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74 und die Gewerbe eröffnen ein unendliches Feld zur Anstrengung aller Kräfte des Geistes und da hier Glück und Zufall so gebieterisch als im Kriege, obschon nicht so zerstörend wirken, so muß sich jeder vorsehen, die Zukunft und Ver- gangenheil studiren und der Gegenwart das ent winden, was sie keinem gutwillig mehr hin- wirft. Werden die Staatsverfassungen noch ver bessert, und darf jeder ohne Unterschied des Standes auf die hohem Stellen Anspruch ma chen, sobald er nur die Geschicklichkeit dazu be sitzt, so steht dem Ehrgeize ein Wirkungskreis offen, wie im Kriege; jeder kann nach Aus zeichnung streben; jeder kann Ruhm erwerben, wenn er Nützliches sinnt und schafft. Sein Na me fliegt durch die Schrift von einem Ende Eu- ropens bis zum Andern, und er stirbt eben so wenig namenlos, als er für das Beste des Men schengeschlechts gewirkt hat. In unserm geselligen und bürgerlichen Leben sind alle Elemente vorhanden, welche den Men schen stets rege und thätig erhalten. Er bedarf nicht mehr, durch den Donner der Schlachten aufgeschreckt zu werden, sondern ihn mahnt die Pflicht, ihn treibt die Ehre, ihn zwingt der Vortheil, daß er sich vor Andern hervorzuchun strebe. Was man sonst von dem Kriege Heilsa mes erwartete, das gewährt jetzt der friedliche Kampf in der Verbesserung der Wissenschaften und Gewerbe. Der Krieg stürzt jetzt in Barbarei, weil er den Menschen die Mittel raubt, ferner an ihrer Cultur zu arbeiten; er macht Viele muchlos, so wie er Mehrere zur Verzweiflung bringt, weil das moralische Gefühl bei Vielen zu lebhaft wirkt, als daß sie noch geduldig Unrecht ertra gen und ihren Wohlstand muchwillig zerstören lassen sollten. Der Frieden gicbt jetzt eben so viele Gele genheit als die Kriege, die Wandelbarkeit der menschlichen Schicksale zu betrachten und die Hinfälligkeit aller menschlichen Dinge zu studi ren. Der jetzigen Welt stehen die Lehren der Vorwelt zu Gebote und wenn diese nicht jeder mann benutzt, so darf man doch nicht glauben, daß die Vergangenheit sie vergeblich gepredigt. Daß wir Teut scheu im Kriege schlecht be standen haben, daß man uns Mangel an Ge genwart des Geistes und Besonnenheit Schuld giebl und daß uns Stärke des Charakters und Unternehmungsgeist gefehlt haben soll, weil wir lange keinen Krieg geführt hatten, da schließt man fälschlich von dem Einzelnen auf das Gan ze; was man Einzelnen mit Recht zum Vor würfe macht, das kann unmöglich Allen zur Schuld angerechnet werden. Im Mittelstände giebt es eine Masse von besonnener Kraft, von unerschütterlicher Energie und von unerschöpfli cher Einsicht, die, wenn sie auf den Schauplatz gerufen worden wäre, Unsterbliches gelhan ha ben würde. Die Nation besitzt nicht blos weit mehr Kraft, sondern auch weit mehr Gegenwart des Geistes, als man ihr jetzt nach traurigen Erfahrungen zuzugestehen Lust hat. Wo das moralische Gefühl so kräftig wirkt, wo der Ab scheu gegen Unrecht so lebendig ist und wo Reli. gion und Tugend so hoch geachtet werden, als bei