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Dresden, 2. October. Se. Majestät der König sind gestern von Wien im Königlichen Jagdhause zn Rehefcld eingelroffen. Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Frau Prinzessin Georg sind gestern Nachmittag 4 Uhr nach München gereist. — Der königl. Große Garten feiert in diesem Jahre sei» 200. jähriges Bestehen. Bereits in den Nummern vom 8. bis 13. Mai 1874 enthielt das „Dresdner Journal" einen ausführlichen Aufsatz über die „Geschichte und Entwickelung des königl. Großen Gartens bei Dresden" von E. am Ende, welcher zuvor im königl. sächsischen Altdrthumsvereine vorgetragen worben war. Diesem an gesammelten Thatsachen und Erinnerungen reichen Aufsatze, (.von welchem noch einige Einzelabzüge in R. v. Zahn's Buchhandlung zu haben sind,) sei jetzt hinzugefüzt, daß durch das darin bezeichnete Begründungsjahr 1676 die Angaben berichtigt werden, welche in den Beschreibungen Dresdens bisher enthalten sind. Es ergiebt sich diese Jahreszahl aber mit Sicherheit ans einem handschriftlich vorhandenen Berichte, welche» der Finanzprocurator CH. A. Fehre Ende vorigen Jahrhun derts dem Kurfürsten Friedrich August III. erstattete. Ans Grund eines umfänglichen Actenmateriales beginnt derselbe (fraglicher Kauf- gelber wegen) mit den Abgrenzungen, welche 1676 bereits auf Befehl des Kurfürsten Johann Georg II. vorgenommen worden waren, um auf Flurstücken, welche theils zn Strehlen, Strießen, Gruna, größeren- theilö aber zu Dekonomien der Stadt Dresden selbst gehörten, einen Laubwald auzupflauzeu. Trotz mancher feindlichen Geschicke hat sich derselbe im Laufe ver Jahrhunderte so verschönt, und erweitert, daß der große Garten sein Jubiläum als eine der herrlichsten Parkanlagen Deutschlands begehen kann. Leipzig, 30. September. Vorgestern wurden bei Gelegenheit des hiesigen Wochennialktes einige 30 Stück Hasen von Seiten des Stadtralhs in Beschlag genommen, welche, entgegen den Bestimmungen des Gesetzes über die Schonzeiten des Wildes von hiesigen Händlern zum Verkaufe auSgeboten wurden. Es half den Letzteren nichts, daß sie versicherten, sie hätten die Hasen auS Preußen bezogen. Zwilka». (Schwnrgerichtssitzung). Am 2. October erschien vor dem Königl. Schwnrgcrichtöhofe der Maurer Franz Gustav Trommer ans Taltitz, 37 Jahr alt, unbestraft, beschuldigt des Versuchs des in 8 177 deö RcichSstrafgesetzbuchö gedachten Verbrechens. Die Vertheiviznng Trommers führte Herr Adv. B. Freytag ans Leipzig. Die Königl. Staatsanwaltschaft vertrat Herr Staatsanwalt Schwabe. Die Geschworncnbank wurde gebildet aus den Herren Aamneister Znmpe aus Zwickau, Bürgerschullehrer Lippmann aus Zwickau, Ritter, gntsbesitzer Ebert ans Leubnitz, Fabrikant Hornung aus Auerbach, Oberförster Schulze aus Breitenbrunn, Rittergutsbesitzer v. Römer aus Steinpleis, Oberförster Grötzsch ans Langenbernsdorf, Kaufmann Gräser aus Werdau, Mühlenbesitzer Leonhard aus Noßwitz, Kassen- director Just aus Zwickau, Fabrikant Glafcy aus Crimmitschau, und Avvocat Müller ans Zwickau. Die Beweisaufnahme fand in geheimer Sitzung statt. Die Geschwornen bejahten die ihnen gestellte Frage. Der Gerichtshof verurtheilte den Angeklagten auf Grund deö Wahr- spruchö der Geschwornen unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Angeklagte die That nicht in völlig nüchternem Zustande begangen, zu Gefängnißstrafe in der Dauer von Einem Jahre. Zwickau. Am 16. October werden bei den Postanstalten auf den Bahnhöfen zu Döbeln, Chemnitz, Annaberg und in Leipzig auf dem bayrischen nnd Eilenburger Bahnhof Telegraphenbetriebsstellen mit beschränktem Tagesdienst eröffnet werden. Wolkenstein, 30. September. Heute wurde ans den benach barten Orten Streckewalde und Geringswalde zwei Brandstifter hier znr Haft eingcbracht. Der Hausbesitzer und Händler Hoyer in Streckewalde halte heute früh sein Haus in Brano gesteckt, doch ist cö der Thätigkeil der hiesigen Feuerwehr und der Spritzenmannschaflen aus Streckewalde und Himmelmühle gelungen, Vieles zu retten und die weitere Verbreitung des FeuerS zu verhindern. Der Brandstifter wurde zu Wagen in das hiesige Gerichtsamt eingcliefert. — Gegen Abend wanderte denselben Weg ein junger Bursche, der in Gerings walde in einem Schuppen Feuer angelegt hatte, das aber noch recht zeitig entdeckt und gedämpft wurde. Derselbe ist auch dringend ver- dächtig, das Schadenfeuer in der Neichelt'schen Mühle, welches vor- gestern Abend eine Scheune mit Vorräthen vernichtete, angelegt zu haben. Ein heimliches Verhältniß. Humoreske von Otto Girndt. II. (Fortsetzung) Frau von Busse kam mit ihren Begleiterinnen erst nach Hause, als der Abend schon tief hereindunkelte. Der Bediente Johann, der noch aus der Zeit des seligen Herrn von Busse stammte, halte Vor zimmer und Wohnräume sorglos erleuchtet, erhielt aber die Weisung, nicht zu servircu, weil die Damen in einem Pavillon neben dem botanischen Garten ihren Thee genommen. Er folgte ihnen trotzdem in den kleinen Salon; denn die Meldung lag ihm ob, Herr von Hill sei am Nachmittag dagewesen und habe die Herrschaften im Kaffee- garten aufsuchen wollen. „O, wie fatal!" grollte die Tante des Rittmeisters dem Schicksal. „Doch wer konnte es ahnen?" „Max muß seinen Unglückötag haben," mnlhmaßte Leontine. „Es giebt solche Tage, an denen man unternehmen kann, was man will, Alles geht schief." „Nun wird er uns," folgerte Frau von Busse, natürlich für heut aufgegebcn haben. Doch ich will ihm gleich eine Zeile schreiben, daß er uns morgen bestimmt trifft." Indem nahm Johann von einem Seitentischchen eine Tablette und präsentirte sie Leontine»: „Hier ist auch ein Brief für das gnädige Fräulein." Die Empfängerin sah nur flüchtig die Adresse an, sagte: „Gut Johann!" und der Bediente verschwand, da er Nichts mehr im Salon zu Ihn» halte. Frau von Busse küßte, ehe sie sich zum Schreiben in ihr Privat gemach begab, die Stirn des süddeutschen Gastes: „Ihnen, liebe Wanda, sage ich gute Nacht; da Sie sich erschöpft fühlen, gehen Sie am besten geschwind zur Ruhe." Fräulein von Brüning versprach zu gehorchen, Indeß Leontine ließ sie, da sie sich allein mit ihr sah, nicht sogleich fort, sondern zog sie am Aermel zurück: „Du solltest mich ja an Etwas erinnern, Wanda?" „Hat es nicht Zeil bis morgen?" weigerte sich diese. „Lieö ungestört Deinen Brief!" „Was wird darin stehen?" sagte Leontine gleichgültig. „Er trägt keinen Poststempel. Wahrscheinlich empfiehlt sich wieder ein neues Confectionsgeschäfl Haus bei Haus. Du willst nur die Ge legenheit wahrnehmen mir zu entschlüpfen. Wer kann jetzt schon die Augen schließen?" „Ich bin wirklich sehr erschöpft," klagte Wanda. „Durch Mama'S Predigt auf der Promenade über die heilsame StaatSeinrichtung deö Ehestandes?" Die Gefragte ward ungeduldig: „Genug davon, ich bitte Dich, Leontine! „Du mißverstehst mich," lautete die Erwiderung, „ich will nicht von Dir, sondern von mir reden. Weißt Du, was Mama sich zu sammengesetzt Hal? Mein Vetter Max —" „Wird Dein Gemahl werden," ergänzte die Andere. „So!" sprach Leontine ernst. Entsinne Dich aber, ich sagte draußen im Grünen: eö wird anders kommen!" „Dann wärst Du sehr thörichl," ließ Wanda vernehmen. „Findest Du denn den guten Jungen so liebenswürdig?" forschte seine Cousine. Statt geradeaus zu antworten, schalt das bayrische Fräulein: „Die Bezeichnung wählst Du milnntcr selbst in Herrn von Hill's Gegenwart. Ich wundre mich nur, daß er sie noch nie gerügt." „Er ist seit grauen Jahren daran gewöhnt," warf Jene leicht hin, „und würde Etwas vermissen, wenn er plötzlich den gulen Jungen nicht mehr Hörle. Indeß soll er erfahren, wer mir die Ver traulichkeit verwiesen." „DaS ist nicht nöthig!" verbat Wanda schnell. Leontine hatte ihre heimliche Absicht bei der ganzen Unterhal tung. Mit unmerklichem Lächeln ging sie behutsam einen Schritt weiter. „Also Du rälhst mir, wenn er feierlich um mich anhält, Ja zu sagen?" Wanda zuckle die Achsel: „Wunderliches Mädchen, wie kann ich oder irgendwer Dir dabei rathen?" „Sieh," versetzte die berechnende Freundin, „wie Du Dir wider sprichst, mein Engel! Zuerst wäre ich sehr thöricht, und nun ich dem Vorwurf entgehen will, ziehst Du Deine Meinung zurück." Wanda drückte die Hand an die Stirn: „Mir schmerzt der Kopf, Leontine; thu', was Dir beliebt!" Und sie wandte sich zum Gehen. Der Schalk aber hielt sie fest: „Nein, Du bist verständiger, als ich, und ich ordne mich Deiner Ansicht unter. Erkläre mir kurz und gut: würdest Du an meiner Stelle meinem Vetter Dein Wort geben ?" „ES handelt sich um Dein Wort, und daS gieb ihm!" Damit riß Wanda sich rasch loS und suchte ihr Zimmer. Leontine blieb stehen und sah ihr nach: „Wie sie auSweicht! Deutlicher könnt' ich's ihr doch kanm machen, daß ich ihr liebes Her; durchschaue. ES giebt Menschen, denen man ihr Glück aufdringen muß." Mit dieser leisen Reflexion wollte sie in die Thür ihrer Mutter. Da fiel ihr Blick auf den Brief, den sie noch in der Hand hielt. „Ja so!" murmelte sie, den Umschlag lösend. „Diese Zu sendungen kenne ich schon auswendig: „„Ergebenste Geschäfts-Anzeige. Einem hochgeehrten Publikum empfiehlt der Unterzeichnete sein reich haltiges Lager von —"" sie stockte nnd hob betroffen daS entfaltete Blatt an das Gaslicht: „Wie? Was ist das? Verse? Geschriebene Verse? An mich? Geschwind las sie: „Mein gnädiges Fräulein! In einem Garten vor dem Thor Klang eine Stimme an mein Ohr Gar hell und süß, ich horchte hin,