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V o i g t lä n d i s ch e r Anzeiger. IZ. Stück. Sonnabends den 26. März 1828. Was erfordert jetzt die Ehre der Teutschen? Keine Zeit, keine Umstände verändern die Pflichten, die dem Menschen als solchem oblie gen. Immer soll er gerecht handeln, immer soll er seine Kräfte zur Selbstchätigkeit ausbil den, immer soll er die Menschheit über alles ach ten, immer soll er bedenken, daß sein irdisches Leben bloß eine Erziehungs- undPrüsungsschule ist. Ob aber gleich die Menschenpflichten stets dieselben bleiben, und dem veränderlichen Laufe der Dinge nicht unterworfen sind, so ist dieß doch nicht mit den Nationalpflichten der Fall, wovon Einige bisweilen dringender und uner läßlicher als zu einer andern Zeit sind. Ihre Ausübung hängt von den Umständen und der Lage ab, in der sich eine Nation befindet, und die ihre größere oder geringere Nolhwendigkeit bestimme Was zu der einen Zeit gleichgültig ist, das ist zu einer andern die heiligste Pflicht. Der Nationalcharakter der Teutschen zeichnet sich durch das Streben zum Weltbür gersinn aus. Diese Tugend offenbart das Rein menschliche in einer Nation, und sie darf unter keinen Umständen hintangesetzt werden. Gerecht und edel gegen alles, was in einer andern Zun ge spricht, alles Gute, was das Ausland be- sitzt, und alle seine Großlhaten willig anerken nend, Fortschritte fremder Völker in Künsten und Wissenschaften und in Gewerben undHand- thiernngcn freudig und dankbar benützend, dieß sind Charakcerzüge der Teutschen, welche sie stets bewährt haben, und die sie nie verleugnen werden. Das Zeitalter und die Umstände aber erfo- der» jetzt, daß die Teutschen noch andere Tugenden üben, ohne daß sie jene hinlansetzen. Was das innerste Heiligthum der teutschen Na tion und ihres Charakters ausmachl, das muß jetzt bewahrt, dem muß jetzt eifrigst gehuldigt werden. Alles muß in sich die Kraft und Ener gie zu retten suchen, welche die Grundlage des Charakters ausmacht, den die Teutschen in der Geschichte der Vorzeit in Thatcn ausge prägt und in neuern Zeiten in Schriften nieder- gclegt Haven. Das Studium der Werke, wel che teutscher Sinn, teutsche Denkart, wutsche Energie, teutsche Ansichten der Dinge adelt, muß jetzt das Bestreben bei Tage und bei Nacht sepn, damit der teutsche Geist nicht wanke in dem, was ihn zu dem Geiste eines Volkes macht, das hoch und hehr in der Geschichte dasteht. Durch