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90 . einfach und eingczogen. Indolenz und Apathie ziehen sie allen Freuden vor, welche Anstren- gung gewährt. So kalt sie aber auch scheinen, so ist doch ein furchtbares Feuer in ihrer Brust vergraben. Werden sie gereitzt, ergreift sie der religiöse Fanatismus oder sonst die Wuth einer Leidenschaft, so sind ihre Ausschweifungen gren zenlos ; sie scheuen dann weder Mühseligkeiten noch Gefahren, und sind Handlungen zu lhuu im Stande, welche entweder die größte Bewunde rung oder den höchsten Abscheu erregen. Der Unterricht, welchen die Türken er halten, ist schlecht, ihre Erziehung aber mehr abhallend, als zusetzend (mehr negativ als po sitiv). Man entfernt sie in der Jugend von dem Dösen, und gewöhnt sie nicht durch Beispiel an das, was die Vernunft verbietet. Ihre frühere Erziehung besorgen die Mütter oder an dere Frauenzimmer, und sie werden von allem entfernt, was einen nachtheiligen Einfluß aus ihre Denkart haben könnte. Ihre Religion, de ren Lehrsätze man ihnen in der Jugend beibringt, macht sie stolz auf die Vortheile, welche ihnen in derselben von allen übrigen Völkern der Erde verheißen sind, und dieser Stolz nährt nicht selten eine Gesinnung, die das Leben in Gefah ren für nichts achtet. Daher rührt die Ent schlossenheit, aber auch die Resignation, mit welcher sich der Türke in sein Schicksal fügt oder dem Tode entgegen geht. Er schätzt die Bekenner anderer Religionen gering, ja er ver achtet sie sogar und hält sich allein für den Lieb ling des Himmels. Sein Glaube an Prädesti nation macht ihn eben so muchig, als er ihm die letzten Augenblicke des Lebens nicht verbit tert. Was geschieht, das war vorher bestimmt. Jedem ist sein Schicksal oben im Himmel vor- gezeichnct; diesem kann er nicht entgehen; cs trist ihn, mag er sepn wo er will, mag er in den Kamps ziehen, oder zu Hause im Schatten ruhen. Zank und Händelsucht sind unter den Tür ken selten, und von Morden hört man wenig. Das I?oim ci'lionneur hat auf die Gemüther der Türken nur einen geringen Einfluß. Der Mann von Ansehen kann seinen Untergebnen durch Worte oder durch Schläge mißhandeln; dieser erträgt alles gelassen, weil er sich in den Augen Anderer nicht dadurch gedcmüthigt und gekränkt fühlt. In dem Charakter der Türken, die in Aemtern stehen, ist Habsucht ein hervorstechen der Zug. Ist der Türke aber nicht in Staals- amtern verdorben worden, so betrachtet er die Aufrichtigkeit als die Grundlage aller Tugen den; sein gegebenes Wort ist ihm heilig. Ge gen Muselmänner sind die Türken artig und gefällig, gegen Ungläubige aber rauh und un gesellig. So wenig auch der Türke Kennt nisse besitzt, so ist er doch in dem, was in die Sphäre seines täglichen Lebens eiiischlägt, sehr wohl bewandert und weiß die Donheile dersel ben geschickt zu benutzen und die Nachthcile zu vermeiden. Ausschweifungen im Opium, im Weine und in der Liebe trist man bloß bei den Vornehmen oder Reichen an; dem Mittelstände und dem Armen erlauben es seine Vcrmögens- umstände nicht, sich Genüsse zu verschaffen, welche