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Der GrrnzVole Inserate von hier und aus dem Berbreitungs- bezirk werdm mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4 mal gespaltene Grundzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Pfg. Tageblatt mb Anzeiger für Adorf ilild das obere Vogtland Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus bezahlbar, 1 Mk. 2o Pfg. Bestellungen werden -in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten und Postboten angenommen. Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Atto Weyer: in Adorrf. 17. Dienstag, den 33. Januar 1900. 65. Iahrg. Deutscher Reichstag. ISl.Utenarsttznng nom 2V. Jan. 1UhrNchm Am Bundesrathstisch: Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, Graf v. Posadowsky, Graf v. Bülow, Nieberding und zahlreiche Kommissare. Bei wesentlich schwächer besuchtem Hause setzte der Reichstag heute die zweite Lesung des Reichs haushalts beim Kapitel Etat sdes Reichskanzlers fort. Erster Redner war der Abg. Dr. Hahn (Bund der Landwirthe), der einleitend dem Reichskanzler Schwankung der Regierungspolitik vorwarf, wie dies aus der Art und Weise her vorgehe, wie das Verbindungsverbot aufgehoben wurde. Er bedauerte nicht die Aufhebung des Verbindungsverbots, wohl aber den mvckns pro- ceckenüi, der nicht geeignet sei, die Autorität der Regierung zu stärken. Uebergehend zur gestrigen Reichspostdampferinterpellation bedauerte er bei aller Anerkennung eines diplomatischen Erfolges des Grafen Bülow, datz der Reichstag die Be sprechung abgelehnt und damit die Gelegenheit verpatzt hat, die Stimmung des Volkes gegen England zum Ausdruck zu bringen. So sehr er auch die Vorlage des Grafen Bülow auf dem Gebiete der auswärtigen Politik anerkenne, so müsse er doch bedauern, datz fortgesetzt die wirthschaftspolitischen Interessen des Inlandes hinter denen der auswärtigen Politik zurücktreten. Dadurch werde die Landwirthschaft aufs tiesste geschädigt. Redner widerlegte sodann im ein zelnen die gegen den Bund der Landwirthe er hobenen Vorwürfe, als ob er darauf ausgehe, das Land gegen die Regierung aufzureizen. Das Gegentheil sei der Fall. 'Die Führer des Bundes seien matzvolle Männer, die sich be mühen, die Gewcrbebewegung in Grenzen zu halten, die Regierung dürfte cs aber diesen maßvollen Männern nicht zu schwer machen. Zum Schlutz sprach Redner die Hoffnung aus, datz es dem Grafen Posadowsky mit seiner nalional-wirthschastlichenGesinnung gelingen möge, die entgegengesetzten Strömungen, namentlich die des Herrn v. Thielmann, siegreich zu überwin den. Nach einer kurzen Entgegnung des Reichs kanzlers, der sich nochmals dagegen wendet, als wolle er unter Uebergehung der Landwirthschaft Deutschland zum Industriestaat machen, erhält zuerst das Wort Abg. Bebel, der einem neuen Sozialistengesetz gegenüber mit der Mobilmachung der gesummten Millionen zählenden Sozialdemo kratie droht. Der Ausspruch, datz die Sozial demokratie eine vorübergehende Erscheinung sei, lätzt er gelten, aber nur in dem Sinne, datz die Sozialdemokratie aufhören werde, wenn sie ihr Endziel erreicht. Die weiteren Erörterungen hierüber schneidet der Präsident mit der Bemer kung ab, datz die kaiserliche Rede auf die Bebel anspiele, nicht im „Reichsanzeiger" gestanden habe. Abg. v. Kröcher (kons.) kommt nochmals auf seine neuliche Rede zurück und bleibt dabei, datz die Aufhebung des Verbindungsverbots in Anbetracht aller Begleitumstände ein schwerer Fehler der Regierung gewesen sei. — Denselben Standpunkt vertritt Fürst Bismarck (b. k. F.) der im übrigen dem Staatssekretär Grafen von Bülow sein Vertrauen ausspricht, weil dieser erklärt hat, am Dreibund und an der Freund schaft mit Rußland festhalten zu wollen. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Dr. Lieber (Et.) und Dr. Arendt (Rp.) und Stöcker (b. k. F.) kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Steinhauer einerseits und dem Abg. Wangenheim (B. d. L.) und Schrempf (kons.) andererseits. Der erstere hatte den Bund der Landwirthe angegriffen, daß er nur dem Großgrundbesitz helfen wolle und daß die Klagen der Landwirthe unbegründet seien. — Ihm er widerte Frhr. v. Wangenheim, daß Groß- und Kleinbesitz im besten Frieden mit einander leben soweit nicht gewisse Hetzer, die Unfrieden stiften wollen, Erfolg haben. Thatsache sei, daß der Landwirth heute nicht auf die Kosten komme. Abg. Schrempf (kons.) wies an einzelnen Bei spielen nach, wie sehr die Landwirthschaft auch in Süddeutschland darniederliegt. Der Abg. Klose (Et.) trat gleichfalls dem Abg. Steinhauer entgegen. Damit schloß die Debatte. Die ein zelnen Theile des Etats des Reichskanzlers wurden bewilligt. Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr. 1. Lesung des Unfallversicherungsgesetzes. Schlutz 6'/- Uhr. Politische Rnndkchatt. Berlin, 21. Jan. Gestern ist hier das Gerücht verbreitet worden, General Buller habe sich mit 25 000 Mann dem General Joubert ergeben müssen. Mit naiver Vorsicht fügt der talentvolle Erfinder jedoch hinzu: „In London will man noch keine dies bestätigende Meldung erhalten haben." Berlin, 20. Jan. Wie die „Volksztg." schreibt, wurde gestern in parlamentarischen Krei sen erzählt, daß die Schadenersatzansprüche in Betreff des aufgebrachten Reichspostdampfers „Bundesrath" sich auf 430 000 Mark belaufen. — Der „Köln. Ztg." zufolge beabsichtigten zum diesjährigen Geburtstage des Kaisers wie derum die Könige non Württemberg und Sach sen, sowie zahlreiche Fürstlichkeiten zur Beglück wünschung nach Berlin zu kommen. Von der Ausführung dieser Absicht ist jedoch nunmehr angesichts der schweren Erkrankung der Mutter der Kaiserin Abstand genommen worden. — Der Verlauf der Reichstagsverhandlungen über die Beschlagnahme deutscher Schiffe hat in England einen starken Eindruck gemacht. Ins besondere hat der Schluß der Vülowschen Rede, wo den Engländern Mangel an Rücksicht und Freundlichkeit gegenüber Deutschland vorgeworfen wurde, an der Themse eine Stimmung erzeugt, die in den Blättern einen zumeist erregten Aus druck findet. Die Times schreibt: Bülows Ant wort kann in England nur Ueberraschung und Bedauern erregen. Man hätte auf die so weit gehenden englischen Versicherungen eine weniger geizige Anerkennung erwarten können, wenn „Anerkennung" überhaupt das richtige Wort sei für den fast drohenden Schluß der Bülowschen Rede. Doch sei England bereit zu glauben, Bülow habe für heimische Zwecke einen schrilleren Ton anschlagen zu müssen geglaubt, als es bei verantwortlichen Staatsmännern üblich wäre, wenn sie internationale Fragen behandeln. Doch sei es nicht weise, internationale Fragen für eine große Flottenvorlage auszubeuten. Der Standard schreibt noch anmaßender: Selbst Bülow könne nicht immer die Galerie ignoriren. Doch möge man verstehen, daß England sein Recht der Detention und Durchsuchung von Schiffen nicht aufzugeben gedenke. Die eng lischen Flotten offiziere würden fortfahren, ver dächtige Schiffe jeder Nationalität zu durchsuchen mit derjenigen Vorsicht, welche Bülow unnötiger weise als fehlend bezeichnet habe. Hierzu drucken die Zeitungen triumphirend unter der Ueberschrift: Wieder ein deutsches Schiff beschlag nahmt! folgende Meldung des Reuterschen Bureaus aus Lorenzo Marquez ab: Das deutsche Segelschiff „Marie", aus Australien mit Mehl für die Transvaalregierung unterwegs, wurde vom britischen Kriegsschiff „Pelorus" unweit der Jnvakinsel an der Mündung der Delagoabucht festgenommen und ist mit Zwangsbesatzung an Bord nach Durban geschickt worden. Wie diese neueste englische Heldenthat eines englischen Lommandeurs mit den von Lord Salisbury er- theilten Zusicherungen zu vereinbaren ist, wird erst beurtheilt werden können, wenn nähere Mit- theilungen über die Beschlagnahme der „Marie" vorliegen. Da die englische Regierung den Ver einigten Staaten gegenüber bereits zugegeben hat, daß Mehl nicht als Kriegskontrebande zu behandeln ist, können wir gespannt darauf sein, ob dies Zugeständniß von deutscher Seite erst noch gesondert erstritten werden mutz, oder ob nicht ohne weiteres für deutsches Mehl das gleiche Recht gelten soll wie für amerikanisches. Im übrigen wird man in England beherzigen müssen, daß jede Behinderung der Zufuhr von Nahrungs mitteln nach Transvaal in erster Linie nicht die Buren, sondern die in Pretoria sitzenden englischen Gefangenen schädigen muß. Bei der Beschlagnahme der „Maria" handelt es sich also-um mehr als eine bloße, von den Eng ländern auf die leichte Schulter zu nehmende „Geldfrage." Hamburg, 20. Jan. Der Vorsitzende des Ausfichtsraths der Deutschen Ostafrikalinie Ad. Woermann richtete an den Staatssekretär Grafen Bülow folgendes Danktelegramm : „Ew. Ercellenz gestatte ich mir im Namen deutschen Ostafrika linie den aufrichtigen Dank für die energische und erfolgreiche Vertretung ihrer Interessen zu sagen. Unter solchem Schutze wird sich die Deutsche Ostafrikalinie, sowie die gesammte deutsche Rhederei allen Concurrenten zum Trotz kräftig weiter entwickeln können! Berlin, 20. Jan. Der „Voss. Ztg." wird aus Paris gemeldet: Mahmud Pascha setzte ei nem „Matin"-Mitarbeiter auseinander, es sei Verleumdung, daß seine Flucht eine Art Geld erpressung am Sultan sei; er wolle Besserungen in der Verwaltung der Türkei. Er stehe in Briefverkehr mit dem Sultan, und wenn dieser die verlangten freisinnigen Neuerungen nicht binnen wenigen Tagen bewillige, werde er sich in einem Aufruf mittels der Presse, die der Sul tan am meisten fürchte, an die öffentliche Mei nung Europas wenden, Wien, 20. Jan. Dem deutschen Turnverein in Laibach und Iglau war seitens der politischen Behörde der Gebrauch der Farben schwarz-roth- gold verboten. Dagegen wurde Beschwerde bei dem Reichsgericht erhoben. Dieses entschied heute, daß durch das Verbot das staatsgrundgesetzlich gewährleistete Recht der Bethätigung der Natio nalität verletzt worden sei. Den Farben Schwarz- roth-gold komme kein politischer, sondern nur ein nationaler Charakter zu. Wien, 20. Jan. Das Eisenwerk Wittkowitz war gezwungen, den Hochofen in Sophienhütte, der seit siebzehn Jahren in Betrieb steht, auszu löschen. Die Gefahr gänzlicher Außerbetrieb setzung des Eisenwerkes ist vorhanden, wenn der Streik längere Zeit dauert. Das für gestern Nachmittag in Kladno einberufene Einigungsamt mußte sich beschlußunfähig erklären, weil seitens der Unternehmer nur ein Mitglied erschien. Die Situation hat sich dadurch verschärft. Die Ar beiterschaft rüstet sich zu hartem Kampfe. Der Bergleuteverband Kladno wendete sich gestern schriftlich an die englische sozialdemokratische Or ganisation „Union" um ein Darlehen von zwei Millionen Kronen. In Turn hielten Vertrauens männer Reviere Komotau, Brür, Teplitz eine Versammlung ab. Es wurde einstimmig der Streik für das ganze westböhmische Kohlenrevier proklamirt. — Das Triester italienische Blatt „Avanti" meldet, nächster Tage gehe ein österreichischer Lloyddampser mit einer Ladung von Pferden, die in Oesterreich-Ungarn und Rußland zu- sammengekaust und für die englische Kavallerie in Südafrika bestimmt sei, ab. Das Blatt for dert die österreichische Regierung auf diese Ver letzung der Neutralilät nicht zuzulassen. — Der bisherige nordamerikanische Konsul Macrum aus Pretoria ist an Bord des Ostafrika dampfers „König" in Neapel eingetroffen. Er sagte dem Korrespondenten der „Central News", datz Präsident Krüger ihn mit einer besonderen Mission an den Präsidenten Mac Kinley betraut