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Voigt ländisch er Anzeiger. 39. Stück. Sonnabends den 24. September 1808. Ein Besuch bei einem polnischen Edelmanne auf dem Lande. (Beschluß.) Bewahre der Himmel, daß man dort über nachten sollte! Alles Ungeziefer, das nur den Menschen nagen kann, ist beisammen. Die Mäuse und Ratten tanzen auf dem Kopfe, man ist sogar unter der Decke vor ihnen nicht sicher, und hat man die fatale Gewohnheit mit offnem Munde zu schlafen, so ist man sicher, den Mor gen drauf ein halb Dutzend Zirpen oder Haus grillen darin zu finden. Von Gemächern weiß man gar nichts; iDes Winter, so genirt sich die Familie nicht, sondern steigt aufs Kamin, welches in jedem Zimmer befindlich ist. Des Morgens drauf wird Holz hinauf gelegt, und so gehts als Weihrauch zum Dache hinaus. Der geringste Landjunker hat einen Koch, das Heist, einen-Bauerkerl, der die Küche ver pestet und die Speisen verdirbt.. Ein solcher Koch Hal allemal mehrere Aemter, und wech selt nur den Rock, nach dem jedesmaligen Be- dürfniß, wie in Molieres l'avare. Davon überzeugte sich der Herr v. Uklansky, der diese Schilderung liefert, inDembina, drei Mei- len hinter Warschau, aus Kosten seines Ma gens. Der dortige Gutsbesitzer, ein polnischer Brigadier, lud mich, fährt Herr v. Uklansky fort, zum Mittagsessen ein, meine Pferde wur den dem Verwalter in meiner Gegenwart em pfohlen, mithin sah ich den Oekonomieinspektor. Er hatte eine Kommission im Hause, die einige Feldmarken in Augenschein nehmen mußte, wel che ihm sein Grenznachbar streitig machte, und ließ daher für den Kommissarius einen Wagen Vorfahren. Da sah ich den Verwalter zum zweitenmal zum Kutscher travestirt. Die Kom mission kehrte vor fünf Uhr nicht zurück, und ich bat meinen Wirch um eine Suppe, weil mir der Appetit fürchterlich zusetzte, hörte aber zu meinem Erstaunen, daß der Koch nicht da wäre, indem er als Kutscher mit dem Kommissarius aufs Feld gefahren sey. Die begüterten Familien gehen ins zweite Extrem: sie wollen sich mit einem Nimbus um geben, der den Mangel an Eeistesvildung und persönlicher Vollkommenheit verbergen soll, und wählen übertriebenen Luxus und thörichte Ver schwendung zum Mittel. Nichts erschöpft die Sinnlichkeit so sehr, als eine Magnarentasel. Die mannichfaltigsten Speisen erscheinen in sil bernen Geschirren und auch der reizbarste Appe tit