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6 2 - per so verfeinere sind, daß sie nur noch Schat ten und Gerippe» gleichen. Wie viele sterben nicht nach solcher verfeinerten und verfeinernden Aufklärung? — Doch auch über das Geistige crstreekc sich diese Aufklärung; wenn ncmlich aufgeklärt heißt: gelichtet, o so haben wir an solchen keinen Mangel, die keinen Geist ha ben, deren Hirnkasten gelichtet, d. h. mit keiner großen Quantität von Gehirn angesüllt ist. Wie aufgeklärt verfahren sie, in diesem Sinne, in der Einsammlung ihrer Keimrniffe und Wissenschaften, indem sie nehmlich so we nig als möglich sich davon veischaffen; ich sa ge: so wenig a! s möglich, also ist cs auch hierinncn aufge klärt, gelichtet, dünne. Was soll man vom jetzigen moralische» Cha rakter (versteht sich im Allgemeinen) Gutes und Rühmliches genug sagen k Nur einige trefliche Züge desselben! Wie genügsam, wie zu- frieden ist man nicht? Wenn die Coquete ihre 2 bis z Dutzend Anbeter hat, so ist sie Zufrieden. Wenn das eigentliche Modefraven- zimmer ungehindert und ohne von ihren lästi gen Kinder», Dienstboten und von ihrem Ehe- gcmahl gestört zu werden, halbe Tage lang an ihrer Toilette sitzen kann, so ist sie zufrieden. Und diese Genügsamkeit und Zufriedenheit wird noch erhöht, wenn sie die andre Hälfte des Ta ges und noch die Hälfte der Nacht durchschwär- men kann, und wenn lausend Stimmen ihr Lob preis» ! Der ketit- maftee ist zufrieden, wenn er heute wie ein Hanswurst, und morgen wie ein Harlcq, m gelinder, in dem Zirkel des scho nen Geschlechts erscheinen, dort Aller Augen auf sich ziehen, sich heute an dieses Mädchen und morgen an ein Anderes atlachire», und je den Tag eine Summe Geldes verschwenden kann.— Wie bescheiden istmandoch! Man läßt Andre von sich reden (und sorgt nur dafür, daß sie etwas Schmeichelhaftes reden) rcdcr aber selbst desto mehr von Andern. Wie höflich, wie bescheiden kleidet man nicht die unhöflichsten Unbescheidenheiten, die gröbsten Lästerungen von Andern, die schändlichsten Verläumdungen, die absprcchendsten Urtheile über Andre ein!. Ein junger Lasse von r6 Jahren, der mit seinem Geniekasten kaum begreifen kann, daß er ein Narr in Folio sep, sagt zu einem würdigen, er fahrnen und verdienstvollem Greiß von 8o Jah ren "Sie erlauben, oder: verzeihen Sie, dieß verstehen Sic nicht', dieß wißen Sie nicht, so und so ist es u. s. w." uud nun fängt er an, ihm nach Herzenslust mit den Händen vor der Nase vorzudemonstrireu. Ein solcher führt in der zahlreichsten Gesellschaft mit der gröbsten Be scheidenheit das Wort, spricht über das ab, was er nicht versteht, und weil er wenig oder richtiger: gar nichts versteht, so urcheilt er na türlich auch über alles ab, sucht durch seinen mißlungenen Witz zu glänzen, hält seine grobe» und handgreiflichen Späßchen für feine Pariser; hält'seine ?antslonn, seinen kurzen englischen Frack, sein wildes und verworrenes Haar, sei- ne l vrsiiette oder seine Brille, für Hauptver dienste seiner werchen Person, und Jeder oder Jede dieses Gelichters hält sich für besser als Andre, halt sich für ein Wesen von feiner ge webten Organismus, Ja in unstern Zeilen sind die