Volltext Seite (XML)
! Der Behörden-Gartenbau ! Blouatsschrift für den deutschen behördlichen Garten-, Obst-, Gemüse-, Weinbau nnd das Friedhofswesen. - Heraustzeber und Verleger: Reichsverband der deutschen Gartenbaubeamten. ; I : Berussverbaud der Beauiten und Angestellten des Garten-, Obst-, Gemüse- und Weinbaues und des Friedhvsswcscus. I Nr. ll Chemnitz, 1. November 1926. 3. Jahr^ums Kampf! Im Schoße der Reichsregierung reifen wieder Pläne, die nichts iGcringeres zum Ziele haben, den vorhandenen Beamtenkörper noch- Imals zu verkleinern Staaten und Städte werden sich der Reichs- Imcht beugen müssen, wenn dieses Beginnen Gesetz wird und damit Islcht vor den Beamten wieder wie einst das furchtbare Gespenst dksBeamtcnabbaues. Rationalisierung, Typisierung sind die Schlag- werte des Jahrzehntes und der Wirtschaft geworden, sie dringen mmmehr auch in die führenden Verwaltungsbehörden ein. Ver- niinslige Menschen sehen ihre Notwendigkeit — aber auch ihre Grenzen ein. Auch an der Behördeuarbeit wird man sich mit den beiden Begriffen Rationalisierung, Normisierung versuchen. Hoffentlich sichren diese Versuche nicht wieder zu dem 'schematischen Abbau, wie wir ihn vor wenig Jahren erleben mußten. Doch nicht genug damit. Der Kampf uins Dasein, oder sagen wir ganz ruhig „ums Dableiben" soll besonders den ohnehin nicht auf Rosen gebetteten Garleubaubeamten noch um ein Beträchtliches Ierschwert iverden. Diesmal ist's aber der eigne Beruf und zwar der erwerbende, freischaffende Teil desselben, der hier mit allerhand noch näher zu beleuchtenden Mitteln auf uns eindringt. In einer ganzen Anzahl uns bekannter Orte sind die freischaffenden Garten architekten und Landschaftsgärtncr dazu übergegangeu auf unser Arbeitsgebiet, den behördlichen Gartenbau, die öffentliche Grün- gestaltnng und Grünerhaltung Sturm zu laufen. Ter Beweggrund ist offensichtlich' Nicht Freude am Kunstschaffen, nicht die höhere Ändung, nicht das Ideal treibt diesen Teil unseres Berufes zu diesem Schritt — sondern Gründe ganz materieller und nüchternster Art sind es, die die gekennzeichneten Berufskreise veranlassen Feuer ia unsere Burg zu werfen. Der Mangel an Aufträgen aus Privat- kmsen ist's, der die freischaffenden Garteugestalter und Landschasts- gättner veranlaßt, neue Wege zum Broterwerb zu öffnen. Es wird nun keinem vernünftig denkenden Gartenbaubeamten, sä er Stadt- oder Staatsgartenbeamter, sei er Friedhossfachmnnn oder Kreis- bezw. Provinzialgarteubeamter, einfnllen, dem zweifellos in schwerer geschäftlicher Krise stehenden Berufsteil dieses Recht streitig zu machen »oder zu wehren. Im Gegenteil: Wir haben uns immer auf deu kollegialen Standpunkt gestellt, daß iiber die los weise Vergebung von Neuausführuugeu, über Verdingung von Ncuausführuugeu unter der Oberleitung rind Aussicht der behörd lichen leitenden Fachleute sehr wohl eine beiden Teilen genehme Lösung gefunden werden kann und auch gesunden werden muß, genau so, wie es iu den Bauamtsbetricben, den Licht- und Wasser- jachbetriebeu möglich ist. Es ist zu verwundern, daß diese Geschäfts ort in unserem Berufe noch keinen Eingang gefunden hat. Die Gründe hierfür zu erörtern wäre müßig; der Beruf der Garten- gestalter der noch ziemlich jung ist, bedarf der historischen Ent wicklung. Soll diese Entwicklung gesund sein, dann nur auf dem Wege der Evolution, der schrittweisen Höhersührung. Den besten Beweis sür diese These liefert uns der Erwerbsgartenbau, der trotz größter Anstreuguugeu schrittweise nur, aber zielsicher seine Neu orientierung meisterhaft vollzieht. Es muß also, vielleicht z. Zt. ämnal im Eiltempo der Weg gesucht werden, der beiden Teilen gerecht wird. Wir — die Beamten — müssen anerkennen, daß der freischaffende Gartengestalter der Hilfe bedarf, daß er sein täglich Brot erwerben kann. Auf der anderen Seite müssen wir aber Verständnis fordern für unsere Betriebe, unsere Verwaltungen, sür unsere ebenfalls schaffensberechtigte Kraft und vor allem Verständnis iür unsere Stellung als behördliche Gartenbau- und Friedhossbeamte. Zunächst ist einmal festzustcllen, daß die Ausführung einer Alleebaumpflanzung, einer Fricdhofserweiterung, einer Grünanlage nicht so einfach verdungen werden kann, wie z. B. eine Kabelver legung, ein Straßenneubau, ein Schleusenzug oder der Bau eines Hauses. Aus der Praxis wissen mir bereits, daß verdungene Grün anlagen nicht immer die Freude des Stadtgärtners oder der Ver waltungen gewesen sind, daß die Herstellung von Grünflächen eine starke Vertrauenssache ist. Gewiß, dann können entsprechende Ver- dingungs- oder Ausschreibungsbedingungen Helsen, aber Klima, Bodenverhältnisse, Wasser u. a. ni. sind nun eben keine Backsteine, die sich schematisch verakkordieren lassen. Streifen wir kurz einmal das Gebiet der Notstandsarbciten. Wie viele Grünflächen verdanken dieser Äußerung stockenden Wirtschaftslebens ihr Entstehen? Will der freie Beruf vielleicht die Risiken solcher Ausführungen über nehmen, die so wechselvolle Bilder gezeigt haben? Wir erinnern nur an Zeiten gärender Erregung in den Arbeitermassen, wo oft die Leistung des einzelnen Arbeiters — NotstandSarbeiters — gleich Null waren. Wie sollen die Gemeinden, vor allein die großen Städte eine solche Zeit meistern, wenn sie nicht auf ihre in diesen Dingen erfahrenen und bewährten Beamten zurückgreifcn können? Da gilt es gestalten und verwalten zu gleicher Zeit. Da sind auch Unternehmergewinn und Baulcitungsauteil in der sonst üblichen Form ausgeschlossen. Nun sind die Städte teilweise dazu übcr- gegangcn, Bauarbeiteu an Unternehmer so zu vergeben, daß unter gewissen Bedingungen die von den Arbeitsämtern, Arbeitsnachweisen wahllos zugewiesenen Arbeitslosen beschäftigt iverden müssen. Für unseren Beruf wären Versuche in dieser Richtung zweifellos nicht ganz aussichtslos. Wünsche dieser Art müßten von den örtlichen Organisationen der Gartenarchitekten oder Landschaftsgärtner an die Behörden herangctrageu werden Wo ein Wille ist — soll es bekanntlich auch ciueu Weg geben. Einen wesentlichen Differenz punkt gibt es immer — auch das ist eine Ersahrung aus der Praxis — bei der Verwendung des gärtnerischen Werkstoffes, der Pflanze, Wir brauchen hier Begriffe wie Handelsware, im Ge, ensatz zu den in deu städtischen Baumschulen oder Stadtgärtnereien vvriultioiertcn Pflanzen, nicht nuscinanderzusetzcn. Unsere Gartenämter nnd Fried hofsverwaltungen werden ohne diese erzeugenden Betriebe niemals auskommcn, wenn sie vorteilhaft für den Stadtsäckel wirtschaften wollen. Sie bleiben aber trotz dieser erzeugenden Beiriebe gern gesehene, zahlungskräftige Kunden und Großabnehmer für deu Erwerbsgarteubau und die Baumschulen. Ob sich der Erwerbs gartenbau oder die Baumschulen bei einer grundlegenden Äudernug der Tinge besser stehen werden, das sei noch dahingestellt, sicher aber ist das eine, daß die Stadtkasse keinen Vorteil haben wird. Es wird in jüngster Zeit in starkem Blaße mit der Behauptung krebsen gegangen, „daß anerkannt alle Behördenbetriebe zu teuer arbeiteten und das sei auch bei den Gartenämtcru der Fall!" Zu nächst sei festgestellt, daß diese Behauptung, die offensichtlich den Stempel des Schlagwortes an sich trägt, bis jetzt durch kein Beweis- material erhärtet worden ist. Die zuständigen Stadtväter und Stadtverordneten werden auch diese dreiste Behauptung entsprechend zu würdigen wissen. Über all diefe Dinge ließe sich am Verhandlungstisch sehr wohl eine Verständigung erzielen. Worüber aber der Gartenbau- oder Friedhossbeamte nie mit sich reden lassen wird, das ist die Art und Weise, wie gewisse freie Berufskreise belieben den Garten- und FriedhofSbenmien ihre Existenz zu untergraben. Ja, man scheut sich nicht einmal, in der breitesten Öffentlichkeit gegen die Gnrtenbeamten vom Leder zu ziehen. So berichtet z. B. eine sehr verbreitete Berliner Tageszeitung „Der Tag" nm 25. 9. 1926 über die Tagung der Gartenarchitekten in Dresden. Dort heißt es wörtlich: „Allgemein kam zum Ausdruck, daß es für die Kommuneu wirtschaftlicher und für die künstlerische Gestaltung ihrer Grünanlagen vorteilhafter wäre, wenn sie den großen Apparat an Gartenbeamten erheblich abbauen und dafür lieber bewährte freischaffende Künstler heranziehen würden". In einem Schreiben an eine Stadtverwaltung heißt es wört lich: „Indessen möchten wir den hohen Rat der Stadt .... bitten, gütigst bedenken zu wollen, daß die Aufgabe der Garten beamten lediglich eine Verwaltungstätigkeit sein sollte, während die rein künstlerischen und gärtnerischen Auf gaben den freischaffenden Gartenarchitekten überlassen bleiben sollten." Wir fragen weiter au, ob sich das ungeheuer! che Gxriicht be wahrheitet, daß in Großberlin eine Fachorganisatiou „trotz lebhaften Widerspruchs einiger vornehmer Charaktere" beschlossen hat, „in jedem Bezirksamt von Berlin einen kleinen Ausschuß von 3 Herren zu bilden, welcher den Auftrag hat, die Arbeiten der beamteten Gartenarchitekten unauffällig zu beaufsichtigen, jedes Versäumnis oder jeden Fehler in der Organisation oder Leitung des Personals zu sammeln und dem Vorstande niitzuteilen, um hierdurch Material an die Hand zu bekommen, damit die Unfähigkeit der Beamten