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Erscheint wöchentlich zwei Mal und zwar Mittwoch und Sonn abend.— Der Abonnementspreis beträgt vierteljährlich i Mark prsnillmeranäo. Anzeiger Inserate werden biS spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinen- erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf. berechnet. für Zwönitz und Umgegend. s. 1. Jahrg. Nedacteur und Verleger: C. Bernhard Ott in Zwönitz. Sonnabend, den 17. Juni 1876. Alle Postanftalten des deutschen Reiches nehme» Bestellungen auf den Anzeiger für Zwönitz und Umgegend an. Tagesgeschichte. Versailles, 12. Juni. In der heutigen Sitzung der Depu- tirtenkammer brachte Laisant einen Antrag ein, dahin gehend, die Mi- litärdienstzeit auf 3 Jahre herabzusetzeq, und das Institut der Ein jahrig-Freiwilligen abzuschafsen. Der Kr'iegsminister sprach sich gegen diesen Antrag aUS, ebenso Gambetta, welcher erklärte, die Zeit für derartige Aenderungen sei noch nicht gekommen; das Budget und die Rekrutirung der Subaltern-Offiziere ließen die Annahme des Antrages nicht zu, der jedoch einer reifllichen Ueberlegung werlh sei. Der An trag wurde schließlich mit 238 gegen 197 Stimmen abgelehnt. Konstantinopel, 12. Juni. Der Sultan hat den Großvezier anfgeforvert, ihm noch im Laufe dieser Woche das von ihm verfaßte NegierungS-Progrämm zu übergeben, indem er sich geneigt erklärte, das Programm, welches ihm in den Grundzügen bereits bekannt ist, anzunehmen. Mivhat Pascha ist mit der Ausarbeitung des Projektes für den neu zu bildenden Nationalralh betraut worden, welcher sich ausschließlich mit den Finanzen beschäftigen und daS Budget be- rathen soll. In Bern hat am Beginn der vorigen Woche ein CongreH deS Schweizerischen Arbeiterbundes (dessen Mitglieder sich in neuester Zeit „Schweizerische Socialdemokraten" nennen) getagt. Auf einer von demselben veranstalteten Volksversammlung kam das der Bundes versammlung vorliegende Fabrikgesetz und die Frage, welche Stellung der socialbemokratische Bund zu den politischen Parteien der Schweiz einzunehmen habe, zur Verhandlung. In Bezug auf den Entwurf des ersteren wurde beschlossen, an den Forderungen festzuhalten, daß Frauenarbeit grundsätzlich vom Fabrikbetrieb ausgeschlossen, daß Kin derarbeit in Fabriken erst nach Absolvirung der Primarschulen (»ach drm j15. Jahre) gestattet, endlich daß am Institut Schweizerischer Fabrikinspectorate festgehalten werde. Bezüglich der Stellung der Arbeiter zu den politischen Parteien wurde beschlossen, eine eigene un abhängige Partei gegenüber allen anderen Parteien, gegen welche die Schlagwörter: Ausbeutung und Bourgeoisiestaat reichlich ausgespielt wurden, zu bilden. Wo dies noch nicht möglich ist, möge die Ar- beiterwelt sich noch dem äußersten Flügel der radikalen Partei an- schließen. „Bürgerreferent" Morf aus Zürich deutete als Haupt- punkte des Programms der Schweizerischen Socialdemokraite folgende an; Obligatorisches Referendum (Volksabstimmung über alle eidge nössischen Gesetze); Volksinitiative zum Erlaß von Gesetzen; Unent- geldlichkeit des höheren und niederen Schulunterrichts; Schutz der arbeitenden Klasse, namentlich mit Rücksicht auf die Frauen und Kin der; Abschaffung aller indirekten Steuern und Einführung der pro gressiven Einkommens- und Vermögenssteuer; Errichtung einer Bun desbank; Rückkauf der Eisenbahnen durch den Bund; Abschaffung der Landeskirchen, endlich Beschaffung der nothwendigsten Lebensmittel durch den Staat. Man sieht, die Schweizerischen Arbeiter verlangen viel auf ein mal. Es ist aber noch einmal darauf aufmerksam zu machen, daß diese Vereinigung in ihrer Mehrheit auS fremden Ar- beiterelementen besteht, denen das Wühlen zur Gewohnheit geworden und die den Namen eines „Schweizerischen" Bundes usurpirt hat. Berlin, 13. Juli. Das Stadtschwnrgerichl vernrtheilte heute den Rendanten Plitz wegen der bekanmen Unterschlagung der für die Halle Sorau-Gubener Bahn entnommenen Summe und anderer Unter schlagungen, sowie Urkundeufälschung zu achtjährigem Zuchthaus und achtjährigem Ehrverlust. Ulm, 13. Juni. Die Donau und Iller sind über ihre Ufer getreten und noch im Steigen. Ravensburg, 12. Juni. Bedeutende Ueberschwemmungen des SchussenthaleS (Würlemberg, Donankreis) von Aulendorf bis Langen argen, so wie der Seitenthäler habe» den Bahnverkehr auf der Süd bahn und der Allgäubahn unterbrochen. DaS Wasser steigt noch. Basel, 12. Juni. Die Kantone St. Gallen nnd Tbnrgau sind wie den „Baseler Nachrichten" gemeldet wird, von großen Ueber- schivenimungen heimgesucht worden. Die Wasser der Murg, des Thur und des Rheins sind ausgetreten und haben viele Häuser, Brücken und den Bahnkörper zerstört. In Frauenfeld sind einige Personen um das Leben gekommen. Der durch di« Ueberschwemmungen ange richtete Schaden ist sehr bedeutend. Die Höhe des Rheins bei Basel beträgt l5V» Fuß. Säkingen. Nheinhöhe wie 1852. Gefahr für Brücken bei Laufenburg, Säkingen, Rheinfelden und Basel. Cannstatt, 13. Juni. Der Neckar ist in fortwährendem Steigen begriffen. Kehl, 13. Juni. In Folge Anschwellens der Flüsse in der Schweiz riß in vergangener Nacht der Rhein die Schiffbrücke bei Hünigen fort. DaS Wasser des Rheins ist noch in fortwährendem Steigen begriffe». Friedrichshafen, 13. Juni. Die Ueberschwemmung in der Umgebung des Bodensees dauert fort; der See steht 10 Fuß über Null. Die Landungsbrücken in den Seehäfen sind überfluthet, auch die sonstigen Hafenanlagen bedroht. DaS hiesige Gaswerk ist stark beschädig». In Ravensburg, Weingarten und mehreren Dörfern stehe» tiefliegende Fabrikanlagen und Häuser unter Wasser. — Aus Chartum ist die für die ganze wissenschaftliche Welt wichtige amtliche Nachricht eingegangen, daß der Albrrt-Nyanze-See, welcher von acht Strömen Zufluß erhält, 141 englische Meilen lang und 60 englische Meilen breit ist. — Von Palermo wird telegraphirt, daß die Erdstöße in und um Corleone an Heftigkeit zunehmen, so daß bereits ein Theil der Kathedrale eingestürzt ist. - Anfangs hoffte man, daß das Erdbeben auf Corleone und seine nächste Umgebung beschränkt bleiben werde, Nach den neuesten Nachrichten wurden aber auch in Palazzo Adriano. Misilmari und sogar in Messina Erdstöße verspürt. Wie», 12. Juni. Der Reichsfinanzminister Holtzgethan ist heute Nachts plötzlich verschieden; nach ärztlicher Aussage war ein Lungenleiden die Todesursache. Aorales und Sächsisches. Dresden, 14. Juni. Der feierliche Schluß des Landtags wird nach den neuesten Bestimmungen am 24. Jnni erfolgen und durch den König im hiesigen königlichen Schlosse vollzogen werden. Am 26. Juni werden der König und die Königin sich sodann zu einem mehrwöchigen Aufenthalt nach der Schweiz und zwar zunächst nach Ragatz begeben, woselbst der König die Cur zu gebrauchen gedenkt. — In der heute Vormittag 10 Uhr abgehaltenen Sitzung der ersten Kammer kam znnächst ein Decret zur Verlesung, durch welches der Schluß und die feierliche Verabschiedung des Landtages auf den 24. d. M. festgesetzt wird. Auf der Tagesordnung befand sich der Bericht der Finanzdeputation über die die direkten Steuern betreffen den Positionen des ordentlichen Einnahmebudgets. Die Minorität der Deputation schlug vor, für beide Jahre 1876 und 1877 es bei der Erhebung der Grundsteuer und der Gewerbe» und Personalsteuer bewenden zu lassen, die Einkommensteuer aber abzulehnen, wogegen die Majorität empfahl, im laufenden Jahre zwar die seitherigen Steuern in ^er bisherigen Höhe zu erheben, im Jahre 1877 aber die Grundsteuer, so wie die Gewerbe- nnd Personalsteuer, dem Vorschläge der Negierung gemäß, nur in Höhe von eines Jahresbetrags zu erheben und den Restbedarf, der durch die Verzinsung der emitlirten 3proc. Rentenanleihe sich gegen den im Budget enthaltenen Voran schlag um beiläufig 4,575,000 Mk. erhöht, durch Erhebung einer ent sprechenden, für jetzt ziffermäßig noch nicht festzusehenreu Anzahl von Simplen der Einkommensteuer zu decken. In der Debatte erklärten sich Bürgermeister Martini, Graf von Rex, Oberbürgermeister Dr. Andro und der Referent Handelskammerpräsident Rülke für den An trag der Minorität, Kammerherr v. ErdmannSdorff, Meinhold, Seiler, so wie StaatSliiinisler Frhr. v. Friesen für den MajoritätSantrag. Bei der Abstimmung wurde sodann der Antrag der Majorität mit 23 gegen 15 Sümmen angenommen.