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Das Studium ohne Deifezengrüs. Wiederholte Anfragen aus unserem Mitgliederkreise veranlassen uns, die einschlägigen Verordnungen einiger deutscher Ländermini sterien bekannt zu gebe», soweit sie für unsere» Beruf vou Interesse sind. Vorweg muß gesagt werden, daß es sich bei diesen Bestim mungen keinesfalls um erleichternde Bedingungen handclt, im Gegen- teil; das Studium ist in solchem Falle ein mit größten Mühe» gepflasterter Weg. In allen Fällen führt die Zulassung über eine Zulassungsprüfung vor einem besonderen Ausschuß. Die sächsische Verordnung spricht nicht nur von Ausnahmen, sondern von seltene» Ausnahmen", sie schließt aber in die Studienmöglichkeiten die Tech nische Hochschule ein. Die Verordnungen sind in der nachstehende» Reihenfolge erschienen: 1. Thüringen. Bekanntmachung des Thüringischen Ministeriums für Volks bildung vom 15. September 1923. „Für die Auswahl, Aufnahme und Ausbildung hervorragend befähigter, nicht im Besitz eines Reifezeugnisses einer Allgemein oberschule befindlicher Personen an der Thüringischen Landesunivcr- fität Jena bestimmen wir folgendes: 1. Personen, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben und nach ihre» Anlagen und bisherigen Leistungen zum Hochschulstudium geeignet erscheinen, aber durch besondere Verhältnisse verhindert waren, auf einet» der gewöhnlichen Wege sich zum Hochschulstudium vorzubereiten, können durch eine von uns von Fall zu Fall zu treffende Entscheidung zum Studium eines bestimmten Faches an der Landesuniversität zugelassen und als Studierende eingeschrieben werden. 2 Sie habet, an uns einen Antrag auf Zulassung zur Uni versität mit Angabe eines bestimmten Fachgebietes oder Einzelfaches zu stellen, dem sie sich widmen wollen. Als Unterlagen sind bei zufügen ei» ausführlicher Lebeuslauf, Nachweise über Berufsbil dung und Berufsleistung, Darlegung der bisherigen wissenschaft lichen Beschäftigung, Leumundszeugnis und möglichst eine Begrün dung und Empfehlung des Gesuchs durch Personen, die den Be werber nach seinen bisherigen Leistungen bereits kennen und mit dem Wesen wissenschaftlicher Arbeit als vertraut geltet! dürfeu. 3. Nachdem wir eine Sichtung der Bewerbungen vorgenommen und für ihre etwa notwendige Vervollständigung Sorge getragen haben, werden wir sie zur weiteren Behandlung einem Ausschuß überweisen, dem ein Vertreter des Ministeriums für Volksbildung vorsitzt und ein ii» Erziehungswesen bewährter Praktiker ständig angehört. Ein oder mehrere Vertreter des von dem Bewerber ge wählten Faches werden jeweils zugezogen. Soweit eine Erweiterung des Ausschusses zur Prüfung der Allgemeinbildung des Bewerbers notwendig wird, kann der Vorsitzende Prüfende aus den Kreisen der Hoch- und Allgeineinschullehrer von Fall zu Fall zuziehen. 4. Der Ausschuß bildet sich ein Urteil auf Grund einer von dem Bewerber unter Klausur anzufertigenden schriftlichen Arbeit, die möglichst einem dein Berufe und dem bisherigen Vorstudium des Bewerbers nahestehenden Aufgabenkreis zu entnehmen ist, und einer mündlichen Prüfung, die in der Form eines Kolloquiums abzuhalten ist. Bei der Beurteilung sollen in erster Linie besondere Leistungen im Beruf gewertet werden. Daneben ist ein Mindest maß an allgemeiner Bildung notwendig; bei dessen Prüfung ist aber mehr Wert auf Denkfähigkeit und Auffassungsgabe als auf das^Niaß breiten Wissens zu legen. 5. Auf Grund der gutachtlichen Aeußernng des Ausschusses entscheidet das Ministerium für Volksbildung über die Zulassung für ein bestimmtes Fach und verleiht dem zugelassenen Bewerber die volle» Rechte der ordentlichen Studierende». 6. Ueber die Zulassung zur Promotion, worüber die Bestim mungen zunächst nicht geändert werden, behalten wir uns die Ent scheidung noch vor. Ebenso bleiben Anordnungen hinsichtlich der Zulassung zu Staatsprüfungen vorbehalten. 2. Sachsen. Erlaß des Ministeriums für Volksbildung vom 7. 12. 1923 — Nr. I 2324 /X - „Das Ministerium für Volksbildung hält es für erforderlich, daß ^in seltenen Ausnahmefällen auch Personen, die den üblichen zur Hochschulreife führenden Weg über eine neunstufige höhere Schule nicht gegangen sind, unter der Voraussetzung besonderer Begabung, der Zugang zum Hochschulstudium eröffnet wird. Es wird daher folgendes verordnet: ß 1. Personen, die infolge ungünstiger Lebensumstinide nicht ins der Lage gewesen sind, sich auf einem der üblichen Wege für das Hochschulstudium vorzubereiten, die aber nach ihren Anlagen und Leistungen als geignet dazu erscheinen, können durch eine von Fall zu Fall zu treffende Entscheidung des Ministeriums für Volks bildung nach Ablegung einer Prüfung zum Studium an der Uni versität Leipzig oder der Technischen Hochschule in Dresden znge- lassen werden. 8 2. Die Prüfungen werden im März und Oktober jeden Jahres abgehalten. Gesuche um Zulassung zur Prüfung sind bis zu»! 31. Dezember bzw. 81. Mai beim Ministerium für Volksbildung einzureichen. Ihre erste Sichtung wird im Ministerium für Volks bildung erfolgen. Dieses wird nötigenfalls für die Vervollständi gung der Anträge Sorge tragen. Dem Gesuch, in dem anzugeben ist, welchem Studium sich der Bewerber zu widmen gedenkt, sind als Unterlagen beizufüge»: 1. ein ausführlicher und selbstgeschriebener Lebenslauf mit Dar legung der Berufsbildung und Bernfsleistung sowie der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung, 2. ein Leumundszeugnis, 3. die Schulabgangszeugnisse. Ferner können schriftliche oder handwerkliche Arbeiten oder Entwürfe vorgelegt weiden. Dem Antrag ist möglichst eine Begründung und Empfehlung durch Personen beizufügen, die.den Bewerber nach seinen bisherigen Leistungen bereits kennen und niit dem Wese» wissenschaftlicher Arbeit als vertraut gelte» dürfen. Der Antragsteller soll mindestens das 25. Lebensjahr erreicht, das 35. Lebensjahr aber »och nicht überschritten haben. In be sonderen Fällen können hiervon Ausnahmen bewilligt werde». 8 3. Die Gesuche der zur Prüfung zugelassenen Anwärter werden einem vom Ministerium zu ernennenden Prüfungsausschuß übergeben, dem ein Vertreter des Ministeriums für Volksbildung vorsitzt und ein im Erziehunaswesen bewährter Praktiker ständig angehört. Ein oder mehrere Vertreter des von dem Bewerber ge wählten Studiengebiets werden jeweils zugezogem Soweit eine Erweiterung des Ausschusses zur Prüfung der Allgenreinbildung des Bewerbers notwendig wird, kann der Vorsitzende Prüfer aus de» Kreisen der Hochschullehrer und der Lehrer anderer Schulgat tungen zuziehen. Der Prüfungsausschuß bildet sich ein abschließendes Urteil auf Grund zweier von dem Bewerber unter Klausur anzufertigenden schriftlichen Arbeiten, von denen die eine einem dem Berufe und dem bisherigen Vorstudium des Bewerbers nahestehenden Aufgaben kreis entnommen, in der anderen ei» allgemeines Thema zur Be handlung gestellt werden soll, und auf Grund zweier mündlicher im Wesen den schriftlichen Arbeiten ähnliche» Prüfungen, die in Form von Kolloquien abzuhalten sind. Dabei ist auf bloßes Wissen weniger Wert zu legen als auf geistige Reife. In jedem Falle ist zu fordern ein Mindestmaß an allgemeiner Bildung, eine geschulte Denk- und Urteilsfähigkeit, ein tiefgehendes Verständnis für geistige Werte und eine besondere Gewandtheit im mündlichen und schriftlichen Gebrauch der deutsche» Sprache. Bei der Beurteilung sollen in erster Linie besondere Lei stungen im Beruf beachtet werden. Auf Wunsch können dein Bewerber weitere Aufgaben zur Wahl gestellt werden. Auf Grund der gutachtlichen Aenßerung des Ausschusses ent scheidet das Ministerium für Volksbildung über die Zulassung zu einem besonderen Studium an der Universität öder an der Tech nischen Hochschule. ß 4. Wer die Prüfung bestanden hat, tritt auf seinen: Stu diengebiet in die volle» Rechte der ordentliche» Studierenden ein. Ueber die Zulassung zu den Staatsprüfungen werden Anordnungen erfolgen. Ueber die Zulassung zur Promotion behält sich das Mi nisterium die Entscheidung vor." 3. Preußen. Erlaß des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung von 11. Juni 1924. „Hervorragend begabte Personen können in besonderen Aus- nahmesällen auch ohne Reifezeugnis zum Universitätsstudium zu gelassen werden. Voraussetzung für die Zulassung ist: I. Der Bewerber muß seiner Persönlichkeit und seinen geistigen Fähigkeiten nach für das wissenschaftliche Studium besonders ge eignet sein. 2. Er muß über einen angemessenen Grad allgemeiner Bildung, über Urteilskraft und^Denkfähigkeit verfügen. 3. Er muß eine deutlich erkennbare Begabung für das gewählte