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V o igtländ ksch er Anzeiger. 20. Stück. Plauen, Sonnabends den r6. May 1312. Kann man eine Pflicht verletzen und doch die andere nicht? (Beschluß des im r6. St. abgebrochenen Aufsatzes.) Die Erhaltung seines Daseyns und Lebens er, scheint ihm zwar als die erste Pflicht der Natur: AVer die Erhal'ung des Ganzen und große Vor» theile desselben werden ihm denn als wichtigere Pflichten vor Augen stehen. Gein Daseyn wird ihm als unbenommen in seiner Fortdauer nach dem Verlust des vergänglichen Lebens zuverläßig gestchert. Die Kräfte, sein vergängliches Le» ben für das Beste des Ganzen zu verivenden, «erden als Mittel zu seiner eignen höher» Boll, kommenheit erscheinen. Die Pflichten desselben bekommen eine gehörige Verbindung und Gren» zen, daß er weiß, wo eine Verbindlichkeit auf, hört und die andere anfängt. Denn ist Lebens, und Pstichlordnung gegründet, und er weiss, daß er keine, ohne die andere zu verletzen, ver, absäumen darf. Er wird einsehcn, daß sein Leben und Vollkommenheit keine vom Ganzen abgesonderte Wirklichkeit haben und erlangen können. Ms» wird er keinen schädlichen eigen, Msgrn Gebrauch mehr davon machen. Sein Ver-ältniß gegen das Ganze muß also den Ger brauch von seinem Dasepn und Bestimmung, von seinen Eigenschaften, Kräften oder Anlagen ordnen. Alle einzelne Glieder eines Ganje» find zum Vortheil und Vollkommenheit desselben durch die weiseste Güte eines Schöpfers geord» net. Also müssen die einzelne Glieder fürs Gan, je ihc« Bestimmung haben und ihre Kräfte an, wenden. Wo das Ganje leidet, da müssen alle Glieder leiden. Wenn dieses gleich nicht in den» Augenblick einer Handlung sichtbar ist; so ist es doch der Vernunft einleuchtend. Der Habsüch, tige und Eigennützige vergißt dieses. Der Ver, schwender und Wüstling achtet nicht darauf» Der blos irdisch gesinnte Mensch will es nicht erkenne». Allein die Erfahrung lehrt es di« Vernunft, daß es nicht anders sey. Man schätze nur eines Menschen Leben und Kräfte geringe oder vernichte sie; so wird das Ganze leide». Oft hat der Tod oder die Ermordung eines ein, zigcn wichtigen Mannes einen ganzen Staat je», rüttel. Man raube nur einem Menschen sein Ei, genrhum; so wird das Vermögen des Ganze» geschwächt. Man schände nur eine Unschulh; so ist das Ganje entehrt. In jedem Fall hat es einen Theil seiner Vollkommenheit verloren» Ebe» dieses gilt auch dann, wenn man sein ei, gen