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des weiblichen Geschlechts gesorgt; hier werden die schlummernden Fähigkeiten desselben geweckt und zur Reife gebracht; hier ist Nahrung für ihren Geist die Fülle, vier werden sie zu der nützlichsten Betriebsamkeit angeleitet. Nur al lein dadurch konnte der größte Theil des schö nen Geschlechts an den Arbeitstisch gefesselt wer, den, und volle Befriedigung für bas Herz er hallen. Bedenke nur selbst! Die meisten Frau, cnzimmer Haven längst die Thorheit des häus lichen Lebens, des häuslichen Fleißes, her häus lichen Tugenden eingesehen. An dessen Stelle wußten sie nun etwas Andres betreiben. Das Journal des Luxus und der Moden nun, lie fert ihren Händchen stets reichliche Arbeit und rettet sie von dem unerträglichen Gefühle der Langeweile. Ja dreymal Heil sey dem Erfinder! Er berechnete genau die Natur des weiblichen Geschlechts! — Heute ist dieses Kleid, die, ser Aufsatz, dieser Hut, diese Haartour, diese Taille, diese Verzierung u. s. w. von der Mode mit ihrem allgebietendem Scepter zum Gesetz der schönen Welt bestätigst worden, und Schan de jedem Frauenzimmer, welches sich nicht au, genblicklich ihrem Scepter unterwerfen wollte. Nein! man gehorcht, man fliegt an die Toi lette, um eilig im nächsten Enkel als treue Un- terthanin der Königin Mode zu glänzen. Ja gewiß, kein Monarch und kein Beherrscher der Erde kann mehr Gehorsam gegen seine Gesetze und Befehle verlangen! Man sieht und hört nicht — man strengt sich im Nachdenken an, man überläßt die Nebensachen, welche kein Nach denken, keine Geschicklichkeit erheischen, und die von keinem desonderm Werche find, als z.D. die Haushaltung, die Wartung und Erziehung der Kinder, Andern, etwa den Mägden und Bedienten, den Ammen, dem Manne rc., und erhebt sich nicht eher von seinem Sitze, als bis man sich nach den Winken der Mode confor- mirt hat. Jetzt erst kann die Dame in ihr Ele ment zurück, von welchem sie sich, wahrend ih- rer Arbeit, einige Zeil entfernt halten mußte, ins Element der rauschenden Gesellschaften, der lustigen Zirkel und Versammlungen; und bril- lirend trägt sie nun alle ihre Verdienste an und außer sich Jedermann zur Schau. Sie hat nun das kostbare Mittel in Händen, die lästige Zeit aus eine angenehme Weise zu töden. — Ja gewiß, unser jetziger Zeitgeist hat das weibliche Geschlecht zu Erfindungen geweckt, hatihreAn. lagen entwickelt und sie ihrer Bestimmung am nächsten gebracht; hat sie dem Ziele des Glücks entgcgengesührt; hat sie aber auch der Natur nähcrgebracht. Nein! die Natur ist un ter den Menschen noch nicht verschwunden, jene alten Zeiten der natürlichen Simplicität sind nicht dahin.. Hegest du ja hierüber noch einige Zweifel, so betrachte, mein Freund! einmal eine Modedame, wie sie Natur ist, da sie ja Jedermann in ihre Natur blicken läßt. Was ist diese Graziengestalt, nur von einem lichten, durchdringlichen Nebel umhüllt, was dieser sichtbare Ausdruck der weiblichen Form anders? Hat man je noch das Näthsel gelößt: bekleidet zu seyn, und doch nicht bekleidet? Hat nun je noch Natur und Bekleidung, Nackt, heil und Bedeckung so aneinander geknüpft? Wie