Volltext Seite (XML)
Ein Frauenleben. Sitten-Roman aus einer Großstadt. Von Franz Ewald. » Drittes Kapitel. Spurlos. (Fortsetzung.) Herr von Plöger sah doch, daß dies Gebot die beabsichtigte Wirkung auf den Wirth auöiibte, und er trocknete sich den Angstschweiß von der Stirn, welchen die Furcht, daß sein Plan mißlingen könne, darauf gepreßt. Er hatte überhaupt längst vergessen, wo er war, er bedurfte nicht mehr seines jaSminvuftcnden Taschentuches, um über haupt nur alhmen zu können, nur seinen Zweck hatte er noch vor Augen, und dies veranlaßte ihn, ein Gebot zu machen, welches dem Wirth selbst, wenn dieser weniger raffinirt gewesen wäre als er war, sofort klar bewies, daß er in dem Töchterchen des Grafen einen wahren Schatz besitze. Diese Ueberzeugung gab ihm denn auch bald seine Besonnenheit wieder und ließ ihn ganz richtig kalkuliren, daß die kleine Katinka ihm wohl noch mehr einbringcn könne, als bloße fünfhundert Thaler. Er war entschlossen, um keinen Preis sofort den Handel abznschließen, sondern erst mit seiner in mancher Beziehung viel gescheuteren Gattin Rücksprache zu nehmen. „Mein Herr," sagte er daher nach einer Pause bedeutend höflicher, „ich sehe, daß Sie allerdings Theilnahme für oas.?Schicksal Ihrer Verwandten hegen, aber Sie werden eS mir nicht übel nehmen, wenn ich Ihre Fragen noch nicht beantworte. Mich bindet ein Versprechen. Kommen Sie morgen um dieselbe Stunde wieder und Sie sollen eine, wie ich hoffe, befriedigende Antwort haben." Der Baron machte nochmals den Versuch, den Wirth durch ein höheres Gebot zum Sprechen zu bringen, aber er bewirkte dadurch nur das Gegentheil. In diesem Augenblicke erscholl aus der Küche ein klägliches Weine». Der Wirth, dem jede Selbstbeherrschung fremd war, konnte seinen Zorn über diese Kundgebung, daß ein Kind im Hause sei, nicht bemeistern, und selbst das Schließen der Küchenthür, welches von innen aus erfolgte, verbesserte seine Laune nicht. Der Baron aber las sofort in dem Antlitze des WirtheS, waS das Weinen zu bedeuten habe, und nahm die feste Ueberzeugung mit hinweg, daß da« Kind des Grafen Wilowskh sich im WirthShause zum „goldenen Stern" aufhalte. Das kleine, blasse Mädchen saß aber von jetzt an nicht mehr am qualmenden Heerdofcu, um sich zu wärmen. Frau Emma hatte mit leichter Mühe ihren Gatte» überredet, das Kind nicht aus den Händen zu geben, sondern es sorgsam zu hüten. Ihren Schlußfolgerungen ließ sich nichts entgegensetzen. Hatte der Herr zum ersten Male so viel für Auskunft über den Verbleib des Kindes geboten, so würde das Kind selbst wohl noch mehr Werth sein und es früher oder später gegen einen höheren Preis zurückgefordert werden. Der entgültige Beschluß des würdigen Paares lautete denn auch dahin, da» Kind sorgsam zu verbergen und ihm eine bessere Pflege angedeihen zu lasse», damit es später im Stande sei, die verursachten Kosten mit Zinsen zurückzuzahlen. So wurde denn die kleine Katinka unter Jakobs specielle Aufsicht gesetzt. Dem Kiude bessere Kleidung zu geben, dünkte der Wirthin unpraktisch, aber gesündere Nahrung erhielt es, und Jakob führte seine kleine Cousine, als welche er sie auSgeqeben hatte, jede» Tag in die frische Luft. Auch die Behandlung des kleinen Wesens wurde eine freundlichere. ES hörte keine rohen Scheltworte mehr, und bald zeigte sich auf den zarten Wangen ein leiser, wenn auch kaum bemerkbarer Schimmer von Farbe der Gesundheit. Baron von Plöger, welcher zur festgesetzten Stunee abermals im ,,goldenen Stern" erschienen war, erhielt von Walter den kurze» Bescheid, daß er anderweitig Erknndigungen über seine Verwandtschaft einzichen möge, obne denselben dadurch zu überzeugen, daß er nichts über den Verbleib des Kindes wisse. Im Gegentheil, der Baron war nun fest überzeugt, daß er einen Anhaltspunkt gewonnen habe, und war fest entschlossen, sich auf die eine ober andere Weise in den Besitz des Kindes zu setzen. Herr Schröder sorgte nun, daß Katinka wirklich lebe. Aber vergebens waren alle Bemühungen pem Kinde nur nahe zu kommen, so große Summen Herr von Plöger auch auögeboteu, falls das Kind ihm überliefert würde. Längst war der Frühling in'S Land gekommen. Die Bäume hatten ein neues Kleid angezogen und die Blnmeii prangten im bunt farbigen Schmuck. Tag aus, Tag ein lachte vom Himmel das strahlendste Sonnenlicht, welches selbst die dunkelste» Gasse» und Gäßcken der großen Stadt erhellten. Jakob Waller führte die kleine „Polenprinzessin", wie Katinka ganz heimlich von Vater Walter- genannt wurde, alltäglich nach den freien, sonnigen Plätzen und ge staltete es sogar, daß das Kind sich unter die anderen spielenden Kinder mischte. So war's Pfingsten geworden. Selten und immer seltener halte Katinka von der „Mama" und dem „Papa" gesprochen. Die neue Pflegemutter wußte geschickt jeden Gedanken des Kindes an die Ver gangenheit zu vernichten. In ihrem Kopfe waren Pläne zur Reifs gelangt, wie sie nur in einem solchen Hirn wie das ihrige gedeihen konnten. Sie beabsichtigte nichts geringeres, als Katinka für ihren Sohn zu erziehen und Jakob durch dieselbe in eine ganz andere Stel lung zu bringen, als er jemals als der Sohn des SternenwirtHS einnehmen konnte. Mit innigem Behagen bemerkte sie die wachsende Zuneigung des Kindes für Jakob, welche indessen nur die natürliche Vorliebe für denjenigen war, welcher sich ihrer so hänfig annahm und ihr manche Freiide verschaffte, welche sie sonst wohl hätte entbehren müssen. Freudig ergriff das Kind die rauhe Hand desjenigen, der sie aus dem dumpfen, qualmenden Raum hinausführte in Licht und Sonnenschein. Obgleich es ihm die Eltern streng verboten, sich mit dem Kinde in irgend ein Gedränge zu mischen, hatte Jakob ihm doch eines TageS versprochen, mit ihm den Markt zu besuchen, unter der Bedingung, daß eS der Mutter nichts davon sagen wolle. Katinka versprach eS, und so wanderten beide hinaus nach der Stelle, von wo schon lange vorher lustige Musik und Trommelwirbel erschallten. Jakob hielt die Kleine fest an der Hand. Gleich nachdem Jakob mit dem Kinde den „goldenen Stern" verlassen, batte sich ihnen ein Mann angcschlossen, der entschlossen schien, die Beiden nicht aus den Augen zu lassen. Er folgte ihnen fast unmittelbar auf dem Fuße, ohne daß Jakob die geringste Ahnung von einer solchen Verfolgung hatte. So halten sie den weikauSgedehnten Marktplatz erreicht. Lange Reihen Bude» aller Art standen dicht nebeneinander, und eine unab sehbare Menschenmenge wogte auf und nieder. Vor einer der größten Buden blieb Jakob mit seinem kleinen Schützlinge stehen. Mächtige Bilder, deren Gestalten und Formen einer Märchenwelt anzugehören schienen, zogen eine große Menge Besucher au. Herren und Damen in neuen, funkelnden Eostümen gaben durch allerlei kleine Productionen dem Publikum einen Vorge schmack von ihren künstlerischen Leistungen. Ein Bajazzo machte seine tollen Sprünge mit den langgeschwänzten Affen, welche an den Stangen auf- und niederkletterten, um die Welte, und die kreischenden Stimme» der schillernden Papageien und KakabuS mischten sich mit den Posau nenklängen des Ausrufers. (Fortsetzung folgt.) Geehrte Mitbürger! Die parteiische Haltung, welche das hiesige Loealblatt, die „Crzgebirgische Zeitung", in jüngster Zeit angenrmmen und hauptsächlich gegen die Majorität der Vertretung der hiesigen Bürgerschaft an den Tag gelegt, srwie die durch dasselde gebrachten wahrheitcntstellenden Berichte über hiesige Verhältnisse, die nur den Zweck hatten, für eine einzige Partei ge wünschte Meinung zu fabriciren, haben, bei der hohen Wichtigkeit der Presse, bei einer größeren Anzahl der hiesigen Bür gerschaft den Entschluß gereift, den „Hnreiger für Ivöniir unck Umgegsnü" hier einzuführen. Das letztgenannte Blatt wird, durch hiesige Correspondenten unterstützt, auch alle unsere Stadt speriell berührenden Begebenheiten thunlichst rasch in seine Spalten aufnehmen. Abonnementspreis pro 'j« Jahr blos „eine Mark zehn Pfennige" und erscheint vom 1. August an wöchentlich drei Mal. Wir fordern alle unsere Mitbürger, die sich für die inneren Angelegenheiten unserer Stadtgemcinde, zumal für die Thätigkcit unserer Stadtverordneten interessiren und dabei den Grundsatz walten lassen: „Der Wahrheit die Ehre", hierdurch zu recht zahlreichem Abonnement auf. Uößnih, den 24. Juni 1875. DaS Comittee: MM«- M- »»»-»» M» K8. Das neue Abonnement beginnt mit 1. Juli a. o. und sind die Austräger der Sammelbogen zur Jnempfang nähme des AbonnementSbetrages ermächtigt. Der Obige.