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38 SS- Erde. Ein stillertrüber Ernst lag auf uns, während ein dumpfer Kanonendonner aus der Ferne uns sagte, was nicht weit von uns vor- gieng; und je stiller und dunkler es um uns war, je'mehr waren unsere Gedanken in die Ferne gerichtet, und mit dem Getümmel der Schlacht beschäftiget. Um halb io Uhr trat die Sonne ein wenig aus dem Nebel hervor, die Kanonade kam näher — Schuß aufSchuß, wie auf einer Revüe — und wir erinnerten uns, daß der große Napoleon immer mit der Sonne zu erscheinen pflegt. Viele Wagen fuhren zur Stadt herein, die Leute stürzten auf die Straßen, kleine Detaschements kamen von der andern Seite, und ein junger Officier voran rief: „Wo gehl's nach Jena, jH will hinaus, wo der Feind ist; — nur immer ruhig, zwei Mann hoch aufmarschirt, haltet euch brav!" — Vom nahen Gehölz hörten wir das Horn der Füseliere, wie Nothzeichen. Das ist Flucht, sagte einer zum andern, und lief in sein Haus zurück. Jetzt hielten die Wagen an im Zuge, man forschte und fragte aufs neue, und einer betrog den andern mit der Nachricht: die Preußen siegen! So dauerte die Unruhe und das Getümmel bis zwölf Uhr, als auf einmal, wie mit einem Schlage, alles tvdtenstill wurde. Das Schießen hatte aufge- hört, man sah sich einander verwundert an, es blieb stille, und man setzte sich zu Tische. Da nichts sich weiter hören ließ, so meinten wir schon, es sei alles vorbei, als auf ein mal — cs war halb zwei Uhr — eine Menge Menschen durch die Strafen stürzten, einem Austaufe ähnlich. — Wie eine plötzliche Ueberschwemmung, die den weißen Schaum voranwalzt, so sahen wir die Sachsen mit den Preußen Hereinbreche», und durch die Stadt zum Thore Hinausströmen, sich selbst einander drängend wie die Fluch, doch schneller, als sie. Welch ein Gemisch, welch ein Getümmel! Wagen, Pferde, Fußvolk, Reiter, Marke tender, alles durch einander, mitten unter ihnen die Verwundeten, die Halbtodten, die Sterbenden. Schwarz von Blut das Gesicht überzogen sah man hier einen zu Pferde, dem Teufel ähnlich, sich durch das Gedränge einen Ausweg suchen, während ein anderer neben ihm bleich wie der Tod auf dem Pferde hin schwankte. Andere sanken ermüdet an den Weg hin und hielten ihre Wunden. Niemand sprach, eins eilte still an dem andern vorüber, nur einmal ließ sich eine Stimme hören, die rief: Nun was lauft ihr denn so? Soldaten mit und ohne Gewehr, zerstreute aus allen Regimentern, bald einzeln, bald in stärker» Trupps, und zuletzt in Kompagnien, in Schwadronen, noch ziemlich bei einander, zogen bald mit größerer, bald mit geringerer Eilfertigkeit, bald mehr bald weniger gedrängt vorüber, und gaben einen Anblick von «ner solchen Unordnung, der rettungslos das Ver derben folgen mußte. Indem war ein Officier beschäftigt, die Soldaten seines Regiments zu sammeln; aber man fragte sich wozu, da die fortströmende Menge ohne Anführer, ohne Kommando, wie ein mächtiger Eisgang nn- aufhaltsam war, und auch die Standhaftern mit