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funden worden. Da an dem Körper des Entseelten zwei Schußwunden, eine am Kopf, die andere in der Brusthöhle, wahrgenommen wurden, so stieg die Bermulhung auf, daß hier ein Mord vorlicge. Es hat sich jedoch den ganzen Umständen nach herausgestellt, daß hier ein Selbstmord vorliegt und hat die Section ergebe», daß sich dieser Un glückliche zuerst in den Kopf geschossen, da dieser Schuß jedoch nicht tödtlich gewesen, einen zweiten beigebracht hat, welcher das Herz und die Lunge getroffen und hierauf der Tod sofort eingetreten ist. Der Unbekannte soll ungefähr 26 Jahre alt und übermittlcr schlanker Statur gewesen sein. Außerdem hat derselbe ein kleines blondes Schnurrbärtchen und dunkelbraunes Kopfhaar. Eibenstock, 13. Octbr. Unsere hiesige Industrie hat auf der Weltausstellung in Philadelphia nur durch unsere beiden größten Ge schäftshäuser Vertretung gefunden. Um so angenehmer ist es, zu er» fahren, daß beide Firmen: C. G. Dörffel Söhne und M. Hirschberg u. Co. prämiirt worden find. Schneeberg, 18. Oct. Am 16. d. M. wurde in dem benach barten Dorfe Griesbach vom hiesigen Gensdarm ein Hund erschossen, welcher nach Untersuchung des TbierarzteS toll gewesen sein soll. Markneukirchen. Am 13. Oct. informirte sich Geh. Reg.- Rath Böttcher aus Dresden wegen der vom Ministerium des Innern daselbst vorzunehmenden Gründung einer Fachschule für Musikinstru mentenbau und veranlaßte die belheiligten Kreise zur Präcisirung ihrer Wünsche bez. zur Formulirung von Vorschlägen zur Gründung und Organisirung einer Fachschule, wie sie den localen Verhältnissen und Bedürfnissen Markneukirchens am besten entsprechen würde. Vermischtes. * Wie weit geht Freundschaft? In einer Gesellschaft wurden Fragen gestellt, welche von den Betreffenden in Versen beantwortet werden mußten. So ward auch einer gefragt: „Wie weit geht die Freundschaft?" Das ist zu schwer, riefen Einige, ein anderes Thema! Jener dagegen besann sich und sprach: Merkt Leutchen Euch, die Freundschaft geht, Und wenn die Well auch ewig steht — Wohl mit in's Grab, zur Himmelshöh', Doch niema's bis in's — Portemonnaie! * Realschule in Sibirien. Aus Petersburg wird der „Deutschen Ztg." gemeldet, daß am 1. d. M. in TroickosawSka an der chinesischen Grenze die erste Realschule eröffnet worden sei. * Im ehemal. Klostergarten zu Grünhain fand man am 13. Octbr. blühende Veilchen. * Civillisten. Ein Pariser Blatt bringt folgende Mittheilung über die Civillisten der Oberhäupter der europäischen Großmächte: Der bestdotirte Herrscher ist der Kaiser von Rußland, welcher 125,000 Franks täglich bezieht; der Sultan Hamid bezieht täglich 90,000 Frks., der Kaiser von Oesterreich 50,000 Franks, der deutsche Kaiser 41,000 Frks., der König von Italien 32,000 FrkS., die Königin von England 31,350 Frks. Ein heimliches Verhältniß. Humoreske von Otto Girndt. III. (Fortsetzung.) Das Auge der Mutter folgte ihnen, und die gepeinigte Frau sprach vor sich hin: „ES ist doch kaum zu glauben, daß sie die un schuldige Miene behielte, wenn sie sich getroffen fühlte. Aber wiederum das Documeut, das gegen sie spricht, und der bedrängte Familien vater?" Da öffnete Johann das Vorzimmer und meldete den Herrn Rittmeister. Ein Wink der Tante gewährte Einlaß, der Neffe stand vor ihr. „Theuerste Taute, verzeih', ich komme nur, um mich zu entschul digen, weil ich Euch heut Nachmittag nicht in den Kaffeegarten be gleiten kann." Frau von Busse drückte ihre Hand an die Schläfe; „Aufrichtig gestanden, lieber Max, Du erinnerst mich erst wieder, daß wir die Partie machen wollten." „Dir ist nicht wohl, Tante?" „Nein, mein Sohn, ich bin verstimmt, recht verstimmt!" „Die Frage, worüber, kann ich mir schenken," sagte Hill. „Du hast von Leontinen erfahren —" „Was soll ich von ihr erfahren haben?" unterbrach die Dame hastig. „Daß sie mir gestern Abend einen regelrechten, wohlgeflochteuen Korb gegeben." Die unglückliche Mutter schlug beide Hände vor's Gesicht: „O, o!" Der Neffe stellte sich, als sei er ebenfalls schwer bekümmert: „Ja, eS ist ein harter Schlag, beste Tante!" Dumpf lallte Frau von Busse: „Bis jetzt zweifelte ich noch." „Ich keinen Moment!" entgegnete Hill. Sie faßte seine Hand.- „Max, vor dem Kriege warst Du Leon- tinenS Ideal." „Wenn Du Dich nur nicht irrst!" gab er zu bedenken. „Ich hielt mich nie dafür." Sie hielt ihre Ueberzeugung aufrecht: „Wenn ich Dir sage, Du warst ihr Jceal, so kannst Du mir glauben! Die Veränderung ist erst in Deiner achtmonatlichen Abwesenheit eingetreten. Hat Dir Leontine auch gestanden, wer Dein Bild verdrängt?" „Daran kein Gedanke, gute Tante; noch ist sic kalt gegen unser ganzes Geschlecht." „Glaubst Du?" fragte die besser Unterrichtete bitter. „Ich habe den Gegenbeweis iu Händen." „Tante!" F>au von Busse schöpfte Athem: „Sie hat ein heimliches Ve.- hältniß!" „Mit wein?" lächelte er ungläubig. „Ja, wüßl' ick daö! Erst diesen Morgen erhielt ich Kenntniß davon durch zwei Zeilen ohne Unterschrift —" Hill neigte daö Ohr: „Ohne Unterschrift?" „Die Leontinen zu einem —" die Tante hielt aus Scham das * Tuch vor die Augen — „Stelldichein laden." Der Rittmeister stellte die Hand in die Hüfte: „DaS ist nicht übel! Tante, Du bist mislificirl!" Sie wollte in die Tasche langen: „Sieh hier, überzeuge Dich!" Er kam ihr jedoch zuvor: „Laß stecke», ich brauche das Ge- schriebeue nicht zu sehen; erkläre mir nur, wie es an Dich gelangen konnte!" Sofort gab sie ihm Aufschluß: „Wir kommen gestern Abend nach Hause, Leontine findet einen Bettelbrief —" „Was findet sie? Einen Bettelbrief?" „So spiegelt sie mir vor." Hill biß sich auf die Lippe: „Köstlich!" Die Tante fuhr fort: „Ich gebe Auftrag, wenn der Ueberbringer sich wieder melde, ihn zu mir zu führen; heul früh kommt demzufolge Johann —" Auf's Neue fiel ihr Hill i» die Neve: „Und händigt Dir den zweiten Brief ein? Tante, Du bist niystificirl!" „Ich begreife Dich nicht, Max!" Er wiederholte mit Fleiß ihre eignen, unlängst vernommenen Worte: „Wenn ich Dir sage, Du bist mhstificirt, so kannst Du mir glauben!" „Liefre mir den Beweis!" forderte sie. Aber das lag dem Neffen fern. Er suchte sich wie ihr anders zu helfen: „Es giebt Dinge, die sich nicht beweisen lassen, indeß man hat die Wahrheit im Gefühl. Kennst Du Dein eignes Kind nicht besser?" schloß er mit sanftem Vorwurf. Der Argwohn der Mutter war nur leider zu tief gewurzelt. „Warum," fragte sie, „war der erste Brief das Bittgesuch eines be drängten Familienvaters?" „Weiß ich's?" lachte Hill. „Aber das weiß ich: den zweiten legst Du falsch aus. Du hast Deine» Verdacht hoffentlich zu Nie mand geäußert, als zu mir?" Die Tante schluckte verlegen: „Wie würde ich?" Ihr Zwie gespräch mit ihrem Banquier mochte sie dem jungen Mann nicht verrathen. „Dann ist's gut," lobte er. „Vor der Hand glaube auf meine Versicherung an die Schuldlosigkeit Deiner Tochter, bis ich Dir Auf schluß bringe, welche Bewandtniß es mit dem Familienvater hat!" Sie faltete die Hände: „Wenn Du das vermöchtest!" „Ich habe einen kleinen Gang zu thun," sagte er, „in einer Stunde sehe ich Dich wieder." Sie reichte ihm die Rechte: „Max, welch edler Mensch bist Du! Leontine vernichtet Dein Glück, und Du trittst noch für sie in die Schranken." Mit scheinbarem Ernst versetzte er: „Ein Glück, das sich uns entzieht, wäre vielleicht nicht unser Glück gewesen. Und so edel, wie meine verehrte Tante denkt, bin ich keineswegs. Ich gehe mit dem Gedanken um, mich für die erlittene Versckmähung an meiner Cousine zu rächen. Ich lege mich nicht in den Tod, sondern zeige ihr, daß ich auch ohne sie leben kann." „So ist es männlich!" zollte die Tante seiner Entschlossenheit ' Beifall. „Ja noch mehr," knüpfte er an, „ich werde mich einer andern Dame nähern, und zwar vor Leonlinens Augen; ich werde ihrer Freundin Wanda den Hof machen." „O, wenn Wanda nur von einer Verbindung hören wollte!" klagte Frau von Busse. „Du wärst ein Mann für sie, wie Keiner! In Deiner Hand behielte ihr großes Bcsitzlhum seinen Werth; denn Du verstehst Etwas von der Oekonomie. Aber — sie will keinen Mann!" „Das ist mir einerlei," behauptete der Offizier, „Leontine soll nur sehen, daß ich ihr ohne gebrochenes Herz entsage." „Nein, Max," widersprach die Tante, „mit Wanda spielen darfst Du nicht! Bedenke, wieviel sie gelitten! Und Mädchenherzen sind wandlungöfähig. Setze den Fall, D,eme Aufmerksamkeiten wirkten wider Erwarten auf sie!"