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Amcher Nedacteur und Verleger: C. Bernhard Ott in Zwönitz. Smnabkvd, dcn 2l. Oclober 1876 1. Jahrg 56. Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. Abonnementspreis beträgt vierteljährlich 1 Mark 20 Pf. prssnumoraiiäo. für Zwönitz un-^lmgegend Die Uriegsausjlchten. Es gebt jetzt endlich auch all Denen, die durch Lobpreis der Friedensliebe Rußlands tapfer mitgewirN haben, die Krisis zu ver wickeln, ein klares Licht auf. Es zweifelt jetzt kein Mensch mehr daran, daß Rußland jede Wendung der Diplomatie, die auf Frieden auSgcht, durchkreuzt, um seiner Sucht nach Krieg zu fröbuen. Es scheint uns auch der Krieg von Seilen Rußlands beschlossene Sache zu sein, die durch keine diplomatische Vermittelung und durch keine Nachgiebigkeit der Türkei abznwenden ist. Wo Rußland selber Anstandshalber sich noch scheut, die Maske fallen zu lassen, wird Serbien für dasselbe Ziel cintreten, und wo der Fürst von Serbien noch gern die Friedensliebe leuchten läßt, wird der russische General und die russische Armee in Serbien den Liebesdienst dcö „Ungehor sams" leisten und durch thatsächlicheu Krieg alle diplomatischen Frie- denöschrankeu durchbrechen. Bei solcher Lage ver Dinge hängt der weitere Verlauf dieser Krisis weit mehr au der Stellung der anderen europäischen Mächte als von der Kriegsstärke Rußlands gegenüber der Türkei ab. Die englischen unabhängigen Zeitungen haben daher ganz recht, wenn sie dieser Frage weit mehr Aufmerksamkeit schenken, als den unpolitischen Entrüstungs-Meetings, die nicht wenig dazu beigetragen habe», die russische Kriegösnchl in den Mantel »er Humanität einzuhüllen. Nach allem, was sich bis jetzt übersehen läßt, kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß England sofort seine Flotte nach Con- stantinopel schickt, so wie von Seiten Rußlands der erste Kriegöschritt geschieht. Die englischen Kriegsschiffe haben doppelte Bemannung, um die türkische Flotte, der es nicht an guten Schiffen, wohl aber au tüchtigen Mannschaft fehlt, komplett auszurüsten. Diese Macht am Bosporus wird unzweifelhaft genügen, um Rußland im schwarzen Meer im Zaume zu halten und all die Pläne, welche es seit sieben Jahren mit seinen Vorbereitungen zu einem Seekrieg daselbstsgeschmiceel hat, zu vereiteln. Anders sieht eS freilich mit dem Landkriege aus. England kann diesen nicht verhindren. Frankreich und Deutschland Werde» aller Wahrscheinlichkeit nach sich gegenseitig in ihrer Neutra lität überwachen und damit unthätig bleiben. Auch von Italien haben wir vorauszusehen, daß es den Verlockungen Rußlands widerstehen und sich jedenfalls nicht in kriegerische Theilnahme einlassen wird. Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt hier in den Entschließungen Oesterreichs und in . der »Haltung der Donau-Fürstenthümer, welchen grundsätzlich vor zwanzig Jahren eine Selbstständigkeit verliehen wor den ist, nm zine Grenzsperre gegenüber russischer Eroberungssucht zu bilden. Da die Donau-Fürstenthümer,selbstverständlich allein nicht im Stgnd sein würden, Rußland Einhalt zu thun, so hängt ihr Verhalten, tporauf viel aukommt, ganz entschieden von den Schritten ab, welche Oesterreich offen zu thun sich entschließt; und dieser Punkt ist es auch, um welchen sich augenblicklich die ganze Situation dreht. Daß Oesterreich sich verlocken lassen wird, an dem Eroberungs zug Rußlands theilzunehmen, das glauben wir nimmermehr. Es käme diese Thal einem Selbstmorde gleich, da Deutsch-Oesterreich und Ungarn durch jede Vermehrung des slavischen Elementes in Oesterreich der Auflösung und Zertrümmerung entgegengetrieben würde. Die ganze intellektuelle und moralische Kraft Oesterreichs beruht auf dem einmüthigen Zusammenhang zwischen Deutsch-Oesterreich und Ungarn, und die Abwehr gegen das Slaventhum ist eben der Kitt, der diesen Zusammenhang festhält. Man spricht zwar von einer russischen Partei in der Wiener Hofburg, welche hinter dem Rücken der Minister ihre Fäden spinnt; allein so bornirt ist auch die Hofburg nicht, um die Gefahr nicht zu sehen. Die Voraussetzung gründet sich auch nicht auf Thatsachen, sondern auf die Verstecktheit, in welcher Oesterreich seine Politik leitet, und welche man leicht nach Belieben färben kann. Oesterreich will den Frieden und hat Grund ihn zu wollen, und wird unter keinen Umständen früher seine Gegnerschaft durchblicken lassen, bis Rußland sich vor der Welt demaskirt haben wird. Wir müssen in dieser Beziehung daran erinnern, daß Oesterreich im Jahre 1853 ganz ebenso wie jetzt seine Haltung sehr verdeckte. Ja, diese Verhüllung der Ziele ging damals so weit, daß man lange Zeit nach den Kriegs Erklärungen der Westmächte gegen Rußland noch immer in der öffentlichen Meinung zweifelhaft blieb über die Stellung Oesterreichs und nur die Diplomatie klar darüber wurde, daß Oester reich ein kühnes Beispiel der Undankbarkeit gegen Rußland im Plane habe. Oesterreich kann und wird auch diesmal nicht anders handeln wie damals, wo es durch Besetzung der Grenzen das meiste beige tragen Hal zu den Niederlagen Rußlands in den Donaufürstenthümern. Von Ungarn und Deutschösterrcich läßt sich mit Gewißheit vorauS- sehen, daß es nur einer solchen Haltung der Negierung zur Stütze dienen wird. Freilich ist damit der endliche AuSgang des bevorstehenden Krieges noch nicht ersichtlicher; aber cs handelt sich auch für jetzt noch nicht um das Ende, sondern um die Haltung, welche die Mächte Europa'S dem Kriegskrängen Rußlands gegenüber einnehmen werde. Man kann im Allgemeinen nur sagen, daß die Türkei im Bündniß mit England und Oesterreich — die Neutralität von Frankreich und Deutschland vorausgesetzt — der Stärke Rußlands gewachsen ist, selbst wenn die Insurrektion in den türkisch-europäischen Provinzen einen wesentlichen Stützpunkt der russischen Kriegsmacht bilden würde. (O. Z.) Tagesgeschichte. — Aus dem industriellen Gebiete liegen, soweit es die durch die Philadelphia Ausstellung erzeugte Bewegung anbelangt, mehrfach interessante Kundgebungen und Betrachtungen vor, welche erfreulicher Weise auch der deutschen Industrie in ehrenvoller Weise gedenken. So hebt vor einigen Tagen ein größeres amerikanisches Blatt der Philadelphia Demokrat, vielleicht durch gewisse übermäßige Anpreisung der amerikanischen Industrie auf Kosten der deutschen angeregt, hebt hervor, welchen bedeutenden Antheil gerade deutsche Cultur und Technik an der überraschenden Entwickelung der amerikanischen Industrie gehabt habe. Die auSgewanderten Hunderttausende aus Deutschland, sagt das Blatt, gehörten zu den körperlich und geistig regsamsten Bevölkerungs- Elementen und ihr Eingreifen in die amerikanischen industriellen Ver hältnisse mußte von bedeutendem Effect sein, während ihr Abgang für das alte Vaterland ein Verlust war. Sobald diese deutschen Arbeiter einmal sich eingearbeilet hatten in das energische amerikanische Leben, brachten sie .sich durch ihre tüchtige technische und theoretische Vorbildung in allen Industriezweigen zur Geltung. In den Maschinenwerkstätten deö Landes, dcn großen SchifsSbauhöfen.den riesigen Wollen- und Baum wollenfabriken findet man Tausende deutscher Industrieller und Arbeiter, welchen ein großer Theil ihrer Fortschritte und Erfindungen zu ver danken ist. Manche neue Maschine, manche Verbesserung aller, kommt von deutschen Arbeitern, neue Modelle für Schiffe und neue Muster für Webereien haben Deutsche zu ihren Urhebern. Die Hebung und Verfeinerung des Geschmacks im Kunsthandwerk, in Gold- und Silber arbeilen, im feincrnen Eisen-, Zink- Bronzeguß wie in der Möbel schreinerei verdankt das Land vor allen Dingen deutschen Handwerkern und Künstlern. Noch mehr gilt dies von der Malerei, Bildhauerei und Photographie. Im Bergbau, in der Gießerei und in den chemichen Fabriken, in der Architektur und namentlich im Brückenbau nehmen Deutsche die hervorragendsten Positionen ein. Ein recht schlagendes Beispiel, wie viel die Arbeit Deutscher auch auf der Ausstellung zu dem vorlheilhaften Eindruck beigetragen hat, liefert die Thatsache, daß viele der schönsten und geschmackvollsten Schaukästen, durch welche die amerikanische Industrie glänzt, von deutschen Kunstschreinern und ihren Gehülfen gearbeitet wurden. Ein gut Stück der Eleganz im amerikanischen Departement ist deutsch-amerikanischen Kunsthandwer kern zu verdanken. — So findet die deutsche Industrie ihre ge bührende Würdigung in einem amerikanischen Blatte, während be rufene Vertreter derselben nur für die Leistungen fremder Industrie Verständniß haben. Berlin. Nachdem laut telegraphischer Meldung aus Vern die Regierung von Japan ihren Beitritt zum Weltpostverein vor Kurzem