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zum Militär wieder einberufen, machte dann als Soldat den deutsch- französischen Krieg mit und wurde im Oktober 1872 vom Militär entlassen. Während der Jahre 1865—1872 ist er trotz seiner mehr maligen Beurlaubungen und seiner öfter» Anwesenheit in Dresden nur ein einziges Mal wieder mit seiner Frau zusammengekommen, sonst hat er sich nicht mehr um sie und das dieser Ehe entsprungene Kind gekümmert. Ende Oclober 1872 begab er sich in seine Heimath. Hier in Weißbach knüpfte er ein Verhältniß mit der ledigen Christiane Wilhelmine Kemter an, aus welchem zwei außereheliche, gegenwärtig 4 Jahre und 1 Jahr alte Kinder hervorgingcn. Von Weißbach zogen beide im Jahre 1874 nach Zschopau, mietheten sich ein und lebten im Eoncubinate zusammen. Das ging nun so, so lange es ging, — bis der Slabtrath zu Zschopau Kenntniß davon erlangte. Im November 1875 erhielten sie die schriftliche Aufforderung, das Verhältniß zu lösen. Weil sie drei Kinder zu unterhalte» hatten — denn inzwischen hatte Mehner auch daö Kind seiner Dresdner Frau zu sich genommen — so wollten sie dies nicht thun. Mehner bat beim Stadtraibe zu Ztchopau uni Aufschub unter dem Bewenden, daß er die Kemter ehelichen wolle. Hier wurde ihm auf Grund eines aus Dresden eingegangenc» Briefes der Einhalt gemacht, daß er ja in Dresden schon eine Frau habe. Allein Mehner gab das nicht zu, behauptete vielmehr, mit der Dresdner nur sich Handschlag gegeben zu haben, zur Trauung sei es nicht gekommen. Mehner und die Kemter begaben sich nun Ende November 1875 auf das Pfarramt zu Zschopau, um das Aufgebot zu bestellen. Auch hier gab sich Mehner als ledig ans. Das Aufgebot fand statt und beide wurden am 9. Decembcr 1873 in der Stadtkirche zu Zschopau getraut. Ein halbes Jahr später waren beide unter der Anklage der Bigamie. Jetzt stellte es sich auch heraus, daß berits im Jahre 1873 ein Brief von dem Vater der Dresdner Frau an den Gemcindevorstand in Weißbach gekommen war, daß dieser Mehner» und die Mutter der Kemtern hatte kommen lasse» und sie verwarnt, beziehentlich von dem Vorhandensein der Dresdner Frau in Kenntniß gesetzt hatte. Der Ange klagte Mehner konnte natürlich alle diese Thatsachen nicht in Abrede stellen und belief sich zur Entschuldigung darauf, daß er mit seiner Dresdner Frau unglücklich gelebt habe und jetzt seine Kinder nicht habe verlassen wollen. Die mitangeschuldigie Kemter konnte ebenfalls nicht in Ab rede stellen, daß sie schon vor der Trauung Wissenschaft von der Ehe des Ersteren gehabt habe, sie meinte aber, daß Mehner ihr gegenüber dies stets geleugnet und sie cs schließlich auch geglaubt hätte. Doch nach den dnrch die Beweisaufnahme erhobenen Thatumständen mußte auch sie schon vor der Zeit ihrer Verehelichung davon überzeugt gewesen sein, daß Mehner bereits eine Frau i» Dresden hatte. Beide wurde» durch den Wahrspruch der Geschworenen des Verbrechens der Doppelehe für schuldig erachtet, der Kemter jedoch mildernde Umstände zugebilligt. M-Hner wurde zu 2 Jahren Zuchthaus, die Kemter zu lO Monate» Gefänguiß verurtheilt, den« Ersteren auf die Strafe 2 Monate durch die Untersuchungshaft als verbüßt eingerechnet. — Vertheidiger: Herr Adv. Hammer und Herr Adv. vr. Enzmann. Obmann der Geschwornen: Herr Erbgerichtsbesitzer Carl Heymann von Olbernhau. Zwickau, 29. September. Gestern gegen Abend gerieth auf hiesigem Staatsbahnhofe der Wagenrücker Paul Otto Kolbe aus Lichtentanne beim Auswechseln von Wagen zwischen die Puffer. Die Verletzungen, welche Kolbe dabei erlitt, hatten seinen sofortigen Tod zur Folge. Kolbe war 19 I. alt und uuverhcirathet. Freiberg, 27. September. Von Chemnitz aus war mehreren hiesigen Kirchenvorstandömitgliedern die Veranlassung zugegangen, eine an die sächsische Landessynode zu richtende Bitte um Wiedereinführ ung einer strengeren Kirchen- und Lehrzucht ihrerseits zu unterstützen. Diesem Ansinnen hat auch der hiesige Jacobi-Kirchenvorstaud ent sprochen, dagegen haben sich Vertreter der drei übrigen hiesige» Kirchenvorstände dahin geneigt, fgegen dieses Bestreben mit Protest und Gegenpetition bei der Landessynode vorzugehen. In dieser Gegen schrift wird der Ueberzeuguug Ausdruck gegeben, daß jeder Versuch, durch Zwangsmittel den: kirchlichen Leben aufzuhelfen und die prote stantische Lehre in die Schranken starrer Glaubenssatzunge» einzneugen, für den Bestand der Kirche im höchsten Grade verhängnißvoll werden müßte. Zittern. Allgemeines Aufsehen macht jetzt hier ein Mord, der schon vor längerer Zeit verübt, doch jetzt erst ans Tageslicht gekommen ist. Ein junger Mann, Namens Herberg, aus einem große» Bauer gute in Pelhau bei Zittau stammend, war von seiner Mutter zur Erlernung der Lanvwirthschaft nach Wiesa bei Friedland geschickt worden. Der dortige Pachter, ein ungeheuer jähzorniger Mann, war in der ganzen Gegend als sehr rücksichtslos gegen sein Gesinde bekannt; unter Ander» batte er auch das Princip, seine Dicnstleute unmenschlich zu schlagen. Eines Morgens, als das Dienstpersonal beim Frühstück sitzt, fehlt genannter Herberg, und auf die Fragen nach ihm antwortet der Pachter ganz gegen seine Gewohnheit sehr mild, daß jener noch schlafe, man solle ihn auch nicht wecken. Als nun aber trotzdem Einige nach dem junge» Menschen suchten, fanden sie ihn in seiner Kammer erhängt. Sofort glaubte mau, daß der Herr bei einem am vorigen Tage mit dem Herberg gehabte» Streite diesen erschlagen und, um nun seine schändliche That zu verheimlichen, dann aufgehängt habe. Zwar benachrichtigte der Herr die Mutter des Verstorbenen, ließ aber auch diesen ohne Weiteres beerdigen. Erst mit vieler Mühe gelang es der Mutter unter Zuhilfenahme deS sächsischen Gerichts, den Leichnam ihres Sohnes herauSzubekommen und nach Zittau schaffen zu lassen. Hier konnten die Aerzte bei einer Untersuchung des schon stark in Verwesung übergegangenen Leichnams einen Bruch der Wirbel säule constatiren. Es ist somit ganz klar, daß der wilde, rohe Kerl den erst 18 Jahre alten Menschen im Jähzorne erschlagen und dann gehangen hat. Gerichtweise verlautet, daß der Mörder die Flucht ergriffen hat. Vermischtes. * An leerstehenden Wohnungen besitzt Berlin zur Zeit nicht weniger als 7000. Der Durchschnitt der leerstehenden Wohnungen hat bislang nie über 3500 betragen. * Friedigerode in Hessen. Im hiesigen Dorfe ist ein Todes fall vorgekommen, welcher eine nähere Erwähnung verdient. Der 76- jährige Abel Becker hatte sich erboten, einen Schäfer, welcher ver hindert war, seine Heerde zu hüten, nur einen Tag zu vertreten. Der Hund war alsbald seinem unbekannten Herrn entlausen, der Schafbock dagegen dem rc Becker zu Leibe gerückt, und hatte den alten Mann so zugerichlet, daß derselbe Tags darauf unter großen Schmerzen verstarb. * Das Geschick reißt oft Menschen unbarmherzig auseinander, oft führt es sie auch wieder in Augenblicken der höchsten Noth ganz unerwartet wieder zusammen. Diese Erfahrung hat vor einigen Tagen ein Zwillingspaar gemacht, das seit vielen Jahren von einander getrennt war. — Mechaniker M. in Berlin wurde vor etwa 26 Jahren ein Zwillingspaar — ein Mädchen und ein Knabe — geboren. Als die Kinder etwa acht Jahre alt waren, starb der Vater, und die arme Wittwe war gezwungen, ihre Kinder fremden Händen zu über geben. Eine russische Familie, die sich damals in Berlin aufhielt, nahm den Knaben zu sich und reiste bald darauf in die Heimath. Kinder vergessen bekanntlich sehr leicht die früheren Verhältnisse, besonders wenn sie in ein ganz verändertes Leben eintreten. So geschah es auch mit dem Knaben. In den ersten Jahren schrieb er zuweilen an Mutter und Schwester, aber nach und nach wurde jede Verbindung abgebrochen, und da die russische Familie ihren Aufenthalt oft wechselte, wußte man schließlich nicht, ob und wo er lebte. Die Mutter starb, und das Mädchen, daß nun auf sich selbst angewiesen war, arbeitete in einer Fabrik und ernährte sich kümmerlich. Ein junger Mechaniker, der früher bei ihrem Vater war, fand Gefallen an dem schönen braven Mädchen, und heirathete es. Beide Gatten lebten zufrieden, und als ihnen ein Töchterchen geboren wurde, fehlte nichts zn ihrem Glück, denn der Mann arbeitete fleißig und sorgte voll Liebe für seine kleine Familie. Nach etwa 3 Jahren verunglückte der Mechaniker bei einem Falle derart, daß ihm der rechte Arm ampntirt werden mußte. Die langwierige Krankheit brachte die braven Menschen in unsägliches Elend, und sie mußten, trotzdem die Frau wieder in der Fabrik arbeitete, oft am Hungertuche nagen. Vor einigen Tagen stand die unglückliche Frau in der Nähe des Frankfnrter Bahnhofes in Berlin; dort fand sie ein Portefeuille. Bei näherer Durchsuchung fanden sie einen Brief, dessen Adresse an einen russischen Herrn im „Kaiserhofe" lautete. Die Frau geht sofort mit ihrem Manne in das Hotel und giebr das Portefeuille mit seinem vollen Inhalte ab. Der Russe bietet ihr eine reiche Belohnung an und fragt sie nach ihren Verhältnissen. Sie erzählt ihm ihre Lebens- und Leidens-Geschichte, und nach wenigen Minuten liegen sich beide in den Armen — das Zwillingspaar hatte sich wiedergefnnden, und von diesem Augenblicke war für die brave Familie alle Noth vorüber. Ein heimliches Verhältniß. Humoreske von Otto Girndt., I. (Fortsetzung) Reinhold beschwichtigte den Argwohn: „Jcü weiß jetzt, weshalb Sie diesen Nock angelegt. Ihre Frau Laute rühmte Sie als außer ordentlich rücksichtsvoll." ) „Die gut- Frau!" seufzte der Neffe. „Wenn sie in meine Seele blicken könnte! Sie glaubt, ich verschiebe auch lediglich aus Rücksicht auf ihren trauernde» Gast meine förmliche Werbung um Leontine»." Der Zuhörer bog den Kopf schief: „Waö sagen Sie da? „Ich sage es Ihnen, liebster Spangenberg, damit Sie erfahren, was mich bisher Ihrer Schwelle ferngehatten. Denken Sie, wie mir'ö geht! Ich bi» in der peinlichsten Lage." „Nun? Nun?" trieb ihm Reinhold zur Eile. Er verstand sich jedoch nur zu mäßiger Schnelligkeit: „Meine Cousine brauche ich Ihnen nicht mehr zu schildern. Ein loser Mund, aber von Herzen vortrefflich! Ich lebte fortwährend mit ihr in