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15« Stuck, Plaue»/ Sonnabends den n, April 18", Die Lebenskunst. Vieles lernt der Mensch, um seines Leibes Nahrung und Nothdurft willen, und weniges, «m mit Menschen fortzukommen, ohne sich selbst oder Andere herabzuwürdigen. Die meisten Menschen werfen sich vor Andern, besonders vor Höher», entweder weg, oder behandeln sie, zumal Niedere, mit Stolz. Beides verräth Inhumanität und eine Erniedrigung, welche den Menschen verächtlich macht. Das Leben bedarf weniger Regeln und Grundsätze; wer sich achten gelernt hat, der vermeidet auch alles, was Andere demüthigt. Wer keine Ehrfurcht gegen Andere hat, der kann sich auch selbst nicht mit Achtung behan deln. Die menschliche Natur ist in allen Söh nen des Staubes die nämliche; das Sittenge setz, das ihr innewohnt, flößt Achtung ein, wo sich eine Spur davon zeigt, und wer also weise lebt, der wirft sich weder weg, noch be handelt er Andere übermüthig. Zur Lebens, kunst bedarf also der Mensch Grundsätze, die sich aus die Weisheit stützen, und die ihn sowohl in Ungewittern aufrecht erhalten, als im Glücke vor Uebermuth bewahren. Was sich ihm nä hert, das achtet er als Menschen und sinnt An, dern nichts an, was ihn selbst herabwürdigeir könnte. Wer die Grundsätze der Weisheit befolgt, der fühlt sich frei von der Uebermacht der Be- gierden und Leidenschaften; er trägt in seinem Busen eine Resignation, welche ihn das Ünver- meidliche geduldig ertragen und dem Vermeid lichen und Entehrenden einen muthigen Wider stand leisten lehrt. Er rhut oft einen Blick in seinen Busen, sieht hinauf zu dem, der über den Sternen thront, reißt sich von dem Irdischen los, gelobt sich, nie zu weichen von dem Gu ten, und mag eine Well über ihn zusammen stür zen, er bleibt unerschütlerr; er thut seine Pflicht und fleckenlos geht er aus der Welt, wie er schuldlos sie betrat. Der Mann, der die ächte Lebenskunst be sitzt, bedarf wenig und versagt sich oft etwas, um sich im Entbehren zu üben. Wer viele Be gierden hat, der ist ein Stlav; je unabhängi ger der Mensch von Niedern Lüsten ist, desto muthiger und getroster genießt er das, was ihm die Natur schenkt. Entbehren lernen, was nicht durchaus nothwendig ist, ist eine Kunst, die sich j» eigen zu machen der Mensch von der Wiege