Volltext Seite (XML)
------ 44 ----- reicht, seyd die Vollzieher dieses unsers Wil lens, aber hütet euch, diese euch eingeraum- ten Rechte zu mißbrauchen. Bekrieget nur den, der hartnäckigen Widerstand leistet, und lasset denjenigen, der gern und willig seine Ansprüche auf diese Wohnung aufgiebt, in Friede ziehen Vertilgt die Geier, aber schonet die Tauben; denn so gefällt es uns, und dieses ist das Gesetz der geselligen Ord nung. Die Falken vollzogen in ihrem Geist den Aufruf der großen Republik, rotteten für das fouveraine Adlervolk die Geier aus, und für ihr eigenes Interesse wühlten sie in den Eingeweiden der Tauben, so daß in kur zem die ganze lebende Naturnur mit zerfleisch ten Gerippen bedeckt und von Adlern und Falken bewohnt war. Zufälligerweise war eine Taube mit ihren Kindern der Proscriptjon durch die Flucht entgangen, und hatte sich mit ihrer kleinen Familie nach Armenien auf einen ganz iso- lirten Felsen begeben, in der Hoffnung, daß kein Raubvogel sie hier entdecken, und die Macht der Adler hier ihre Grenze haben werde; aber zum Unglück hatten am entge gengesetzten Ende der Höhle, zwei cmigrirte Geier ihre Wohnung aufgeschlagen. Bei ihrem Anblick fährt der armen Taube ein eiskalter Schauer durch alle Glieder, und ihre Kleinen suchen unter den ausgebreiteten Flügeln der erschrocknen Mutter Schuß und Sicherheit. Sep gutes Muths, redet sie einer von den Geiern an, für den Unglück lichen ist es ein Trost, Gefährten seines Elen des zu haben, und wir werden es uns gewiß bestmöglich angelegen seyn lassen, dich zu beschützen. Für zwei Familien hat diese Höhle Raum genug, nur wirst du unserer Großmuth das willige Opfer bringen, daß du dich ein wenig einfchränkest. Die Taube, um nicht die Unzufriedenheit ihrer Beschützer zu reizen, bemühte sich ihrer Klugheit und ihrer Schwäche alle Bequemlichkeit aufzu opfern , und so wurde sie auch lange Zeit ziemlich schonend behandelt, weil die Geier während der revolutionären Stürme wegen ihrer eigenen Sicherheit besorgt waren; al lein nach und nach ahmten sie den Despotis mus der Adler nach, so daß eines Tages, als sie eine kleine Felsenritze in der Höhle entdeckten, in ihrem hohen Rath beschlossen wurde: Die Taube solle aus ihrem Flügel eine Feder hergebcn, damit man diese Oeff- nung verstopfen könne. Dieser Ausspruch imhöchster Instanz wur de vollzogen. Den folgenden Tag entdeckte man eine zweite Oeffnung, und es kostete der armen Taube ein neues Opfer aus ihrem Schwänze. Die Geier, um einen Vor wand zu haben, von ihrem schwachen und furchtsamen Nachbar ein neues Opfer zu verlangen, rüttelten den dritten Tag selbst mit ihren Schnäbeln und Krallen einige lockere Steine vollends los, so daß sich die Unglück-