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V o i g t l ä n d i sch e r Anzeiger. 21. Stücke Freitags den 2Z. May lZO6. Ein guter Rath für jehige Zeit. Don Martin Luther. Als weil dann nun der Frühling hat begun- nen und thut alles grün und lustig an, wollen auch wir unsere Herzen ergrünen lassen in gu tem Muth und. frischem Wesen.. Was sollen uns hierbei die, so draußen sind? Mögen sie's halten, die Päpstler, die den Fuchsdalg streichen, und die Kriegsleut, die nur geizen in ihren eignen Sack, oder auch die großen Hansen, denen das Haupt zu enge wird für großer Weisheit und übriger Kunst... sitzen am Markte und rufen allewege: Halt, Gesellen, wir haben's! — Da es doch eitel Tünch ist und leerer Schaum.... Wir wollen hinausgehen in Frieden, und was der Herr blühen lässet, fröhlich empfahen mit guten Gedanken und einem geistlichen Sin gen, «in jeder nach seiner Weis, wie er's er lernet hat oder vermag *) Wie wenig Worte und doch wie viel Kraft und Geist darin. Ein großes Puch als Commen- tar ließe sich darüber schreiben. Kommt doch kein Martin Luther mehr! Ueber den Einfluß des Frühlings auf den Geist. Je aufgeklärter und selbstständiger derMensch wird, desto kräftiger faßt er die Erscheinmigen der Natur auf, und desto unabhängiger macht er sich von ihrer blinden Herrschaft. Was er gewahr wird, dasvergleichrund deuleter; was sein Gcmüth anspricht, in das trägt er Geist und Leben. Er gicbt allem, was außer ihm vorgeht, eine höhere Ansicht, und bcurcheilt Pie ganze Masse der Erscheinungen nach Ideen. Wenn auch der Geist nicht altert, so wird doch die Maschine, die ihm zur Ausführung seiner Zwecke dient, entkräftet und alt, Der Frühling ist die Verjüngungsepoche der Natur, so auch des menschlichen Körpers: reich an neuen Erscheinungen, überfließend von thätigem Le ben und voller Annehmlichkeit, macht er den angenehmsten Eindruck auf denselben, stärkt ihn; seine Schönheit und seine Mannichsaltig- keit reizt die Thäligkeit des Geistes, fodert sie zum ununterbrochenen Wirken auf, und da sich nun der Körper verjüngt sind erleichtert fühlt, so kann der Geist mit einer Energie und Leben digkeit die Natur beschauen, welche ihn eben so sehr mir Gedanken bereichert, als mit Muth belebt. Wer den Frühling durch Ideen zu be leben, ihn durch Hinblicke auf ein anderes Seyn und auf die Gottheit zu vergeistigen weiß, der giebt seinen Vorstellungen eine Menge von An nehmlichkeiten, welche ihm seine Tage in den rauhen Stürmen des Lebens versüßen. Nicht blos