauungsakt vollzogen. Die Gräfin Sofie Chotek langte Tags vorher in dem steierischen Städtchen an und erwartete im streng sten Jncognito den Erzherzog, der mit dem Wie ner Personenzuge um 11 Uhr Vormittags in Bruck eintraf. Der Prinz trug Civilkleider. Die Trauzeugen — zwei Verwandte der Gräfin — kamen aus Wien miti Erzherzog Franz Ferdi nand fuhr vom Bahnhofe nach dem Kloster, dessen Guardian schon alles zur Trauung vorbe reitet hatte. Außer dem Brautpaare, dem Prie ster und den beiden Zeugen war in der Kirche Niemand zugegen. Nach vollzogener Trauung reiste der Erzherzog noch am selben Nachmittag in die Reichshauptstadt zurück und nahm Abends am Ball bei Hof Theil. Es ist wahrscheinlich, daß damals selbst die intimste Umgebung des Erzherzogs keine Ahnung von dem Vollzug der Trauung hatte. Die Details der Trauung sind theils aus der nächsten Umgebung des Prinzen» theils durch die Verwandten seiner nunmehrigen Gemahlin allmählig in die Oeffentlichkeit ge drungen. Paris, 25. Febr. Der König von Sachsen wird am 1. März in Mentone erwartet, wo er eine Villa gemiethet hat und voraussichlich einen längeren Aufenthalt nehmen wird. Petersburg, 25. Febr. Gegenüber den englischen Meldungen wird ofsiziell konstatirt, daß die von dem russischen Finanzminister bei der englischen Bank hinterlegte halbe Million Pfund Sterling zur Tilgung der englisch-persifchen Anleihe zu verwenden, aber nicht zum Münzan kauf bestimmt ist K o nsta n t in op e l, 24. Febr. Der Staats- rath Jmail Kemal-Bey, sowie die Veranstalter der letzten Sympathieadresse für England und einige andere höhere Beamte sind verhaftet wor den. (Diese Nachricht scheint auf den völligen Sieg des russischen Einflusses beim Sultan hin zudeuten.) Brüssel, 25. Febr. Gestern Abend fand eine sozialistische Kundgebung gegen den Militaris mus statt. Eine große Menschenmenge durchzog die Straßen unter Absingen revolutionärer Lieder und Rufen gegen die „Blutsteuer". Brüssel, 25. Febr. Dr. Leyds bestätigte ! gestern in mehrfachen Unterredungen mit Ver-