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Wehrdienst und Beschäftigungsverhältnis Von Dr. Werner Spohr, Kiel Die Einberufung eines Angestellten oder Arbeiters zum Wehr dienst har sehr wichtige Folgen fiir das Beschäftigungsverhällnis zwischen dem Einberufenen und seinem Arbeitgeber. Von besonderer Bedeutung fiir die Regelung der arbeitsrechtlichen Verhältnisse wäh rend des Wehrdienstes ist die Verordnung über Fürsorge für Sol daten und Arbeitsmänner, die am 30. September 1936 ergangen worden ist (Neichsgesetzblatt 1937 Teil I S. 1417). Die auf Grund dieser Neuregelung und der Bestimmungen der weiter in Geltung befindlichen Vorschriften der Verordnung über Einberufung zu Übun gen der Wehrmacht vom 25. November 1935 (Reichsgesetzblatt Teil I S. 1358) jetzt bestehende Rechtslage soll in den nachstehenden Aus führungen dargestellt werden. I. Allgemeines Bezüglich des Einflusses des Wehrdienstes auf das Beschäfti gungsverhältnis (Arbcitsverhältnis, Dienstverhältnis, Praktikanten- und Volontärverhältnis, Lehrverhältnis) ist zu unterscheiden zwischen den im aktiven Wehrdienst stehenden Wehrpflichtigen, die ihre aktive Dienstpflicht erfüllen, und den aus dem Beurlaubtenstande (Reserve, Ersatzreserve, Landwehr) zu Übungen und sonstigem aktiven Wehr dienst Einberufenen (in Ostpreußen auch Lanbsturm). II. Der Bestand des Beschäftigungsverhältnisses während d e r A b l e i stu n g der D i e n st p f l i ch t a) Allgemein e s. Der Bestand des Beschäftigungsverhältnisses während der Ab leistung der Dienstpflicht richtet sich nach folgenden Grundsätzen: 1. Die Einberufung zur Erfüllung der aktiven zweijährigen Dienstpflicht sowie der freiwillig? Eintritt in bie Wehrmacht unter brechen das Beschäftigungsverhältnis der Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, ohne daß es einer Kündigung bedarf (8 1 der Verord nung vom 29. Dezember 1937). Der Gestellungsbefehl ist unverzüglich dem Betriebssichrer vorzulegen. Eine abweichende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*) ist zulässig und rechts wirksam, d. h. beide können vereinbaren, daß das Beschäftigungs- Verhältnis durch den aktiven Wehrdienst nicht unterbrochen wer den soll. 2. Die Einberufung zu Übungen der Wehrmacht oder zu kurz fristiger Ausbildung berührt den Bestand des Beschäftigungsverhält nisses nicht. Auf seinen Antrag ist der Einberufene zu beurlauben. Der Einberufene hat den Einberufungsbefehl mit dem Antrag auf Urlaub dem Arbeitgeber vorzulegen. Seine Kündigung aus Anlaß der Einberufung ist verboten (Verordnung über die Einberufung zu Übungen der Wehrmacht vom 25. November 1935, RGBl. I S. 1358, in der Fassung der Verordnung vom 28. März 1936, RGBl. I S. 326). Dagegen kann der Einberufene seinerseits kündigen. b) Einzelfragen. 1. Von besonderer Bedeutung ist zunächst die Frage, an welchem Tage im Falle der Einberufung zur Erfüllung der aktiven zwei jährigen Dienstpflicht bas Beschäftigungsverhältnis endet. Nach dem Gesetz (8 1 der Verordnung vom 29. Dezember 1937) endet das Beschäftigungsverhältnis mit dem Tage, an dem der Arbeitnehmer nach 8 8 des Wehrgesetzes zum Erfüllen der aktiven Dienstpflicht in der Wehrmacht aus dem Betrieb ausscheidet. Maßgebend für das Ausscheiden aus dem Betrieb ist nach dem Urteil des Ncichsarbeits- gerichts vom 29. Oktober 1937, NAG. 128/37, der Einberufungs- bzw. der Gestellungstag. Von diesem Tage an ist der Einberufene Soldat. 2. Das Ausscheiden infolge des Beginns des Wehrdienstes ist arbeitsrechtlich genau so zu behandeln wie ein Ausscheiden durch Kündigung oder Fristablauf. Ter Anspruch auf Lohn oder Gehalt besteht also bis zum Einberufungs- bzw. Gestellungstag. Ansprüche auf sonstige Vergütungen (Gewinnanteil, Gratifikation) sind nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften (Gesetz, Tarifordnung. Be triebsordnung, Arbeitsvertrag) zu erfüllen. Der Anspruch auf Weih nachtsgratifikation erlischt, wenn der Berechtigte vor Weihnachten aus- scheidet, er ist auch nicht anteilig zu erfüllen: das gilt jedoch nicht, wenn etwas anderes vereinbart oder in Tarif- oder Betriebsordnung vorgesehen ist. Ein erworbener Urlaubsanspruch muß erfüllt werben. Der Einberufene hat Anspruch auf Ausstellung des Zeugnisses. *) Obwohl das nationalsozialistische Arbeitsrecht die Begriffe »Arbeitgeber« und »Arbeitnehmer« überwunden hat, kann der Ge brauch dieser Bezeichnung aus Gründen der Vereinfachung in dieser Darstellung deshalb nicht vermieden werden, weil die älteren Ge setze des Arbeitsrechts diese Begriffe noch verwenden. 3. Eine Kündigung des Einberufenen aus Anlaß der Einberufung ist in der Regel als unzulässig und nichtig anzusehen. Tenn dem Soldaten sollen aus der Ableistung des Wehrdienstes keine Nachteile erwachsen. III. Kein Lohnanspruch während derZeitdes Wehr dienstes Während der Erfüllung der Dienstpflicht hat der Arbeitnehmer (jetzt Soldat) gegenüber seinem Arbeitgeber keinen Anspruch auf Zahlung von Lohn und Gehalt, einerlei, ob es sich um die Ableistung der Wehrmacht handelt, und einerlei, ob es sich um einen langfristigen oder kurzfristigen Arbeitsvertrag handelt. Die Zahlung freiwilliger Bezüge ist natürlich zulässig (Sozialversicherungsbeiträge sind davon nicht zu entrichten). Ansprüche auf Gratifikation, Tantiemen, Pro vision, Produktionsprämien usw., die bereits vor Einberufung zum Wehrdienst entstanden sind, bleiben bestehen. IV. Lohn für Musterung, Aushebung und Wehr versammlung Ob Lohn oder Gehalt für anläßlich der Musterung, Aushebung und Wehrversammlung ausgefallene Arbeitszeit zu zahlen ist, richtet sich zunächst nach Tarif- oder Betriebsordnung oder Arbeitsvertrag. Wenn dort keine Regelung getroffen ist, greift 8 616 BGB. ein. Danach ist die versäumte Zeit ausnahmslos für alle Arbeitnehmer als »verhältnismäßig nicht erheblich« anzusehen (sofern nicht besondere Umstände — wie die Notwendigkeit der Einstellung von Aushilfs kräften — eine abweichende Beurteilung erfordern). Es darf deshalb die Arbeitsvergütung grundsätzlich nicht verkürzt werden. V. Wehrdienst und Urlaub. Der Urlaub zur Teilnahme an Übungen der Wehrmacht kann nicht auf den dem Arbeitnehmer nach Tarifordnung, Betriebsordnung oder Einzelarbeitsvertrag zustehenden Urlaub irgendwie angerechnet werden. Zahlt jedoch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Übungsurlaubs bas Arbeitsentgelt in der bisherigen Höhe (unter Abzug des ruhenden Arbeitnehmeranteils an den Sozial versicherungsbeiträgen) weiter, so kann er den Erholungsurlaub in dem gleichen oder dem folgenden Jahre um ein Drittel, höchstens zehn Tage, kürzen. Wenn die Übung weniger als zehn Tage dauert, so ist der Übungsurlaub bis zu einem Drittel des zustehenden Jahres urlaubs auf den Erholungsurlaub anrechnungssähig. Dauert die Übung z. B. acht Tage, so können bei einem Jahresurlaub von zwölf Tagen vier Tage vom Erholungsurlaub gekürzt werden. VI. Arbeitsvertragliche Anwartschaften. Von besonderer Bedeutung ist die gesetzliche Regelung des Ein flusses des Wehrdienstes auf die arbeitsvertraglichen Anwartschaften. Allgemein bestimmt 8 3 der Verordnung vom 29. Dezember 1937 wörtlich: »1. Bei Rückkehr in den Zivilberuf darf den Soldaten aus der durch den aktiven Wehrdienst bedingten Abwesenheit kein Nachteil erwachsen. Dies ist zu beachten, wenn Ansprüche von einer bestimmten Zeit der Berufs- oder Betriebszugehörigkeit abhängig sind. 2. Hängen Ansprüche aus dem Bcschäftigungsverhältnis von der Dauer der Berufszugehörigkeit ab, so wird die Zeit der erfüllten aktiven Dienstpflicht auf die Zeit der Berufszugehörigkeit angerechnet. Hängen dagegen Ansprüche aus dem Bcschäftigungsverhältnis von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab, so wird die Zeit der erfüllten aktiven Dienstpflicht aus die Dauer der Betriebszugehörigkeit ange rechnet, wenn der Soldat anschließend an den aktiven Wehrdienst in den früheren oder in einen anderen Betrieb eintritt; eine An rechnung auf die Wartezeit für den Erwerb des Urlaubsanspruchs findet jedoch nicht statt. Bei Kündigungsfristen ist die Zeit der er füllten aktiven Dienstpflicht erst nach dreimonatiger Betriebszuge hörigkeit anzurechnen: das gleiche gilt für die Klage auf Widerruf der Kündigung nach 8 56 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit«. Anrechnung der Zeit des Wehrdien st es auf die Be trieb szugehörigkeit. a) Die Zeit der erfüllten aktiven Dienstpflicht wird auf die Dauer der Betriebszugehörigkcit nur bei dem ersten Betrieb an gerechnet, in den der Soldat nach Ableistung des Wehrdienstes eintritt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Soldat in seinen früheren Betrieb zurückkehrt oder in einen anderen Betrieb eintritt. Bei späterem Betriebswechsel wirb jedoch der gewesene Soldat nicht anders behandelt wie ein anderer Angestellter ober Arbeiter. «1