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I Einblick in Ihr pslichtgetreueS Thun und Treiben gewähren, mein« liebe Frau." „Sie beschämen mich, Frau Senatorin," entgegnete Frau Nudis- dorf in größter Bescheidenheit. „Man tbut, was in seinen schwachen Kräften siebt, aber es ist ja nicht einmal der Rede werth. Jever Mensch muß seine Pflicht erfüllen." „Ja, jai" seufzte die Frau Senatorin mit einem Angenaufschlag gen Himmel, inoem sie in das Haus eintrat. „Wenn doch alle Menschen so rächten! Wie ganz anders würde es in der Welt aussehen." Frau Rneisvorf bat die Damen, eine Tasse Kaffee einzunehmen. „Wir nehmen Ihr Anerbieten an, meine liebe Frau," sagte die Senatorin, „und während der Zeit können Sie mir von dem Ergehen unserer lieben Zöglinge Bericht erstatten. Die Damen bekommen dann einen Einblick in die edle Aufgabe, welches sich dieses Asyl zum Zweck gemacht Hal." Sie traten in das Wohnzimmer der Pflegemutter. Alles war einfach. Auf dem Tische lag ein blendend weißes Tischtuch, und eine Frau trug Kaffee auf. Frau Nueiseorf blieb so lange ehrerbietig stehen, bis Frau Senatorin sie aufforderte, Platz zu nehmen. „Wir haben leider abermals den Tad dreier Kinder zu beklagen," sagte Frau Nueisvorf auf die Frage, wie es um die Gesundheit der Kinder bestellt sei. „Diese erbarmungslosen Mütter bringen ihre Kinder meist erst her, wenn alle Pflege und Sorgfalt nichts mehr ,. nützen will. Letzte Nacht ist wieder die kleine Anna, das Kind des Nähmädchens gestorben, und einige liegen sehr krank danieder. Das Nörchen von der Lappenberg wird sich auch gewiß bald legen, das Kind schleicht .umher wie ein Schatten, und der Arzt meint, der Typhus würde bei ihm bald zum Ausbruch kommen." „Das Nörchen? fragte die Senatorin verwundert. „Das sollte mir leid thun, die Lappeuberg ist ^onst eine ordentliche Person und ich glaubte, das Kind wäre recht gesund, es hatte früher so dicke, rothe Backen." „Das ist nur Schein, verehrte Frau Senatorin. Mit Kartoffeln werden sie so weit gebracht, aber die rechte Kraft fehlt und dahin gewelkt, ehe man sich's versieht." Der Bericht und der Kaffee nahmen eine ziemliche Zeit für sich in Anspruch. Dann aber erhoben sich die Damen, um einen Rund- gang im Hause zu machen. Ueberall dieselbe Ordnung und Sauberkeit, und im großen Zimmer saßen noch die Kinder auf ihren Schemelchen und spielten, als hätten sie sich seitdem nicht von der Stelle gerührt. „Sehen Sie, meine Damen, eine solche Heimath haben diese Kinder gefunden, welche sonst verachtet in der Welt herumgestoßen wären. Ich bewundere nur, Frau NudiSdorf,'wie Sie es fertig bringen, die Kinder an eine so außerordentliche Ruhe und Sauberkeit zu gewöhnen." Später wünschte die Senatorin auch noch im Krankenzimmer nachzusehen, aber als Frau Rudisdorf sie aufmerksam machte, daß vielleicht ansteckende Kranke da sein möchten, und sie dieselben ans Sorge für die Gesundheit Anderer gern möglichst abgesondert halte, verzichtete sie gern darauf, da sie keine Freundin davon war, ihre eigene liebe Gefahr zu geben, und auch der Anblick von solchen Unglücklichen ihre Nerven ausregte. Gerade als die Damen wieder die Treppe herunterkamen, trat aus einem Seilengange Lene mit einem etwa fünfjährigen Kinde auf dem Arme. Das Kind sah noch um ein gut Theil kränker und leidender auö, als die, welche unter dem Namen gesund sich in dem gemeinsamen Zimmer befunden hatten. Aber es war ein Kind von märchenhafter Schönheit. Aus dem zarten, wachsbleichen Gesichtchen leuchteten, wie zwei glänzende Sterne, ein paar wunderbare Augen. Obgleich das Haar kurz geschnitten mar, sah man demselben doch die Fülle an und in kleinen Ringeln legte es sich an die durchsichtigen Schläfe». „Welch ci» schönes Kind!" rief die Senatorin auS, und auch die beide» andere» Dame» spräche» ihre Bewunderung aus. Ja, sie vermochten es sogar über sich zu bringen, mit ihre» behandschuhten Hände» vas seidenweiche Haar d-s kleine» Wesens zu glätten. Frau Rudisdorf hatte unbemerkt Lene eine» giftige» Blick zuge schleudert, aber diese halte ihu entweder nicht gesehen, oder wollte ihn nicht sehen. „Wem gehört das Kind?" forschte die Dame weiter. „Ja, wem gehört es! seufzte Frau Rudisdorf. „Mit dem klei nen Wesen ist das eine eigene Geschichte — ich glaube beinahe, daß eS das Kind einer sehr vornehmen Mutter ist." „Ohne Zweifel!" rief die Senatorin mit einem triumphirenden Blick aus, und mit einer Hast, die ihren Eifer, die Geschichte des Kindes zu erfahren, kennzeichnete. „Das sieht man wohl! Welch' ein feines Gesicht! O, wie ist die Welt heut zu Tage so ruchlos und gottvergessen! Woher ist es?" „Aus Berti» I" „O, diese schlechte Welt! fuhr die Senatorm fort. „Seit wann ist das Kind hier?" „Seil etwa sechs Wochen. Vor acht Wochen bekam ich einen Brief, in welchem angefragl wurde, ob ein Kino von vier Jahren im „Asyl" Aufnahme finden könne. Unter einer mir angegebenen Chiffre schrieb ich die Bedingungen hin, und eines AbenkS brachte mir ein Mann dies kleine, halbtodte Kind mit dem Kostgelde bis zum vierzehnten Lebensjahre. DaS Kind hat sich seit dem sehr erholt — immerhin glaubte ich aber nicht, raß es am Leben erhalten wird, es ist zu zart und schwach." Das Kind Halle furchtsam den Kopf an die Brust der Wärterin gedrückt und ächzte ununterbrochen. „Armes Kind!" sagte die Senatorin mitleidig. Dann abet wandle sie sich und rauschle die Treppe hinab, während sie noch die Pflegemutter sagen hörte: „Schicken Sie gleich noch einmal nach dem Arzte, Lene, es muß etwas Ernstliches gethan werken. Ich selbst will bis Mitternacht bei dem Kinde wachen, um den Zustand beobachten — oftmals ist eine Krankheit bei Kindern nicht so schlimm als cS scheint." In der That wurde auch sofort nach einem Arzte geschickt, der selbe erklärte den Zustand res Kindes jeooch für hoffnungsvoll. Fünftes Kapitel. Minnie. ES war eine seltsame Gesellschaft, welche bunt durcheinander in eiiiem großen, behaglich durchwärmten Zimmer saß. Auf dem Tische standen noch die Neste eines gewählten Diners und eine große Anzahl ganz und halb geleerter Weinflaschen mochten die Heiterkeit erklären, in welcher sich die Gesellschaft zu befinden schien. Hier war jedes Alter vertreten. Der Mann, welcher neben einer corpulenten Dame oben am Tische saß, hatte vielleicht schon sechzig Jahre hinter sich, denn sein Haar war schneeweiß und der gebeugte Nücke», sowie die in tiefe Falten gelegte Stirn zeigten, daß die Last der Jahre ihm nicht leicht geworden. Neben ihm saß ein schlanker Man», dessen Alter aber auch nur annähernd zu bestimmen geradezu unmöglich gewesen wäre. Er konnte dreißig Jahre zählen und dann wieder in Anbetracht seiner lang herabhängenven, leicht gelockten blonden Haare zwanzig sein. Er ahmte die Bewegung und Manieren eines sich auf dem Continentc bewegenden Engländers mit großem Geschick nach, und auch sein Anzug war jedenfalls dem Muster eines Sohnes Albions entnommen. Von den übrigen Herren und Damen wurde er mit großer Zuvorkommenheit behandelt, während er eine fast an Geringschätzung grenzende Gleichgültigkeit zur Schau trug. Außer diesen Herren bestand die Gesellschaft noch aus fünf bis sechs Männern und einer gleichen Anzahl Damen. Von letzteren waren nur zwei leidlich hübsch und jung, die andern halten wohl schon das dreißigste und auch vierzigste Lebensjahr überschritten und fielen nur durch glänzende Toiletten und einen bedeutenden Aufwand von Schminke und Parfüms auf; zwei davon rauchten Cigaretten. Zwischen den ersterwähnten alten Herrn und dem Mister Darr, wie er sich nannte, halte die Unterhaltung einen ernsteren Characler angenommen, während die klebrigen ihrer Heiterkeit keinen Zwang mehr anthaten. „Ja" seufzte eben der alte Herr. „Sie haben Recht, lieber Darr,. unsere Casse wird durch dieses kleine bescheidene Diner ungefähr vollständig erschöpft sein und bas Schlimmste an der Sache ist, daß keine Aussicht auf neuen Erwerb sich eröffnet. Ich hatte die Absicht, mit unserer Gesellschaft nach H. zu ziehen, um dort eine Reihe von Vorstellungen zu eröffnen." (Fortsetzung folgt.) Meberstcht der beim hies. Kais. Postamte verkehrenden Posten. Ankunft. 4 Uhr 30 Min. V. u.?. Schwarzenberg (Grünhain). 4 Uhr 45 Min. V. U.U.V. Elterlein. 5 Uhr 36 Min. V. L/r. v. Zuge Adorf-Chemnitz 5 Uhr 21 Min. 6 Uhr 31 Min. V. U.'0. v. Zuge Ehemnitz-Adorf 6 Uhr 16 Min. 10 Uhr 10 Mm. V. U.U.V. Stollberg. 11 Uhr 10 Min. V. IVI', v. Zuge Chemnitz-Adorf 10 Uhr 55 Mi». 2 Uhr — Min. N. U.U.V. Annaberg (Geyer, Tannenberg). 2 Uhr 56 Min. N. U.T. v. Zuge Adorf-Chemnitz 2 Uhr 41 Min. 4 Uhr 20 Min. N. 8.1?. v. Zuge Chemnitz-Adorf 4 Uhr 5 Min. 6 Uhr 45 Min. N. U.U.V. Stollberg. 7 Uhr 45 Min. N. 8.'1'. v. Zuge Adorf-Chemnitz 7 Uhr 28 Min. 9 Uhr 10 Min. N. Briespacket aus Chemnitz o. Zuge Chemnitz-Adorf 8 Uhr 50 Min. 9 Uhr 25 Min. N. 1'U.V. Annaberg (Geyer, Tannenberg). Abgang, ö uhr 20 Min. V. IH zum Zuge Adorf-Chemnitz 5 Uhr 21 Min. 5 Uhr 40 Min. V. L.T. zum Zuge Chemnitz-Adorf 6 Uhr 16 Min. 7 Uhr — Min. V. U.?.V. Stollberg. 7 uhr 15 Min. V. U.U.V. Annaberg (Geyer, Tannenberg). 9 Uhr — Min. V. Briefpacket nach Chemnitz z. Zuge Adorf-Chemnitz 9 Uhr 23 Min. 10 Uhr 35 Min. V. U.T. zum Zuge Chemnitz-Adorf 10 Uhr 55 Min. 2 Uhr 25 Min. N. L.T. zum Zug« Adorf-Chemnitz 2 Uhr 42 Min. 3 Uhr 45 Min. N. ö.T. zum Zuge Chemnitz Adorf 4 Uhr 5 Min: 5 Uhr — Min. N. k.?.V. Annaberg (Geyer, Tannenberg). 7 Uhr 10 Min. N. Ij.T. zum Zuge Adorf-Chemnitz 7 Uhr 28 Min. 8 Uhr - Min. N. k.?.V. Stollberg. 8 Uhr — Min. N. k.U.V Elterlein. 9 Uhr 30 Min. N. U.?. Schwarzenberg (Grünhain). (Anmerk. U.U. heißt Personenpost. t^.u.v. heißt Privat-Postsachen Versandt. Il.'I'. heißt Bahnhofs-Transport.) Amtliche Verkaufsstellen für Postwerthzeichen befinden sich für Zwönitz bei Herrn Karl Schmidt am Markt; für Niederzwöwtz bei der ober» und untern Verkaufsstelle des dasigen Consumvercins.