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Halle a. Saale, Stadtgottesacker: Eingang mit Glockenturm Der ^tadtgottesacker zu Halle a. Am 1. September 1829 wurde diese Friedhofsanlage, deren Entstehung der Initiative des Kardinals Albrecht, dem damaligen Residenten der Stadt Halle, zu verdanken ist, durch den Weihbffchof Heinrich von Halberstadt feierlich zum Kirchhof geweiht. Der Friedhof feiert somit am 1. September d. I. sein 400jäh riges Bestehen. Urkundlich wurde dieses, damals weit vor den Toren der Stadt gelegene Gelände seit 1350 als Pestfriedhof benutzt. Diese Seuche forderte zahlreiche Opfer, deren Bestattung auf den im Innern der Stadt gelegenen Kirchhöfen wegen der gesund heitlichen Gefahren nicht ratsam erschien. Allein in den Jahren 1449—1452 forderte die Pest 5000 Opfer, die alle ihre Ruhestätte auf dem damaligen Pestfriedhofe, dem heutigen Stadtgottesacker erhielten. Aber erst 1529 wurde dieser auf dem Martinsberge bei Halle gelegene Pestfriedhof ordnungsmäßig als Friedhof hergerichtet und mit einer Mauer umzogen, nachdem der Kardinal Albrecht die Schließung sämtlicher Kirchhöfe innerhalb der befestigten Stadt angeordnet hatte. Im Jahre 1558 wurde nach den Plänen des Baumeisters Nickel Hoffmann, dem die Stadt noch viele gute Bauschöpfungen verdankt, mit der Errichtung des ersten Grabbogens begonnen. Diese Grabbögen waren offene Grüfte, die so angeordnet waren, daß sie das ganze Friedhofsgelände als einheitlich gestalteten, fort laufenden Baukörper umschlossen. Diese Grabgewölbe sind nicht gleich sämtlich hergestellt, sondern nach und nach je nach Bedarf errichtet. Der erste dieser Grab bögen wurde 1558 und der letzte 1594 fertiggestellt, sodaß die Bau zeit demnach 36 Jahre betrug. Es sind im ganzen 94 Grabbögen, die ein ungleichseitiges Viereck von ca. 120 m Seitenlange umschließen. Ein Glockenturm mit Tor dient als Zugang zur Anlage, deren innere Fläche zu Grabfcldern aufgeteilt ist. Der Stadtgottesacker, damals noch weit vor den Stadttoren, liegt heute nahezu im Herzen der Stadt und wird von verkebrsreichen Straßenzügen und dichter Bebauung vollständig umrandet. Die Anlage ist in ihren Hauptgründzügen bis heute erhalten; besonders werden die Grabbögen pfleglich gut gehalten, um der Nachwelt diese sehenswerte Friedhofsanlage in unveränderter Form vor Augen zu führen. Wenn auch im Lauf der Jahrhunderte die Kriegszeiten und deren Folgen nicht ohne Spuren auch an dieser Anlage vorüber gegangen sind, so befindet sich in den alten Grabbögen noch man ches alte Epitaph von hohem künstlerischen Wert. Die Grabgewölbe waren offen und ca. 3 Meter tief, sodaß die dort untergebrachten Särge dem Besucher deutlich sichtbar waren. Diese hygienisch nicht einwandfreie Art der Bestattung veran laßte den Magistrat, im September 1822 nachstehende Verfügung zu erlassen: „Die Begleitung der Särge bei Trauerfeiern kann nur bis zum Eingang des Stadtgottesackers erlaubt werden, da der heftige Geruch, welche die in den offenen Grabbögen beigesetzten Leichen verbreiten, der Gesundheit nachteilig ist". Diese gesund heitlichen Gefahren sind lange beseitigt, die offenen Grüfte sind später zugeschuttet und die darin freistehenden Särge verdeckt worden. Der Gesamteindruck, das einheitliche, durch die Grabbögen ab geschlossene Bild, übt einen starken Reiz auf den Besucher aus und dürfte in unserem Vaterlande in dieser Gestaltung und Ausdehnung nicht seinesgleichen finden. Wenn auch in gartenkünstlerischen und friedhofstechnifchen Dingen hier wenig geboten werden kann, so wird der alte Stadtgottesacker hinsichtlich seiner baukünstlerischen Gestaltung dem Liebhaber alter Friedhofskunst sehr viel bieten. Fachleuten, die Halle besuchen, ist daher außer den neueren Anla gen auch der Besuch dieses alten Friedhofes dringend zu empfehlen H. Cyrenius.