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Voigtländifcher Anzeiger. 4i. Stück. Sonnabends den 14. Oktober 18^9. Ueber den Begriff: Blüthenalter eines Volks. Ein Wort für unsre Zeit. Die Mythe der Alten setzt das glückliche Zeit« alter der Welt, in die Zeilen des Saturn, wo die Götter unter den Menschen wandelten, wo der Mensch, sich selbst überlassen, nur nach un, schuldigen Ergötzlichkeiten strebte und Eigennutz fern von ihm war, wo kein menschlicher Fleiß der von selbst darbietenden Muller das körper« liche Bedürfniß entlocken durfte, wo das Thier dem Menschen freiwilligen Gehorsam leistete. Jeder erkennt sogleich in diesem Gemälde eine Zeit, wie die des Abraham, wo das Göttliche sich dem Menschlichen unmittelbar mittheilte, wo die fruchtbare Erde dem wandernden Noma denvolke stets fette Triften zeigte, wo das Be- dürfiiiß des Menschen gering, wo Spiel seine Hauptbeschäfligung war. Ist das also die gold- ne, die von allen Menschen ersehnte Zeit; so laßt uns in das Jnnre von Asien, oder auf ei nige Inseln der großen Südsee ziehen, und wir werden sie hier finden! — Doch, der Mensch ist nicht mehr Kind, er sängt den Lebenslauf nicht an, schon im vollen Steigen, geht er ei ner Vollkommenheit entgegen, einer Mannes reife, die sich nicht mit dem kindischen Spiel der unschuldigen Jugend verträgt, und er er kennt, daß dies zwar eineglückliche, aber keine, der Würde des Menschen entsprechende, Zeit gewesen sei. Schon Griechenland und Rom genossen ein zweites Blüthenalter: es war das, der griechischen Freiheit, und der römischen Größe unter August. Auch dieses bedarf eini ger Bourcheilung. Was das erstere bemft, was sähe man hier anders, als eine Anzahl von Polyarchien, die unter einander, und in deren Innern die Gesetzgeber und die Gesetzes- Vollzieher in ewigem Kampf lebten? Da war ein ewiger Wechsel der Regierungen, und jede hatte die Absicht, ihre Macht zu vergrößern, die Augen der andern Parchei von sich abzulen« ken, und diesen Entzweck sogar auf Kosten der Ruhe des Staals zu erreichen. Wie ganz an ders erscheinen uns dann, von dieser Seite be trachtet, viele, dieser so gepriesnen, Helden Griechenlands: nur Werke des Eigennutzes, um Ruhmbegierde und Trachten nach Verdun kelung der Nebenbuhler, nur Streben nach Ein« fluß, nur Geldgierde, um durch Metall sich das Gewicht zu verschaffen, was Verdienst zu erhal-